Der Biber ist zurück: eine naturnahe Spurensuche
Lebenskünstler braucht wenig Luxus
Stockach (sw). Ein Snob ist er nicht. Auf Luxus pfeift er. Er kann sich seine eigene Welt mit viel Biss zurechtzimmern. Ein kleiner, architektonisch begabter Lebenskünstler, der sehr schüchtern ist. Aber dennoch seine Spuren hinterlässt. Wie hier. Ein Trampelpfad mitten im morgenfeuchten Gras. Eine sanfte Schneise. Hineingedrückt in instinktivem Arbeitseifer. »Hier ist er der Biber herausgekommen«, erklärt Sabrina Molkenthin, Leiterin des Stockacher UmweltZentrums. Hinter dem Freibad im Osterholz beim Eisweiher in Stockach hat ein Biber seine Visitenkarte hinterlegt: eine Spur im Gras, die weiterführt zu ange-nagten Bäumen, angefressenem Holz, quer liegenden Jungstämmen. An einem der angenaschten Bäume glitzert es weißlich-hell. Biberpaste, erklärt Sabrina Molkenthin. Zum Schutz aufgetragen. Das knirscht beim Beißen. Und das mag der Biber gar nicht.
Er ist zurück. Einst in ganz Europa und Zentralasien bis ins westliche China hinein zu Hause, war er Mitte des 19. Jahrhunderts in der Region ausgerottet gewesen. Aus vielen Gründen: Sein Fell, weich, dicht, mit bis zu 23.000 Haaren pro Quadratzentimeter, wurde für Mützen und Mäntel verwendet, an Hüten aus Biberhaar würden Krankheiten abprallen, glaubte die Volksmedizin damals, und das Biberfleisch war als Fastenspeise begehrt, da das Tier wegen seines schuppigen Schwanzes zum Fisch erklärt worden war. Ja, die Schneidezähne des Nagers wurden sogar zu Amuletten verarbeitet und Kindern als Zahnungshilfe gegeben, und das Bibergeil, als salbenartiges Sekret aus der Drüse am After ausgeschieden, galt als Allheilmittel. Und er war als Schädling verschrien.
Wiederansiedlungsprojekte ab Ende der 60er Jahre in Bayern und der Schweiz brachten ihn zurück, in Baden-Württemberg scheiterten solche Versuche. Aber die zähen Sohlengänger wanderten aus dichter besiedelten Gegenden in die Region ein. Wo aber sind sie? Schwer zu entdecken, da nachtaktiv, erklärt Sabrina Molkenthin. Auch als Diplom-Biologin auf Spuren im Wald angewiesen. Hier, am Eisweiher beim Osterholz, hat der Biber nach Nahrung gesucht, doch leben tut er woanders. Ein Bau ist etwa bei der Schwackenreuter Seenplatte bei Mühlingen zu finden.
Der Bewegungsradius des nimmer Müden ist enorm. Er braucht ein großes Revier. Bäume fällt er auch, um an die schmackhaften jungen Triebe zu kommen. Und er ist ein Meisterarchitekt. Ganz ohne Studium. Rein aus Instinkt. Bäche mit zu wenig Wasser staut er auf. Um seinen Bau anlegen zu können. Um Holz zu transportieren. Oder um einen Fluchtweg zu schaffen. Er pflegt die Natur.
Aber er zerstört sie auch. Wenn‘s Ärger mit den Menschen gibt, erklärt Sabrina Molkenthin, liegt es meist an denen. Sicher. Der Biber kann landwirtschaftliche Wiesen, Äcker und Felder überfluten. Und Traktoren können in von ihm gegrabene Röhren an der Uferböschung einbrechen. Doch: Wiesen und Äcker dürfen nicht bis ans Ufer hin bewirtschaftet werden, denn laut Gesetz muss ein Abstand von zehn Metern eingehalten werden.
Zurück geht es über die mittlerweile schon fast sonnengetrocknete Wiese. Vielleicht der Weg, den abends auch ein Biber geht. Wohl nicht allein. Denn er ist ein geselliger Geselle. Anhänger der Idee der Großfamilie. Mit seiner Partnerin, mit der er meist ein Leben lang seinen Holzbau teilt, hat er pro Jahr ein bis vier Junge. Sie bleiben zwei Jahre bei den Eltern, bis sie in ihre »eigene Bude«, sprich ihr eigenes Revier, ziehen. Zwei Jahrgänge lebhafter Biber-Kids! Zum Glück hat der Biber ein dickes Fell.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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