Cem Özdemir im Tengener Schätzele-Festzelt
Mehr Frauen und mehr Tempo in die Politik

Özdemir Schätzelemarkt | Foto: Tengens Bürgermeister Marian Schreier entsprach gerne dem Wunsch Cem Özdemirs nach einem gemeinsamen Bier im Festzelt. swb-Bild: of
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Tengen (of). Er hat gezogen, der Cem Özdemir als Star für die Mittelstandskundgebung beim Schätzelemarkt in Tengen. Bis auf den allerletzten Platz einschließlich der Stehplätze war das Festzelt gefüllt, denn der türkische Schwabe ist natürlich populär und gab sich gleich volksnah mit einer Runde über die Gewerbeschau schon vor der Kundgebung.

„Koch und Kellner“ war für Marian Schreier das Stichwort in seiner Begrüßung, denn just an diesem Wochenende sollte sich ja entscheiden, wer als neues Führungsteam der SPD die Suppe auslöffeln müsste. Während sich Schreier selbstbewußt in roten Schuhen präsentierte, meinte er aber auch dass seine Parteispitze einiges von seinem Gast Özdemir lernen könnten, schließlich sei dieser ja gelernter Erzieher. Der aber winkte in seinem Konter gerne ab: da habe er schon in seiner eigenen Partei viel Erfahrung zum Thema „Kindergarten“ sammeln müssen.

Schreier selbst ging in seiner Einführung auf den promienten Gast zur Kundgebung auf viele aktuelle Themen ein. Der Erfolg der Klimastreiks von Fridays für Future ist für ihn ein Signal, dass der herkömliche Modus von Politik nicht mehr funktioniere. Und in Sachen Klima könne die Grün geführte Landesregierung schließlich auch nicht glänzen. Eine CO2 Reduktion von 20 Prozent bis 2020 habe man sich vorgenommen, gerade mal 12 Prozent habe man bislang geschafft. Statt dessen diskutiere man über Feuerwerksverbote und der Blick in die Schweiz – die ja besonders Feuerwerks-Affin ist, zeigte dass dort rund um den Nationalfeiertag gerade mal 78 Tonnen CO2 dadurch freigesetzt würden, eine Menge, die der Autoverkehr in wenigen Sekunden produziert. Immer deutlicher werden, dass die konventionelle Politik bei den Veränderungen nicht mehr mithalten könne. Lokal wolle man dies in Tengen zumdindest versuchen: deshalb wolle man auf der Gemarkung nun den zweiten Windpark planen, und das mit offenem Visier und bürgerbeteiligung über eine Abstimmung. Und Schreier hatte für Ozdemir noch einen frechen Tipp parat: „Wenn bei ihnen mal Veränderungen anstehen sollten in ihrer politischen Laufbahn, Kassiere werden auch bei uns dringend gesucht.“ Und Schreier hatte natürlich das Interview von Ödzemir im WOCHENBLATT gelesen, und darüber hinaus herausgefunden, dass der Schwabe auch schon mal als „Bierbotschafter“ fungierte, deshalb bekam er für seine Rede einen ordentlichen Krug voll Gerstensaft ans Rednerpult gestellt.

Özdemir selbst hatte sich ganz auf Festzelt seingestellt . Der dankte für die Ehrte dieses Auftritts, wo er sich doch scheinbar im politisches Ausklingbecken“ befände. Er sah auch verwandschaften zwischen sich und Schreier und sorgar zum anwesenden CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung: „Wir haben richtig gute Ideen, aber keiner hört uns richtig zu, in unseren Parteien.“

Özdemir bemerkte, dass die Berufe, die hierzulande mit Menschen zu tun hätten, also ErzieherInnen, Kranken- oder Altenpflegerinnen immer schlechter bewertet würden als andere. Wies anders gemacht werden könnte, was mehr als eine Dankeschön erforderte, verriet er aber nicht. Doch schon für die Erwähnung des Themas gabs dicken Applaus.

Als Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen in der Bundestagsfraktion war seine Liste der Klagen über den nun dritten Verkehrsminister der CSU lang, das übertrifft für ihn gefühlt sogar die sieben Biblischen Plagen. Dabei seien die Aufgaben doch klar definiert: endlich schnelles Internet für alle, endlich weniger Funklöcher, und endlich elektrifizierte Bahnstrecken. Als Verkehrspolitiker sei er da von Neid erfüllt, wenn er Besuch aus der Schweiz bekomme: Denn da habe er das Gefühl als ob die erste die Dritte Welt besuche, besonders in Bahnfragen. Denn während in Deutschland in den letzten Jahren 5.400 Kilometer Bahnstrecken stillgelegt worden seien, habe man dort das Netz ausgebaut. Und während in Deutschland selbst noch auf 3.200 Stellwerke „zum Teil noch in einer Struktur aus wilhelminischer Zeit“, gebe es in der Schweiz nur noch vier digitale Leitstellen für den Bahnverkehr. Wenn man nur die Gäubahn betrachte, müsse man sich nur nach an den Kopf langen. Da müsse sich schon bald was ändern, und die A 81 sei keine Lösung für das Problem.

Nach einem Ausflug zum Thema Integration, den Einmarsch der Türken in Syrien und seine Verurteilung von militärischen Grüßen auf Sportplätzen und der Flüchtlingsproblematik und zur Klimapolitik, forderte er noch eine gerechtere Welt indem der Frauen 50 Prozent der Macht bekommen sollten. Und vor allem Zugang zum Geld bekommen. Dann wäre auch Entwicklungshilfe viel nachhaltiger, stellt er sich vor. Auch dafür gabs viele Applaus im Festzelt, wenn sich auch viele der Zuhörer aus den ersten Reihen etwas mehr Visionen gewünscht hatten.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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