Kosten derzeit noch viel höher als im Diesel-/Hybridantrieb
Emissionsfreier ÖPNV in Konstanz wird untersucht

Wasserstoff | Foto: Symbolbild Wasserstoffbus van Hool
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Konstanz. Das ISC und die HTWG Hochschule Konstanz untersuchen Wasserstoff als mögliche Energiequelle für Konstanzer Busse, die Fähre und den Wasserbus.

Alle Verkehrsmittel im Konstanzer öffentlichen Nahverkehr werden derzeit mit Diesel angetrieben. Das International Solar Energy Research Center Konstanz (ISC Konstanz e.V.) und die HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung haben im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums untersucht, ob eine möglichst breit aufgestellte Wasserstoffversorgung einen emissionsfreien Busbetrieb, aber auch einen öffentlichen Verkehr auf dem Wasser ermöglichen kann. Die Studie wurde nun auf der Seite pudi.lubw.de/projekte veröffentlicht.

„Grüner“ Wasserstoff, der mithilfe regenerativer Energien hergestellt wird, gilt als das „Erdöl der Zukunft“. Erst vor kurzem hat die Bundesregierung die nationale Wasserstoffstrategie vorgestellt. Der Konstanzer Gemeinderat hat am 2. Mai 2019 einstimmig eine Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands beschlossen, sodass nun verstärkt auf eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs gesetzt wird. Zudem sind aufgrund der sich verändernden gesetzlichen Grundlage Städte und Kommunen dazu angehalten, in emissionsfreien ÖPNV zu investieren. So wird im August 2021 eine neue EU-Richtlinie zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge in Kraft treten.

Die Forscher haben die Erhebung vor der Verwaltungskonferenz der Stadt Konstanz wie auch vor der Geschäftsführung der Stadtwerke Konstanz vorgestellt. Oberbürgermeister Uli Burchardt betonte die Bedeutung der Studie für Konstanz und hob dabei hervor, wie wichtig es für die Stadt ist, die vorhandenen Kompetenzen der wissenschaftlichen Einrichtungen vor Ort nutzen zu können.
Die Projektleiter Franz Reichenbach (ISC), Prof. Dr. Gunnar Schubert (Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik, HTWG) und Prof. Dr. Peter Stein (Fakultät Maschinenbau, HTWG) und ihr Team konnten umfangreiches Datenmaterial der Stadtwerke Konstanz GmbH nutzen. Das Forscherteam wurde unterstützt von den assoziierten Partnern Stadt Konstanz, Stadtwerke Konstanz GmbH, Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB), Katamaran Reederei GmbH + Co KG und den Entsorgungsbetrieben Konstanz (EBK).
Busflotte
Ein Ergebnis: „In der derzeit 57 Busse umfassenden Busflotte könnte mit der Umstellung auf Wasserstoffantrieb beziehungsweise. Brennstoffzellenbusse und Batteriebusse begonnen werden“, sagt Prof. Dr. Gunnar Schubert. Die technologischen Voraussetzungen sind gegeben, stellen die Wissenschaftler fest. Dabei haben sie auch die ökonomische Seite betrachtet.

Das Forscherteam hat mithilfe von Simulationsmodellen den Wasserstoffbedarf für die einzelnen Transportmittel berechnet, verschiedene Variablen in der Preisentwicklung berücksichtigt und dementsprechend unterschiedliche Szenarien entwickelt. Wie verändern sich die Voraussetzungen, wenn der Preis der Brennstoffzellenbusse und die Herstellungskosten von Wasserstoff sinken, aber die Besteuerung von Diesel oder die Kosten des CO2-Ausstoßes steigen?

Derzeit liegen die Betriebsgesamtkosten bei Bussen bei einem Wasserstoffpreis von 4 Euro/kg um 59 Prozent höher im Vergleich zu einem Diesel-Hybridbus. Die Studienautoren gehen davon aus, dass für die Jahre 2023 bis 2030 die Betriebsgesamtkosten bei den Brennstoffzellenbussen stetig sinken und aufgrund der zu erwartenden Steigerung der CO2-Besteuerung in diesem Jahrzehnt unter den Betriebskosten von Dieselbussen liegen werden.

