Erinnerungen an einen großen Alemannen
Wafrö - Netzwerker "humoris causa"

Wer Walter Fröhlich gekannt hat, der war eigentlich immer am Puls der Zeit. Heute werden die Netzwerker Minister, was natürlich aus dem Lateinischen übersetzt auch nur Diener heißt. Als Walter Fröhlich in seinen besten Jahren stand, war er auch schon so einer, auch wenn es den Begriff noch gar nicht gab. Er wusste einfach, was gerade los war, worüber die Leute redeten – zumindest viele wichtigen Leute. So ist es auch verständlich, dass er eine Nummer des Poppele-Narrenspiegels bis zum Lebensende geprägt hat, die Bänklesfurzer nämlich. Wafrö hatte eine ausgeprägte Ader für das Komische, das Skurile. Und über diese Weiche im Kopf ließ es eben auch harter Politik vermitteln.

Walters Herz hing trotz mancher Widernisse an seiner Aluminium in Singen. Er war der beste Botschafter des Betriebs, Promotor seiner Chefs. Gefördert hatte ihn vor allem Direktor Rolf Richard Herklotz. In die frühe Phase der Imageförderung für den Betrieb fiel ein Sonderauftrag: Wafrö wurde nach München geschickt, um bei Sammy Drechsel zu lernen, wie man auf der Bühne Kabarett macht. Ja, beim genialen Regisseur der berühmten Lach-und Schließgesellschaft. Da war er am Puls der Zeit gelandet, wo von Dieter Hildebrand und Klaus Havenstein die intellektuellen Kanonaden auf den adenauerschen Zeitgeist abgeschossen wurden.

Als Herklotz abkommandiert wurde, um das Werk in Essen zu retten, trauerte Fröhlich in Singen. Doch er sollte auch für dessen Nachfolger noch lange unverzichtbar sein. So feierte der spätere Singener Ehrenbürger Dietrich H. Boesken seinen 60. Geburtstag in einem erlesenen Kreis natürlich mit Walter Fröhlich. Wafrös Texte adelten viele Jubilare, denn er konnte wie kein anderer Weltbewegendes auf unsere kleine Welt in der Provinz herunterbrechen – und natürlich umgekehrt. Walter Fröhlich war stets eine Art Grenzgänger. Die journalistisch begründete Neugier trieb ihn an. Er wusste, wo die Musik spielte. Das ergab große Augenblicke in seinem Leben. Als der Frankfurter Flughafen eingeweiht wurde, war er als Werksfotograf dabei, um das verarbeitete Aluminium zu dokumentieren. Und plötzlich stand der Singener neben dem amtierenden Bundespräsidenten!

Ein Grenzgänger? Viele machten einen großen Bogen um Günter Heiß als Veranstalter. Als dieser mit Oswald Kolle den Aufklärer der Nation in die Scheffelhalle eingeladen hatte, moderierte Walter Fröhlich mit keckem schwarzen Schnauzbart die Diskussion in einem Kreis der Aufmüpfigen. Das war eine Veranstaltung, die regional alle Gemüter erregte. Und das mit dem honorigen Kenner katholischer Theologie!

Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt: Walter Fröhlich kämpfte oft mit den Widersprüchen in dieser Welt. Er war anerkannt und geradezu verehrt, oft aber auch auf eine Stufe der Normalität zurückgesetzt. Als ihn die Poppele-Zunft zum Professor „humoris causa“ ernannt, würdigte sie vor vielen anderen das Genie in ihm. Wafrö hat Bühnentexte auch für andere geschrieben und sich köstlich darüber amüsieren können, wenn die Diskussion begann, der- oder diejenige seien jetzt bald besser als der Wafrö. Wafrö erschuf den „dbk“ auf der Poppele-Bühne und brachte Sigrun Mattes als „Kuh vum Land“ zur Fernsehreife.

Als Kolumnist und Kollege war Wafrö Extraklasse – vor allem wenn es darum ging, den gesunden Menschenverstand sprechen zu lassen. Im Kampf um Kunst und Kultur war er ausgangs der 80er Jahre ein Fels in der Brandung. Da half sein Netzwerk bei vielen Konflikten. In den Gemeinderat war Walter Fröhlich nie gewählt worden, als Wahlkämpfer hatte er Einfluss und Gewicht. Unvergessen ist der OB-Wahlkampf 1985, als mit Günter Litz, Walter Fröhlich und Heinz Läufer ein intellektuelles Terzett für Friedhelm Möhrle kämpfte und textete. Hier war Wafrö endgültig zur politischen Instanz geworden.

Die Nähe zu Ärzten und Professoren war ihm immer wichtig, mancher bekam auch ein literarisches Kränzchen gewunden. Der Durchbruch des Literaten Fröhlich kam 1985 mit „Wa mi druckt und wa mi freit“. Im legendären „Widerhold“-Saal fand die Buchtaufe statt. Das war vielleicht sein ehrlichstes Buch, in dem er sogar einen Schuss Arbeiter-Lyrik beisteuerte. Alemannische Mundart , die er offiziell seit 1973 schrieb, mischte sich mit Prosa in der Hochsprache. Der Erfolg des Abends war grandios, Walter Fröhlich hatte mit der Lesung eine neue Bühne erklommen. Ich habe Walter Jahre später gefragt, warum er damals mit der Scheu der Bescheidenheit aufgetreten war. Ja, er sei unsicher gewesen, ob das kleine Buch überhaupt ankomme, vor allem auch seine Gedichte.

Das macht einen wesentlichen Zug in seinem Charakter sichtbar. Nur der kritische Geist lässt den eigenen Zweifel zu. Er feilte an seinen Texten. Was später Hits bei seinen Lesungen wurden, waren ursprünglich erstmals im Wochenblatt abgedruckte Texte. Nichts Menschliches war ihm fremd, den Familienalltag kannten sicherlich nur wenige besser als er. Seine bescheidene Frau Elisabeth stärkte ihm den Rücken für die Auftritte auf der Bühne. Aber wann war Walter wirklich glücklich? Wenn er mit Narren mit dem Akkordeon begleitete? Wenn er texten und singen konnte? Wenn er von seiner Jugendzeit in Konstanz erzählen konnte? Oder wenn er einfach privat sein durfte? Wer ihn so erleben durfte, trauert um ihn in einer anderen Dimension.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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