Randnotizen zum Bodmaner Museumsprojekt
Kultur als Macht- und Marktfrage

An Kunst im Öffentlichen Raum und Kultur in Museen scheiden sich schnell die Geister. Vieles wird schnell zur Frage der Macht. Früher leisteten sich die Fürstenhäuser Kunst. Dies war nicht zu hinterfragen, denn im Zweifelsfall waren es Dokumente des Zeitgeistes, die aus der eigenen Tasche bezahlt wurden. Heute sind Mäzenaten gefragt, um finanzielles Engagement der Öffentlichen Hand auszuschließen. Aus Stiftungen werde Museen, umjubelte Treffpunkte des Kunsttourismus. Burda und Würth sind stellvertretend aus dem Ländle für privates Kunstengagement zu nennen. Heiß werden die Debatten, wenn Städte und Gemeinden als Kunstförderer auftreten sollen. Da geht es oft um den Streit zwischen Geschmack und Bedeutung. Und da entscheidet am Ende wieder die Macht. Wer will was und wer steht dahinter? Und welche Experten lassen sich durch wen instrumentalisieren?

Neben den lokalen Kunstvereinen waren es in der Gegenwart oft die Service-Clubs, die als Museumsförderer auftraten. Die konnte das Singener Kunstmuseum vor allem nach dem ersten Fehlstart dringend brauchen. Ich schrieb einmal im Vorwort zu einer Kulturbeilage: Es könne je nicht sein, dass man dann, wenn man Ruhe haben und allein sein wolle, nur ins Kunstmuseum gehen müsse! In Singen veränderte das Jahr 2000 mit der Landesgartenschau vieles. Mit dem Kunstprojekt wurde auch die veröffentlichte Meinung neu justiert. Ich nutzte meine Chance als Organisator der Steißlinger Kunstausstellung zum Klemenzenfest , um zwei Köpfe früher dominanter Kunstprojekte in einer Ausstellung zusammenzuführen: Ingeborg Osswald-Lüttin und Tom Leonhard. Beide hatten spüren müssen, wenn man plötzlich nicht mehr gefragt ist. Ich thematisierte dies in meiner Laudatio. Ingeborg Osswald-Lüttin hatte an der Seite von Paul Gönner die Hilzinger Kunstausstellung zu landesweiter Geltung geführt. Abgelöst wurde sie von Tom Leonhardts Umspannwerk-Projekts. Und der bekam Gegenwind, als er in den City-Schaufenstern seine Gartenbilder zur Landessgartenschau ausstellen wollte! Ja, die Stadt ließ das Umspannwerk einschlafen, nachdem der frühere Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle hier noch den richtigen Platz für seinen italienischen Künstlerfreund Marcello Mondazzi gefunden hatte. Großformate von ihm ruhen bis heute im städtischen Archiv. Seit der Landesgartenschau ist Manfred Sailer der Kunstmaßstab im Kreis Konstanz. Seine Kunst zur Landesgartenschau ist inzwischen in die Sanierungsphase gekommen . . .