Auch haben die Wissenschaftler die Praktikabilität von Bussen mit Wasserstoffantrieb grundsätzlich betrachtet, schließlich sollen die Verfügbarkeit und Flexibilität der Fahrzeuge weiterhin gewährleistet sein. Während der Einsatz von Elektrobussen auf den derzeit vorhandenen Linien der Stadtwerke Konstanz wegen der begrenzten Reichweite und deshalb nötiger Ladepausen Herausforderungen birgt, ließen sich mit Brennstoffzellen-Bussen alle Linien ohne größere Änderungen des bisherigen Betriebsablaufes mit einer zentralen Tankstelle bedienen.

Die Forscher schlagen deshalb ein Einführungsszenario für Wasserstoffbusse vor, das einen nicht allzu kostenintensiven Einstieg mit überschaubaren Risiken ermöglichen soll. Eine entscheidende Frage bei der Umstellung ist die Herstellung von Wasserstoff. Nur wenn Wasserstoff mit Hilfe regenerativer Energien produziert wird, erreicht er das anvisierte Ziel eines emissionsfreien Antriebs. Doch auch der Aufbau einer Wasserstoff-Produktion am Standort Konstanz ist mit Investitionen verbunden. Eine Übergangslösung wäre die Anlieferung: „Solange nur ein Teil der Busflotte auf Wasserstoffantrieb umgestellt ist, könnte Wasserstoff angeliefert werden, der beispielsweise am Hochrhein mit Strom aus dem Wasserkraftwerk hergestellt wird“, sagt Studienleiter Franz Reichenbach vom ISC.
1000 kg Wasserstoff pro Tag sind nach den Berechnungen der Wissenschaftler für die gesamte Busflotte nötig. Die Bereitstellung des Wasserstoffs ist auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke technisch möglich. Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, empfiehlt das Team, die Infrastruktur für weitere Nutzer zu öffnen. So könnten auch Privat-PKW, aber vor allem (Brennstoffzellen-) Müllfahrzeuge und die Fahrzeuge von Paketdienstleistern oder Gabelstapler benachbarter Firmen die Wasserstofftankstelle nutzen.
Eine Umstellung auf den Antrieb Wasserstoff zieht neben der Emissionsfreiheit weitere Vorteile nach sich. So sind Brennstoffzellen– und Batteriebusse leiser als Dieselbusse, was sowohl für die Anwohner als auch die Passagiere und nicht zuletzt für die Busfahrer angenehmer ist. Zudem sorgen die Busse für eine Feinstaubeinsparung durch weniger Abnutzung beim Bremsvorgang.
Die Stadtwerke Konstanz als Betreiber der Busflotte haben sich mit der Studie bereits intensiv auseinandergesetzt, sehen jedoch aktuell in der praktischen Umsetzung noch hohe Hürden: „Wasserstoff kann eine praktikable Möglichkeit für Antriebe sein, das hat die Studie gezeigt. Es sind aber noch viele Fragen zu klären, insbesondere in ökonomischer Hinsicht“, so Stadtwerke-Geschäftsführer Dr. Norbert Reuter. Die Hoffnungen der Stadtwerke ruhen auf der jüngst ausgerufenen Nationalen Wasserstoffstrategie, deren konkrete Umsetzung mit großer Spannung erwartet wird. Als wesentliche Grundlage für Wasserstoff im ÖPNV wären Fördermittel und eine Steuer- und Umlagenbefreiung beim Einsatz erneuerbarer Energien für die Wasserstofferzeugung zwingend notwendig.
Grundsätzlich stehen die SWK dem Thema Wasserstoff sehr positiv gegenüber. So soll beispielsweise in einem aktuell beantragten Forschungsprojekt zum klimaneutralen und energiewendedienlichen Stadtteil Hafner, ebenfalls in Kooperation mit der HTWG Konstanz, die mögliche Rolle von vor Ort produziertem Wasserstoff und dessen Einsatz für Gebäudebeheizung und Verkehr eruiert werden.
