Bei GVV und Klinik bleiben alte Fragen
Für neuen Leerstand wird investiert
Das erste Gutachten zur GVV-Insolvenz liegt vor und wirft neue Fragen auf. „Wirtschaftsprüfer sind keine polizeilichen Ermittler“, nannte PwC-Chef Nally Grundsätze der Consulter-Branche. Vor Pfingsten letzten Jahres nahm ich an dieser Stelle die Testate zur GVV und dem Krankenhaus ins Visier. Trotz angeblich neuerer Erkenntnisse lohnt sich die Lektüre des Textes heute wieder. Die Insolvenz der GVV ist Realität geworden. Immer wieder wird gefragt, ob die Insolvenz unabdingbar war? Unsere Bundeskanzlerin würde fragen, ob sie wirklich „alternativlos“ war? Wer hat letztlich am Rad gedreht? Wessen Interessen gaben den Ausschlag? Als ich im Manager-Magazin ein Interview mit Dennis Nally las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Wie ticken die Super-Bewerter dieser Welt, in deren Hände Politiker wie Wirtschafter ihr und unser Schicksal legen? Hier der Text vom Frühjahr letzten Jahres:
„Wir haben uns daran gewöhnt, dass uns jeden Abend das Neueste von der Börse im Fernsehsessel präsentiert wird. Wir werfen einen Blick in die Welt der wahren Herren unserer Welt, den Geldjongleuren, die wahre Garanten von Wohlstand und Fortschritt sind, sein sollen, sein wollen. Dax-notierten Papieren gehört eben unser ganzes Vertrauen, den Moderatoren der beglückenden Zahlen des Aktien-Index sowieso. Aber fragen wir ernsthaft nach, wie gut Gutachter wirklich sind? Das ist eine sagenumwobene Welt, die und immer mehr präsentiert wird: Der Markt der Wirtschaftsprüfer und Consulter, also jener Institutionen, die alles besser wissen, und derer Hilfsdienste sich die Politik immer häufiger bedient. Da ist eine Klasse weltweit entstanden, die angeblich weiss, wie es geht. Hier Aussagen in Frage zu stellen, ist schlimmer als Majestätsbeleidigung in der Yellow Press.
Aber was ist, wenn sie nachweislich Fehler machen? Da wird auch in Singen und der Region
weiter geschwiegen, selbst wenn die Duplizität der Fälle das ganze System in Frage stellen muss! Erst das Krankenhaus, jetzt die GVV: In beiden Fällen haben Wirtschaftsprüfer und Consulter die vorhandene Substanz falsch bewertet. In beiden Fällen wurde längst am Konkurs geschnuppert, als Wirtschaftsprüfer immer noch Testate für die Bilanzen ausgestellt haben. Natürlich gab es keinen Konkurs, aber später enorme Korrekturen bei der Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Werte! Und auf diesem wackeligen Boden wurde in Singen ein OB-Wahlkampf geführt, der in die Geschichte eingehen wird. Das Singener Krankenhaus war hinterher plötzlich nur noch die Hälfte wert (auf genauere Zahlenspekulation lasse ich mich schon länger nicht mehr ein). Und die GVV? Die Zukunftsprognose der Wirtschaftsprüfer und Finanzexperten liegt jetzt vor und ein Insolvenzverfahren ist nicht zwingend geboten. Die Frage ist nur, wie viele Millionen Euro die Stadt schultern kann, um den zu 100-Prozent eigenen Wohnungbaubetrieb wieder in Gang zu bringen? Sind es 22 Millionen Euro, die nötig sind? Dann kommen schon wieder andere Fachleute und meinen, bis 40 Millionen Euro könne die Stadt aufbringen, wenn es ganz schlimm komme. Der neue Oberbürgermeister Bernd Häusler geht den richtigen Weg, denn er nimmt das Regierungspräsidium in die Pflicht, denn von dort her kam die Absegnung der Konstruktion, durch die der Hegau-Tower überhaupt nur gebaut werden durfte! Und dann muss der Gemeinderat immer noch entscheiden, wo für ihn die erträgliche Grenze liegt.
Mich schockiert die Blauäugigkeit, mit der wir letztlich alle einem Phänomen aufgesessen sind, das in der Fachwelt längst kritisch hinterfragt wird. Das Manager-Magazin hat sich in der Dezemberausgabe des letzten Jahres intensiv mit Wirtschaftsprüfern auseinandergesetzt. Im Blickpunkt stand PrincewaterhouseCoopers (PwC), Spitzenreiter der Wirtschaftsprüfer mit insgesamt 33,1 Milliarden Dollar Jahresumsatz, und ihr Weltchef Dennis Nally, der mit seinem Unternehmen nicht zur Unternehmensberatung mutieren will. Er sagt: „Wir können nicht jedes Unternehmen wie polizeiliche Ermittler durchkämmen. Das ist nicht unser Job.“ Zur Erinnerung: Der Konstanzer Landrat Frank Hämmerle hatte PwC als Berater für die Krankenhaus-Fusion an den Bodensee geholt. Mich hatte nicht nur bei der Beratung im Kreistag deren kartellrechtliche Bewertung beeindruckt. Ob das auch die tatsächliche Struktur der Werte abdeckte, blieb für mich so nicht nachvollziehbar.
Zurück zur heiß diskutierten Frage „Wirtschaftsprüfer als Consulter“. Für Dennis Nally gibt es kein „weiter so“: „Ich sage Ihnen, was wir tun werden. Wir dürfen uns nicht mehr darauf beschränken, die Geschäfte der Vergangenheit zu prüfen. Wir müssen uns als Wirtschaftsprüfer viel mehr damit beschäftigen, welche möglichenFolgen die Geschäfte der Vergangenheit für die Zukunft des Unternehmens haben können. Mit anderen Worten,wir müssen die Risikosituation eines Unternehmensviel stärker analysieren undden Kapitalmärkten kommunizieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dadurch sehr viel mehr erreichen als mit immer neuen Regulierungsmaßnahmen.“
Dieser Satz hat mich umgehauen. Ich will keine Birnen mit Äpfeln vergleichen, oder das eine beauftragte Unternehmen mit dem anderen, doch wo war bei den GVV eine Kommunikation mit den Kapitalmärkten? Wie sah zum Beispiel in Bilanzgespräch mit der Hausbank aus? Die Swaps-Finanzierung deutet darauf hin, dass sich die GVV längst Kapital in der Fremde suchen musste. Oder eben einen Kredit bei der Sparkasse Köln. Aber wo wurden „die Folgen der Geschäfte der Vergangenheit für die Zukunft“ von wem analysiert? Nally trifft mit der Frage den Nagel auf den Kopf: Ich baue einen Hegau-Tower und schaffe neuen Leerstand im DAS-Bestand. Und bisherige Mieter mache ich noch zu neuen Bauherren. Dann stimmt natürlich auch die Absicherung der Finanzierung bisheriger Investitionen nicht mehr!“
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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