So ganz ist Ursula Caberta nicht im Ruhestand
Scientology: Jäger und Gejagte
Neu im Visier von Scientology sind Mittelstand und Lebensberatungsstellen. Das sagte die Hamburger Sektenbeauftragte Ursula Caberta 2008 in Singen im Gespräch mit dem Wochenblatt. Damit hatte sie wieder einmal den Nagel auf den Kopf betroffen. Vor einem Jahr wurde sie in den Ruhestand „gegangen“. Die Jägerin war schon lange selbst zur Gejagten geworden. Das wurde beim Treffen vor ihrem Vortrag in der Stadthalle schnell deutlich. Es war unsere erste persönliche Begegnung – und da geht es schnell um die eigenen Erfahrungen mit Ron Hubbards Jüngern. Das haben sonst nur royale Häupter und 1a-Promis, einen eigenen Biografen. Ursula Caberta hat es geschafft, denn im Internet hat Reinhard Rieder genau aufgepasst, wenn die streitbare Hanseatin wieder einmal böse zu den Scientologen war! Schließlich hat sie auch ein neues Buch zum Ruhestand.
Die Kritiker-Bekämpfung hat bei dem Sekten-Konzern einen hohen Stellenwert. Vor allem deshalb darf man auch keinen noch so kleinen Fehler machen, will man nicht in die rhetorische Umdrehmaschinerie der Scientologen geraten. Ursula Caberta hat mit ihrem Beitritt zur WASG, für die sie auch noch erfolglos zum Bundestag kandidierte, ihren wahrscheinlich größten Fehler selbst gemacht. Sie hatte den politischen Rückhalt verloren, vielleicht auch ein Stück eigene Identität als alteingesessene Sozialdemokratin. Keinen Millimeter der eigenen Position aufgegeben hat das Singener Wochenblatt 1992, nachdem Anatol Hennig seine Geschichte über die Farb-und Stilberatung von SN Colours geschrieben hatte. Der Vorwurf saß: Hier wurden gezielt Adressen für Scientology gesammelt! Und jetzt begann die „Kritikerbekämpfung“! Nach Hennigs Recherchen war der Besuch einer hochrangigen Persönlichkeit zu erwarten, die alles relativieren und in Abrede stellen würde. Mir hatte er einen dicken Stapel Material für die Nachtlektüre mitgegeben. Am Tag darauf traf alles – wie erwartet – an. Ein prominenter Handelspartner suchte den Zugang über die Geschäftsleitung. Es war auch jemand, den auch ich bisher außerordentlich schätzte. Die Dame aus Radolfzell, die hier Adressen gesammelt haben sollte, sei natürlich über jeden Zweifel erhaben! Das sei alles nicht haltbar. Und dann kamen alle rhetorischen Tricks und Finten – quer durch den Gemüsegarten. Da ich gut vorbereitet war, fiel es mir leicht, keinen Millimeter aufzugeben. Mein Gegenüber merkte, dass seine Mission erfolglos bleiben würde. An seinen Augen spürte ich den psychischen Druck, unter dem er stand.
Der Höhepunkt des Psycho-Kriegs kam vor dem Oberlandesgericht. Junior-Chef Stefan Erdtmann hatte seinem Anwalt längst das Zepter aus der Hand genommen. Unser Anwalt Dr. Wiedemann hatte für Klarheit gesorgt: Wir hatten es hier komplett mit Scientologen zu tun! Strittig war letztlich nur noch die Kostenregelung des Verfahrens. Wir wussten: Wenn diese nicht zu 100 Prozent zu Lasten von SN Colours gehen würden, würde Scientology später behaupten, sie hätten den Prozess gegen uns gewonnen! Erdtmann erklärte treuherzig, sie würden keine Adressen mehr für Scientology sammeln. Nach einer Sitzungspause erklärte Dr. Wiedmann, wir nähmen das zur Kenntnis. Sollten sie aber jemals wieder welche sammeln, würden wir dies sofort wieder publizieren! Über den Wochenblatt-Erfolg berichtete die FAZ auf ihrem Wirtschafts-Titel.
Geblieben ist die grundsätzliche Methodik der Scientologen: Sie bieten vor allem jüngeren Menschen einen Königsweg zum Erfolg an. Hier setzen sie gerade bei Lebensberatungsstellen an. Dazu passte in den 80er- und 90er Jahren die Farb-und Stilberatung. Andere Schwachstellen von Menschen sind hinzu gekommen. Immer wieder geht es wohl darum, wie ich zu meiner „richtigen“ Performance komme. Da wird bei der Psyche angesetzt. Schwierig sind die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die einem Verwirrspiel gleichen. Das beginnt beim Ethik-Officer der Scientologen, der mit unserer Ethik nichts zu tun hat. KVPM kämpft dann wieder gegen die Psychiatrie. VPM hat mit allem nichts zu tun, Teile davon machen aber seit der Auflösung angeblich munter weiter.
Hamburg leistete sich von 1992 bis 2010 mit Ursula Caberta eine bundesweit wirkende Sektenbeauftragte. Sie hat sich vor allem um die Bekämpfung von Scientology gekümmert. Wirtschaftsformen wie den Strukturvertrieb waren nicht unbedingt ihr Thema. Oft wird auch von vorne herein bestritten, etwas mit Scientology zu tun zu haben. Der Umkehrschluss fällt umso schwerer. Bestimmte Themen kommen in Intervallen wieder, verlagern sich oft nur im weltweiten Streben nach Macht und Geld. So feiert der Handel mit Putzmitteln (mit „Amway“ ) große Erfolge in Russland oder auch in Asien. Das Zentrallager vom Amway in Europa befindet sich im niederländischen Venlo. Dort machte in den späteren 90er Jahren auch die Familie Erdtmann mit der Life-Style-Postille „Unique“ weiter. Ihre Immobilien haben sie weiter in Krefeld, wo auch die Schule für Farb-und Stilberatung sitzt, auf die sich die SN-Colours-Protagonisten berufen. Was macht die Dame von Welt sonst im Alter? Man spielt Bridge im Kreis der feineren Gesellschaft.
Irgendwo vernebelt wieder ein Gericht die Sicht auf die Realität. Bereits 1979 prüfte die US-amerikanische Bundeshandelskommission (FTC), ob das System von Amway ein illegales Schneeball- oder Pyramidensystem darstellt. Der damalige FTC-Vorsitzende Robert Pitofsky verneinte dies. Dennoch wurden Amway eine Reihe von Auflagen erteilt. So muss das Unternehmen seither allen Aussagen über mögliche Profite und Verkaufszahlen seiner Händler auch Zahlen zu den tatsächlichen Durchschnittsgewinnen gegenüberstellen. Die FTC stellte fest, dass der durchschnittliche Amway-Händler weniger als 100 US-Dollar pro Monat und mehr als die Hälfte gar keinen Gewinn erzielten. . .
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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