Fährschiffe
Während ein Einstieg in den Wasserstoff-Betrieb im Busverkehr laut Studie relativ schnell möglich ist, ist bei den Fährschiffen ein weit größerer Zeitraum zu betrachten. Durchschnittlich 50 Jahre ist eine Fähre in Betrieb - ein Bus rund zwölf Jahre. Die Erfahrungen bei Fährschiffen sind – im Gegensatz zum Einsatz von Wasserstoff in Bussen – kaum vorhanden. Nach Untersuchung verschiedener Antriebskonzepte zeigt sich: In der Anschaffung wäre ein rein batterieelektrisches Fährschiff deutlich günstiger als vergleichbare Varianten mit Brennstoffzellen. Neben den reinen Kosten ist auch aus gesamtenergetischer Sicht das batterieelektrische Fährschiff im Vorteil.
„Fähren verbrauchen sehr viel Diesel, wodurch an dieser Stelle ein großes Potential entsteht, Emissionen einzusparen. Da die Schiffe teilweise Lebensdauern von 40 bis 50 Jahren besitzen, sollten früh Weichen gestellt werden, dieses Potential auszunutzen. Die Fähren sind ein sehr wichtiger Bestandteil des Konstanzer ÖPNV, weswegen ein Treibstoffwechsel bei den Fähren nicht nur rein ökologische Folgen nach sich zieht, sondern auch ein Zeichen für die anderen Fortbewegungsmittel in und um Konstanz darstellt“, sagt Prof. Dr. Peter Stein.
Hinsichtlich des besten Antriebs für die Fährverbindung gibt es bei den Stadtwerken Konstanz eine klare Meinung: „Für den Fährbetrieb mit seinem besonderen Anforderungsprofil gibt es kein Produkt von der Stange, das sowohl die technischen Anforderungen als auch das Kriterium der Umweltverträglichkeit erfüllt,“ erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Dr. Norbert Reuter.
Welches Antriebskonzept für die nächste Fähre, die voraussichtlich in 10 Jahren in Betrieb gehen könnte, am geeignetsten ist, werde sich in etwa 5 Jahren herausstellen, wenn auch hier die Vorplanungen beginnen. Die aktuelle Studie hat aus Sicht der Stadtwerke hierfür schon viele wichtige Grundlagen gelegt. Bis zum Planungsstart werden die Stadtwerke die Weiterentwicklung der in Frage kommenden Technologien auch weiter sehr genau beobachten. Sicher sei heute schon, dass die Antriebsenergie auf Basis erneuerbarer Energien bereitgestellt werden wird.
Wasserbus
„Beim Wasserbus gibt es verschiedene Möglichkeiten“, sagt Prof. Dr. Peter Stein zum Antrieb des Pendelverkehrs zwischen Bodenseeforum und Konstanzer Hafen. Von den Anschaffungskosten sei auch hier ein reiner Batteriespeicher im Vorteil, doch punkte der Wasserstoffantrieb mit erhöhter Flexibilität. Und: „Wenn Wasserstoff auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke produziert wird, bietet es sich an, die räumliche Nähe zum Steg am Seerhein zu nutzen, was zum Beispiel über eine 600 Meter lange unterirdische Wasserstoffleitung möglich wäre“, sagt Franz Reichenbach. Außerdem ist mit dem Wasserbus ein vergleichsweise kostengünstiger Einstieg in die Wasserstofftechnik möglich, über den mit geringerem Risiko genug Erfahrung gesammelt werden kann, bevor Investitionsentscheidungen für größere und teurere Schiffe getroffen werden müssten.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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