Wie ein "alter Weg" die Menschen im Hegau berührte
"Einer der bewegendsten Momente, die ich je erlebt habe"

Andreas Kämpf | Foto: Philipp Findling
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Theaterstücke können unter gewissen Umständen etwas ganz Besonderes nicht nur für die Zuschauer, sondern auch die direkt Beteiligten sein. Für Andreas Kämpf, Geschäftsführer des Kulturzentrum Gems in Singen, war dies zweifelsohne die Aufführung eines Stücks mit historischem Hintergrund.

„In ‚Der alte Weg‘ geht es um einen polnischen Zwangsarbeiter, welcher sich nach realen Ereignissen in Zeiten des Zweiten Weltkriegs in eine Deutsche verliebt. Dies war jedoch schnell aufgeflogen und der junge Pole wurde schließlich öffentlich an einem Birnenbaum hingerichtet.“ Das Stück war auch insofern besonders, da es am 23. Juli 2017 auf dem „Alten Postweg“ bei Watterdingen aufgeführt wurde – unweit vom damaligen Ort des Geschehens.
Dabei musste man sich bei dieser Produktion vielen Herausforderungen stellen, wie Andreas Kämpf verriet: „Wir hatten so gut wie nichts. Wir hatten keinen Strom, sondern mehr oder weniger mit Batterie betriebenes Equipment genutzt.“ Man spielte im Grunde genommen vor einer natürlichen Kulisse. „Wir hatten so gut es ging ein paar Scheinwerfer aufgehängt, was aber auch nicht viel gebracht hat“, erzählt Kämpf. Open Air-Vorstellungen seien für ihn grundsätzlich schon eine Herausforderung, da man nicht den geschützten Raum der Bühne habe und von vielen weiteren Faktoren abhängig sei.

Worüber sich der Geschäftsführer am meisten wunderte, war das enorm große Interesse an diesem Stück: „Ich dachte, dass wir vielleicht 50 bis 60 Leute haben, die sich für dieses Stück interessieren oder auch direkt davon betroffen sind. Am Ende waren es 300 Menschen, die das Stück mit unseren zwei Schauspielern verfolgten.“
Er selbst habe in diesem Moment gemerkt, dass es nach wie vor ein Thema ist, welches die Leute im Ort und der Gegend immer noch stark beschäftige. „Wir hatten für das Stück 100 Plastikstühle mitgenommen, welche wir sonst für das Open-Air-Kino verwendeten. Somit waren es 200 Leute, die während des Stückes stehen mussten“, so Kämpf. Auch wenn es für die Zuschauer aufgrund der windigen Verhältnisse teilweise schwer zu verstehen war, so seien alle bis zum Schluss dabeigeblieben.
Dabei waren die Leute nicht nur vom Schicksal des jungen Mannes sehr ergriffen, wie Kämpf berichtet: „Die junge Frau, um die es ging, hat ihr Leben größtenteils in diesem Ort bei Tengen verbracht und war für kurze Zeit auch im KZ Ravensbrück. Danach ist sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt und hat bis zu ihrem Lebensende dort gelebt. Sie selbst war immer eine Außenseiterin.“ Hiermit habe Theaterautor Gerd Zahner seiner Ansicht nach einen wunden Punkt getroffen.

Allgemein findet Andreas Kämpf große Bewunderung für dessen Arbeit: „Er sucht sich in seiner Arbeit oft ein historisches Ereignis, welches entweder in der jüngeren Vergangenheit oder bis zu 400 Jahre zurückliegen. Er recherchiert diese Dinge dann auch sehr akribisch, sodass das, was in seinen Stücken Thema ist, nicht falsch ist, zumindest von dem, was man wissen kann.“ Hieraus kreiere er Stücke, die eine poetische Note haben und nicht wie ein dokumentarisches Werk rüberkommen.
„Es wird nicht nur erzählt, was passierte, sondern in eine reflektierte Form gebracht, die meist eine Ebene drüber liegt“, so Kämpf weiter über Zahner. Dieser war es auch, der sich für den Waldweg als Kulisse aussprach, da eine Aufführung am Originalort leider nicht möglich war. „Für mich persönlich war diese Aufführung einer der bewegendsten Momente, die ich bisher erlebt habe“, sagt Kämpf. Dies sei für ihn auch das Schöne an der Gems, dass sie so vielfältig sei und einem nie langweilig werde.

Portrait:

Name: Andreas Kämpf

Beruf: Geschäftsführer Kulturzentrum Gems

Was treibt Sie an: Ich bin schon immer jemand, der sich für Kunst und Kultur interessiert hat. Mich hat hier an der Gems schon immer die Vielfalt im Programm fasziniert.

Was verbindet Sie mit der Region: Hier habe ich mich, trotz all den Orten, an denen ich zuvor gelebt habe, zu Hause gefühlt. Mir gefällt die Mentalität hier und das Hedonistische, was man den Badenern immer wieder nachsagt.

Der Ort:

Foto: Oliver Fiedler/Archiv

Hermine (Lisa Maria Funk) und Ludwig (Leander Kämpf) können ihrem Liebesbegehren irgendwann nicht mehr ausweichen.

Foto: Oliver Fiedler/Archiv

Watterdingens Ortsvorsteher Stefan Armbruster, Tengens damaliger Bürgermeister Marian Schreier, Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger sowie Theaterintendant Prof. Christoph Nix und Wilhelm Waibel (im Hintergrund) rund um den symbolischen Birnbaum am „Alten Postweg“.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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