Einer der Väter des City Rings und des Stadtfestes
Vom »Start-Up« eines genialen Selfmade-Mannes
Sigrid Frese erinnert sich an die Anfangszeiten des Singener WOCHENBLATT’s mit Verlagsgründer Hans-Joachim Frese.
Heute würde man das ganze ein »Start-Up« nennen, eine Unternehmensgründung, die mit vielen Visionen angegangen wird, aber auch mit einem hohen Risiko des Scheiterns. Der Gründer des Singener WOCHENBLATTs, Hans-Joachim Frese, er würde am 26. Mai seinen 74. Geburtstag feiern, war ein Mann der Visionen gewesen, der im Sommer 1967 mit der Gründung des damaligen »Hegau Anzeigers«, aus dem dann bald das Singener WOCHENBLATT wurde, eine ganze Menge Mut bewiesen hatte.
Es war ein Leben im Eiltempo damals gewesen: Seine Witwe, Sigrid Frese, erinnert sich noch heute lebhaft an die wilden 1960er Jahre hier im Hegau. Sie selbst wurde 1946 in Schleswig-Holstein geboren, kam im Alter von drei Jahren nach Friedingen. »Mit 17 habe ich Hans-Joachim Frese kennengelernt, als ich 18 wurde haben wir schon geheiratet«, erzählt sie in lebhafter Erinnerung. Damals wurde mit Fördergeldern ein Haus in der Südstadt gebaut, wegen der LaKra-Gelder mit der Auflage, darin auch Übersiedler der Nachkriegszeit aufzunehmen. Hans Joachim Frese hatte damals gerade seinen Dienst bei der Bundeswehr beendet und schon damals gab es viele Visionen. Vom LKW-Fahrer in einer Spedition bis zu einer Ausbildung bei einer Tageszeitung reichte damals das Spektrum. Eine Beschäftigung in Stuttgart brachte damals die zündende Idee, denn dort gab es die ersten »Gratis-Zeitungen« mit Werbeanzeigen.
So was brauchte Singen und der Hegau auch, war die klare Ansage dieser Tage gewesen. Mit gerade mal 24 Jahren war er im Sommer 1967 soweit. Gerade zur Eröffnung des Sommerschlussverkaufs startete der »Hegau-Anzeiger« mit seiner ersten Nummer – und schon damals ging es Hans-Joachim Frese um Information mit seiner Zeitung.
»Er war Autodidakt in vielen Dingen, aber er brauchte nie lange um etwas zu verstehen und hat sich sein Wissen in einem enormen Tempo erarbeitet«, blickt Sigrid Frese in diese damals so bewegten Zeiten zurück.
Schließlich wurde just zum Start des Blattes seine zweite Tochter Manuela geboren, die wie die erste Tochter und heutige Verlegerin Carmen Frese-Kroll, mit dem Unternehmen eng verbunden ist.
»Die Anfangszeiten des WOCHENBLATTs waren ein echtes Familienunternehmen«, macht Sigrid Frese deutlich. »Die Zeitungen kamen zu uns aus der Druckerei ins Haus, dort wurden sie für die Austräger gerichtet und des Öfteren war auch noch beim Verteilen Familieneinsatz gefragt. Es gab keinen Urlaub damals, denn das Unternehmen musste in der Anfangszeit angesichts vieler Widerstände aus dem Medienbereich hart ums Überleben kämpfen.
Nicht nur in dieser Zeit konnte Hans-Joachim Frese als Unternehmer dabei auf seine Frau als wichtigen Rückhalt zählen, sie war in vielen Fällen vor mancher Entscheidung wichtige Ratgeberin, um die Visionen ihres Mannes auf feste Beine stellen zu können und so im Prinzip sehr wesentlich beteiligt, am unaufhaltsamen Aufstieg des WOCHENBLATTs als dem Medium für die Region.
Handel profitierte vom WOCHENBLATT
Auf der anderen Seite hatte der Handel in Singen auf die Alternative WOCHENBLATT regelrecht gewartet. Hans-Joachim Frese, der seine politischen Wurzeln bei den »Jusos« hatte und dadurch auch über das politische Geschehen bestens informiert gewesen ist, konnte mit Heiner Schmidt dann 1974 den ersten Vollzeit-Redakteur einstellen.
»Da konnten wir 1975 erstmals wieder mit der Familie in einen Urlaub fahren«, erinnert sich Sigrid Frese. Der ganz große Durchbruch gelang durch die Verhaftung der RAF Terroristen Sonnenberg und Becker, als das WOCHENBLATT als einzige Zeitung Fotos der Aktion hatte, die bundesweit nachgefragt wurden.