Kritiker als Kunstbanausen abzustempeln, das ist zu billig. Kunst ist zu einem Markt geworden, Werke werden wie Aktien bewertet. Nationale Kulturgüter rechtlich zu schützen, ist ein durchaus wichtiges Anliegen. Die mediale Begleitung macht schon wieder deutlich, dass der Kommerz letztlich diktiert. Warum räumt Baselitz Werke aus einem Museum, um sein Urheberrecht zu verteidigen, wo es nach dem aktuellen Gesetzentwurf nur um Kunstwerke geht, die älter als 70 Jahre sind?! Und das sind seine Werke noch längst nicht! Aber Marketing ist wichtiger denn je geworden. Kunstwerke müssen Gesprächsstoff bieten! Jede Kontroverse ist wichtiger als allseits gefälliges Abnicken. Das hat Peter Lenk spätestens von Niko Schulz gelernt, dessen RTL-Kontakte er bei der Verwertung seiner „Mauerkicker“ nutzte. Der Berliner Künstler hatte eine Singenerin geheiratet, deren Vater eine erfolgreiche Werbeagentur in Berlin betrieb. Niko wusste, das „Kunst am Bau“ bedeutete. Als Fassadenmaler hatte er häßliche Hauptstadtrückseiten mit seinen farbenfrohen Tiergestalten in eine positive Umwelt umdefiniert. Beim Malen an den riesigen Flächen hatte er seine Lunge ruiniert. Geblieben ist in Singen die Außenhaut der Buchhandlung zwischen beiden Wochenblatt-Gebäuden. Und dann gibt es noch seinen lustigen Indianer „Giamo II“ am Bruderhof-Kindergarten. Der war nach einem Kunstsymposium in Lindau übrig geblieben. Dann brodelte die Gerüchteküche: Die damalige OB-Gattin, die in der Filmbranche in Berlin arbeitete, habe das neue Quartier in Singen auf den Weg gebracht! Einen Sommer lang diskutierte eine Stadt über Kunst – und der Indianer blieb!

Das ist die normative Kraft des Faktischen! Auf die setzt auch Peter Lenk. Natürlich ist der neue Platz vor der Gemeindehalle in Bodman leer und schreit geradezu nach Gestaltung. Jetzt hat Lenk mit der nackten „Yolanda“ seiner Tochter Miriam ohne Baugenehmigung und Gemeinderatsbeschluss Abhilfe geschaffen. Eine Leihgabe nennt man das. Von „Kunst am Bau“ spricht niemand. Aber „Yolanda“ kennt man schon in Bodman, denn die üppige Figur stand früher schon einmal auf Lenks Fläche auf dem ehemaligen Bauhof. „Gut Ding braucht Weil‘,“ gilt auch für das schon lange diskutierte Museum im Seeum“, der neuen Gemeindehalle. Landwirt Paul Weber hat das Mesolithikum für den Bodenseeraum nachgewiesen, beim Ackern gefundene Scherben hat er richtig zugeordnet. Vitrinen seiner Funde standen früher im Sitzungssaal des abgerissenen Rathauses. Beim Neubau wurde nur ein Ersatzraum freigehalten. Dann kam das Weltkulterbe für optimales Marketing hinzu. Jetzt geht es für Gemeinderat und Bürgerschaft um ein tragfähiges Konzept und die dauerhafte Finanzierung. Natürlich geht es auch um die Erhaltung des Lebenswerks des hochdekorierten Kommunalpolitikers. Doch von seiner Kunstsammlung ist keine Rede. Ich hatte das Glück, sie von Paul Weber in den 80er Jahren gezeigt zu bekommen. Vorher wusste ich nur, dass der Singener Kulturpapst Dr. Herbert Berner damals hoffte, sie einmal als Schenkung der Singener Sammlung zuordnen zu dürfen. Über den Kunstsammler Paul Weber steht aktuell bei Wikipedia:

„Im Frühjahr 1919 begegnete Weber bei der Heuernte dem Maler Hans Blum, von dem er das sich auf der Staffelei befindliche Bild direkt erwarb. Der Kauf war die Initialzündung für den Kunstliebhaber. Es entstanden Kontakte zu Kunsthistorikern und Künstlern, die während der nationalsozialistischen Verfolgung ab 1933 Zuflucht auf der nahe gelegenen Höri fanden. Seitdem verband ihn eine lebenslange Freundschaft mit dem Museumsdirektor Walter Kaesbach. Weber unterstützte sie mit Nahrungsmitteln, Brennholz und Geld und erstand auf diesem Wege eine große Sammlung. Vertreten waren die Künstler Blum, Kurt Badt, Erich Heckel, Curth Georg Becker, Ferdinand Macketanz, Heinz May, Walter Herzger, Hans Kindermann, Werner Gilles, Karl Schmidt-Rottluff, William Strauber und Christian Rohlfs.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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