Trauer um Roland Förg / Eine besondere Firmengeschichte
Förg: Partner für Kunst und Künstler
Außerhalb von Museen gibt es einen Ort, wo Otto Dix und die Hörimaler weiterleben: Bei Förg in Singen. Dort herrscht derzeit Trauer, denn kurz nach seinem 70. Geburtstag ist Roland Förg nach einem tapfer ertragenen Krebsleiden verstorben. Mit ihm verliert die Kulturszene der Region eine tragende Persönlichkeit. Der Buchbindermeister, der in jungen Jahren Bundessieger beim Berufswettbewerb war, trat früh in die Fußstapfen seines Vaters Alfons und baute das Einrahmungsgeschäft zu einem veritablen Kunsthandel aus. Wenn es um Otto Dix und seine Zeitgenosssen der vielzitierten „Hörimaler“ geht, ist Förg in Singen bundesweit zur Topadresse geworden. Roland Förg war ein geschätzter Partner der Künstler und der Kunstszene der Region. Unzähligen Ausstellungen verschaffte er die passende Optik. Roland Förg war ein kompetenter und geschätzter Gesprächspartner mit starker familiärer Prägung. So hat er auch sein Geschäft geführt, in dem Sohn Axel auch schon wieder früh die Nachfolge sichergestellt hat. Der vierte Meister im Hause Förg ist seit 2005 Sohn Stefan, der die Vergoldung zu seinem Fachgebiet gemacht hat.
Die Firma Förg ist gelebte Kunst, Meisterschaft aus Leidenschaft. Andere Betriebe suchen oft auch krampfhaft nach Alleinstellungsmerkmalen, Förg ist einfach Förg! Im heutigen Umgangsjargon spricht man gern davon, zum falschen Augenblick am falschen Platz gewesen zu sein. Bei den Förgs war und ist das einfach komplett anders. Nach dem Zweiten Weltkrieg versammelte sich die versprengte Künstlerszene auf der Höri. Der bedeutendste von ihnen war Otto Dix, der 1936 sein Haus in Hemmenhofen erbaut hatte. Vor allem durch seine Antikriegsbilder stand er der Nazi-Ideologie diametral entgegen. Und mit Curth Georg Becker war der Singener unter den Künstlern in seine Heimat zurückgekehrt. Die vielzitierte „innere Emigration“ war vorüber: Sie malten wieder, verkauften wieder – und ihre Werke mussten gerahmt werden. Dafür gab es in Singen den aufstrebenden Einrahmungsbetrieb mit Alfons Förg unterhalb des Gymnasiums.
Das war ein besonderer Betrieb, um den sich gleichsam ein Mythos rankte, denn da gingen wirklich die bedeutenden Maler aus und ein. Wer die Meister der legendären Singener Kunstausstellung in der Ekkehardschule schätzte und geradezu verehrte, setzte seinen Schritt erst einmal leicht beklommen über die Schwelle zu Förg. Eigene Bilder sollten schon gut sein, um hier hochwertig gerahmt zu werden! Und das wurden sie natürlich. Vom schlichten Galerierahmen bis zur prunkvollen Umrahmung alter Meister gab es hochwertiges Handwerk pur. Und für das liebevoll gestickte Gobelinbild gab es den stilvollen Rundrahmen.
Geschätzt habe ich die Fachsimpeleien mit Vater und Sohn. Spannend waren immer wieder die Kontraste zwischen den lebensfreudigen Künstlern und dem bodenständigen Handwerker und Kunstkenner Alfons Förg. Ganz wirklichkeitsnah waren die Schilderungen des Firmengründers, der gebeten wurde, ein Werksverzeichnis für Otto Dix zu erstellen. Das war natürlich ein mehrtätiger Ausflug auf die Höri, bei dem Förg Einblicke ins reale Künstlerleben bekam. Unvergessen ist der Hinweis, dass Jean Paul Schmitz am Hofe von Dix für die geistreichen Texte und Späße zuständig war. Unvergessen sind die finanziellen Probleme der Künstler, wenn es um die würdigen Rahmen ging.
Die Förgs waren zu wichtigen Partnern der regionalen Künstler geworden. Der Einstieg in den Kunsthandel lag da nahe. Roland Förg nutzte schnell die großen Schaufenster an der Hauptstraße zur Bilderpräsentation. Dekorative Kunst hatte hier seinen berechtigten Stellenwert neben den Klassikern der Moderne. Die entscheidende Fachkompetenz lag natürlich bei den Hörimalern. Unzählige Werke waren durch die Hände der kompetenten Mitarbeiter gegangen. Sah man Bilder in Privathäusern, dann erkannte man sofort das Werk von Förg. Die Einrahmungen hatten inzwischen selbst ihren eigenen Stil geprägt.
Der Skandal um die Dix-Fälschungen rückten in den 80er Jahren nochmals die Kompetenz von Förg ins Rampenlicht. Das Landeskriminalamt schätzte den Sachverstand von Roland Förg. Eine entscheidende Frage war natürlich, wie weit man die Bilder als Fälschungen hätte erkennen können. Ja, man konnte, musste sogar! Jahre später zeigte das Landeskriminalamt in der Städtischen Galerie in Albstadt Originale und Fälschungen in direkter Gegenüberstellung. Aber spätestens bei Hundertwasser schienen die Kopien besser als die Originale! Gerade die 80er Jahre waren von Kunstfälschungen geprägt. Der durchaus umstrittene Singener Galerist Günter Heiß hatte aber bei der Vielzahl falscher Dalis und Chagalls eigentlich immer Glück. Manchmal hatte aber auch Roland Förg mit der Stirne gerunzelt, wenn es um die Herkunft von Bildern ging. Er hatte sich nie als Zensor aufgespielt, aber oft für einen sicheren Weg plädiert.
Das Buchbinder- wie Einrahmungsgewerbe lebt von der Achtung vor dem (Kunst-)Werk! Da ist ein Stück Ehrfurcht bei den Förgs immer im Spiel gewesen. Die Freude am Handwerk war stets spürbar gewesen. Da sollte das gelungene Werk einfach „schön“ sein; es durfte es! Der Handwerksbetrieb Förg gehört zu den Highlights in Singen, ist ein Ort von Anmut und Lebensfreude. So kommt auch die Trauer um Roland Förg von Herzen. Die Gespräche mit ihm werde ich missen.
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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