Einer der Väter des City Rings und des Stadtfestes
Hans-Joachim Frese war in vielen Dingen ein Motor für die Stadt und auch für die Region gewesen. Denn das WOCHENBLATT, das es bald auch in lokalen Ausgaben zunächst für Radolfzell und die Höri, dann auch für Stockach und den Hegau gab, löste Vieles aus. Zum Beispiel die Gründung der Werbegemeinschaft »City Ring« im Jahr 1969, mit der der erstarkenden Südstadt seinerzeit Paroli geboten werden sollte. Mit dem WOCHENBLATT gab es den Partner, der die Botschaften des Handels vermitteln konnte. Auch das erste Stadtfest, damals noch »Citymarkt« genannt, war 1971 der Aufbruchstimmung unter dem Hohentwiel geschuldet, die Frese mit seinem Familienunternehmen verbreiten konnte. »Mein Mann war immer neugierig und offen für Neues, das zeichnete ihn absolut aus«, bringt es Sigrid Frese auf den Punkt. Und er war auch Idealist.
Bundesweite Kräftebündelung
Als sich die Anzeigenblätter in Deutschland zu einem Verband zusammen schlossen, war er ab 1973 bis 1979 dessen Vorsitzender gewesen. Und als die zwei damals konkurrierenden Verbände sich 1987 zum Bundesverband deutscher Anzeigenblätter (BVDA) zusammenschlossen, hatte Hans Joachim Frese an den Strippen mitgezogen und war auch dort im Vorstand bis 1995 vertreten. Das WOCHENBLATT war in dieser Zeit stets ein Vorzeigeprodukt in Sachen engagierter Redaktion, darauf legte Hans-Joachim Frese immer wieder großen Wert.
Und er scheute sich nie, sich für seine Stadt einzusetzen: auch eine Zeit lang als Vorsitzender des größten Singener Fußballvereins, dem FC Singen 04, oder mit der Unterstützung der »HSG Singen Gottmadingen«, die den Hegau damals zu einer Handballhochburg machte, oder in der Protegierung des Singener Boxclubs, der ebenfalls den Namen der Stadt im ganzen Land bekannt machte.
Mit einer Software gestartet
Dass diese »Zeitung für alle« in vielen Punkten Neuland betreten hatte, macht auch das Thema EDV deutlich. Was tut ein Hans-Joachim Frese, wenn es keine Verlagsprogramme für die Buchhaltung und Anzeigenverwaltung gibt?
Hans-Joachim Frese gründete die »HJF-Software«, die ein maßgeschneidertes Verlagsprogramm entwickelte, das auch bei anderen Anzeigenblättern unter dem Markennamen »Topline« ein gefragtes Produkt war. »Er konnte sich intuitiv in viele Dinge sofort hineindenken und wusste, wie was funktioniert. Und das ziemlich schnell«, sagt Sigrid Frese.
Freilich wurde aus der Softwareschmiede auch ein Unternehmen, das viel Einsatz erforderte. Deshalb wurde im Jahr 1989 ein Schnitt gemacht. Seine Tochter Carmen war nun soweit, dass sie das Verlagsgeschäft übernehmen konnte und sie hatte selbst viele Visionen für die Zukunft dieser Zeitung. Die Neuausrichtung des Unternehmens HJF-Verlagssoftware ging in Richtung Höri. In Wangen wurde das »Hotel« Residenz als Standort 1992 ausgemacht und die Vision Hotel dann ebenfalls umgesetzt. Klar, dass der Unternehmer auch hier in Sachen Tourismus Zeichen setzte.
Eine heimtückische Erkrankung sorgte für einen viel zu frühen Tod am 2. April 1998. Der große Vordenker hatte noch eine ganze Menge Pläne gehabt, weiß Sigrid Frese. Die Visionen gingen bei ihm scheinbar nie aus.
Die frühe Übergabe an seine Tochter Carmen war in diesem Fall ein Segen gewesen – denn unter ihrer Führung hat sich das WOCHENBLATT, das in diesem Sommer seinen 50. Geburtstag als meistgelesene Zeitung in ihrem Verbreitungsgebiet feiern kann, im Sinne seines Gründers weiterentwickelt. Die Vision Freses ist auch heute noch in jeder Ausgabe des WOCHENBLATTs spürbar.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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