Geistliche über einen Kamm geschoren
Wenn Ökumene zur Realität wird

Wie steht es mit der Ökumene, wenn aus Floskeln Realität wird? Was sind die Tätigkeitsmerkmale eines evangelischen Pfarrers beim Nachruf in der Zeitung? Ja, sie hat sich rührend um die Ministranten bemüht, schrieb zuletzt eine Dorfmitarbeiterin. Mit denen hat die Protestantin sicherlich dann auch die Messe gefeiert! Das waren auch jene Augenblicke, die den Singener Pfarrer Bernd Karcher auf die Palme gebracht haben. Er hatte oftmals moniert, dass in unserer Region selbst evangelische Pfarrer in die katholische Kirche eingemeindet worden seien! Karcher war nicht der einzige Geistliche, der den Dialog mit den lokalen Medienvertretern suchte. Unvergessen geblieben ist eine Runde im Hilzinger Pfarrhaus Ende der 80er Jahre mit den Lokalchefs, bei der deutlich wurde, dass die schnelle Schlagzeile mehr als theologische Kenntnisse gilt. Der Hegauer Katholikentag war damals eine echte Prüfung. Nach dem hielt mich Karcher für einen reinrassigen Katholiken! Dennoch hatte er mich als Referent zu einem Schulungsnachmittag für Pressemitarbeiter des evangelischen Dekanats im Linzgau eingeladen! Unsere Fronten klärten sich, als Karcher Pfarrer meiner einstigen Heimatgemeinde in der Singener Lutherkirche wurde, wo ich früher Kindergottesdienst gehalten hatte.

Ja, wie ist das mit der Ökumene? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, dass sie gelebt werden und mit Leben erfüllt werden kann? Als wir 1979 heiraten wollten, gab es keine Alternative: Ökumenisch! Unser erster Besuch galt dem katholischen Gemeindepfarrer in Bodman, meinem künftigen Nachbarn. Er hatte schon einmal als Vikar bei einer ökumenischen Trauung aushelfen müssen und kannte die Formalitäten! In der katholischen Kirche zu Bodman würden wir die erste ökumenische Trauung sein! Und ich würde Kirchenrat Theo Odenwald anfragen, der sich jetzt in Steißlingen im Ruhestand befinde; den Pfarrer, der mich in Singen konfirmiert hatte. Es wurde eine Begegnung dr besonderen Art, denn Theo Odenwald hatte seine Vorbehalte gegenüber ökumenischen Trauungen: Nur zu oft werde dann vor lauter Ökumene garnichts aus der neuen Beziehung! Am Ende sei die Beziehung in beiden Richtungen kirchenfern! Das haben wir beide ernst genommen. Einen Pfarrer oder gar zwei brauchten wir nicht als Zeremonienmeister! Und zum Glück gab es damals noch keine Wedding-Planer! Ein katholischer Pfarrer erzählte mit kürzlich: Er würde diesen Spezialökonomen gleich klarmachen, in der Kirche sei er der Chef und für die Wedding-Planerei verantwortlich!

Unkompliziert war unsere ökumenische Hochzeit auch damals nicht. Unsere Umgebung musste in den folgenden Wochen dazulernen: Es würde keine Brautmesse geben; keinen Kirchenchor, dafür aber Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, über deren Wunsch sich die Organistin besonders freute. Das mit der „Brautmesse“ war wie die Geschichte mit den Ministranten, die der evangelische Pfarrer „betreut“, damit dies im Nachruf erwähnt werden kann! Seit wann soll es etwa eine „ökumenische“ Brautmesse geben? Etwa bis zu unserer Goldenen Hochzeit? Wenn Jan Hus beim nächsten Konstanzer Konzil nach aller Wiederauferstehung wieder auf alle damaligen Päpste gestoßen ist?

Wünschenswert sind ökumenische Gottesdienste, ohne dass die Pfarrer liturgische Kunststücke vollbringen müssen. Sensationell ist es, wenn beim ökumenischen Gottesdienst an Pfingstmontag ein Pfarrer dem anderen die Kommunion reicht: Warum an diesem Tag? Weil da die katholische Kirche keine ausgewiesene Gottesdienstordnung kennt! So ist eben die Ökumene: Wenn nichts „eigenes“ im Wege steht! Aber „eigenes“ gibt es immer wieder – und sei es in den Köpfen „medialer Katholiken“ am Grabesrand! Uns blieben die Hinweise von Theo Odenwald im Gedächtnis. Plötzlich klingelte der Ortspfarrer an unserer Wohnungstür. Er fragte, ob meine Ehefrau für den Pfarrgemeinderat kandidieren würde? Ich war skeptisch in punkto Mischehe. Der Pfarrer wiegelte ab, meine Frau kandidierte, woraus 25 Jahre wurden, dreimal endete sie als Spitzenreiterin. Ich fand meinen Platz im evangelischen kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Beide zusammen arbeiten wir heute am Programm des katholischen Bildungswerks See-End. Bei einem späteren katholischen Gemeindepfarrer stellte ich mich als militanten Evangelen vor, später recherchierten wir gemeinsam über das marianische Bistum Konstanz. Schließlich geht es immer um Wissen, denn Unwissenheit grenzt letztlich nur aus und ab.

Der Rest ist peinlich. Pfarrerin Christiane Müller-Fahlbusch war bis zuletzt ständig auf der Höhe der Ereignisse. Beeindruckend war, dass sie trotz Krebskrankheit in der vakanten Pfarrei Ludwigshafen die Aushilfe übernahm. Wer loben will, muss auch den richtigen Punkt finden. Und für ihre Arbeit brauchte sie keine Ministranten! Wohl nur das Herz auf den richtigen Fleck! Den hat dort auch der neue Amtsinhaber: Bei Pfarrer Selmsdorf konnte ich dann Goldene Konfirmation feiern – im Rollstuhl neben meiner Frau auf der Kirchenbank.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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