Erinnerungen an Walter Wafrö Fröhlich
Die Tracht Mundart kleidete ihn vorzüglich

Einem Vortrag von Walter Fröhlich konnten sich die Zuhörer nur schwer entziehen | Foto: Immer engagiert bei der Sache: Einem Vortrag von Walter Fröhlich konnten sich die Zuhörer nur schwer entziehen. Denn seine Beiträge waren mitten aus dem Leben gegriffen. swb-Bild: Archiv
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  • Einem Vortrag von Walter Fröhlich konnten sich die Zuhörer nur schwer entziehen
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Typisch Wafrö. Zum 60. Geburtstag eines Freundes las er einen eigenen Beitrag vor. Doch Sigrun Mattes, bekannt als Fasnachtsrednerin »Kuh vom Land«, hatte sich sein Manuskript zuvor angesehen und meinte: »Da hat doch was ge-ehlt.«

Sie hatte recht. Zwei Seiten waren zusammengeklebt und wurden deshalb nicht vorgelesen. Da trug Walter Fröhlich den Text nochmals vollständig vor. Und keiner langweilte sich. Typisch Wafrö. Er konnte seine Zuhörer mehrfach fesseln.

In seinem Jubiläumsjahr zum 50. Geburtstag geht das WOCHENBLATT auf Spurensuche in eigener Sache und erinnert auch an seinen langjährigen Kolumnisten Walter Wafrö Fröhlich, der allwöchentlich seine Leser mit seinen Beiträgen in Mundart verblüfft hatte. Doch der 1927 in Radolfzell Geborene, in Konstanz Aufgewachsene, seit 1952 in Singen Lebende und dort am 7. November 2013 Verstorbene war mehr als nur ein Schreiber: »Es ist leichter, über Walter Fröhlich ein Buch zu schreiben als nur eine Schreibmaschinenseite, so zahlreich sind seine Werke und die ihm dafür zuteil gewordenen Ehrungen«, schrieb Kreisarchivar i. R. Dr. Franz Götz zum 85. Geburtstag von Walter Fröhlich, den Buchautor, Journalisten, glänzenden Büttenredner und Streiter für die alemannische Sprache. Denn Wafrö kleidete sich gern in den Dialekt: »Mundart ist die Tracht der Sprache«, erklärte er im WOCHENBLATT-Interview zu seinem 80. Geburtstag, und diese Tracht stand ihm vortrefflich: »Walter Fröhlich war einer, der den Hegau wie kein Zweiter vertrat.

Ein Universalgenie - er war Schriftsteller, Dichter, Musiker und vieles mehr«, erinnert sich Peter Filz als ehemaliger Vorsitzender des Fasnachtsmuseums-Vereins Schloss Langenstein an Wafrö, der 1977 der erste Träger des Alefanz-Ordens des Langensteiner Fasnachtsmuseumsvereins gewesen war.

»Es gab keine Sitzung in Langenstein, bei der er nicht einen Vortrag hielt, mit seinem Akkordeon spielte oder auftretende Narren musikalisch begleitete. Und bei Wafrö waren die Zuhörer immer gefordert - man musste das Gehirn einschalten.«

Dabei war dem Vater von vier Kindern menschliches Leid nicht fremd: Im WOCHEN-BLATT-Interview erzählte er, dass er während des Zweiten Weltkriegs einen Schuss in den Bauch, die Koppel und die Patronentasche erhielt.

»Sonst wäre ich nicht so alt geworden, sondern nur 17 Jahre«, witzelte er über das Grauen. Nach einer Banklehre und einem Volontariat kam er 1952 als Werksfotograf und Autor für die Werkzeitung zur Alu Singen. Doch »er wollte nie der Spaßmacher sein, der bei Werkfesten die Kollegen bei Laune halten soll«, schrieb der damalige WOCHENBLATT-Chefredakteur Hans Paul Lichtwald im Nachruf. Mit ein Grund für seinen Einstieg in die literarische Laufbahn. Sie hat ihn weit gebracht - so hat er den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg erhalten, dessen Zahl landesweit auf 1.000 beschränkt ist, erinnert sich Franz Götz, der Wafrö einen »weisen Hofnarr im Gewand des Literaten« nennt. Aber ein Clown ist Walter Fröhlich nie gewesen, obwohl er die Menschen zum Lachen brachte.

Das lag an der Feinheit, der Korrektheit und der lebensnahen Note seines speziellen Wafrö-Humors. Der nie verletzte, aber immer traf. Pfeilgenau und punktsicher.

»Er war die beste Werbung«

Interview mit Walter Möll von der »Muettersproch-Gsellschaft«

Eine große Persönlichkeit. Auch mit einer großen Nachwirkung? Ein Interview über Walter Fröhlich mit Walter Möll von der »Muettersproch-Gsellschaft«.

WOCHENBLATT: Es ist schwierig, Dialektausdrücke in der Schrift wiederzugeben. Wie hat Wafrö das hinbekommen?
Walter Möll: Er war ein Meister der alemannischen Mundart und hat gezeigt, was man damit alles machen kann. Er und die meisten alemannischen Schriftsteller halten sich so eng wie möglich an die hochdeutsche Schreibweise. Einfach damit das Geschriebene auch von Menschen, die keinen Dialekt sprechen, verstanden wird.

WOCHENBLATT: Er war ein wortgewaltiger Kämpfer für das Bodensee-Alemannisch. Haben Walter Fröhlichs Verdienste um den Dialekt denn Bestand, da doch die Mundart allgemein an Bedeutung zu verlieren scheint?
Walter Möll: In den Städten geht der Dialekt auch aufgrund der Kinder mit Migrationshintergrund immer mehr zurück. Und auch in Kindergärten hier in unserer Region sprechen von 20 Kindern vielleicht noch drei Mundart. Wir von der »Muettersproch-Gsellschaft« vermitteln verschiedene alemannische Autoren für Lesungen an Schulen, und wir haben eine CD für Kindergärten aufgenommen, auf der sieben »Muttersprachler« in verschiedenen Dialekten sprechen. Dafür hat Walter Fröhlich mit die Basis gelegt. Denn er war die beste Werbung für Mundart, die man machen kann. Und bei uns, der »Muettersproch-Gsellschaft«, gibt es noch immer sein kleines Büchlein »Alemannisch für Anfänger«, das aus den gesammelten Glossen im WOCHENBLATT zusammengestellt ist.

WOCHENBLATT: Wirkt Walter Fröhlich auch sonst noch nach?
Walter Möll: Aber ja. Er hat Dutzende von Büchern geschrieben, die immer noch gelesen werden, an Fasnacht werden seine Lieder gespielt, und am Singener Narrenspiegel, den er ja mitbegründet hat, wird er, ebenso wie im persönlichen Gespräch, oft erwähnt. Und noch ein Beispiel für seine Nachwirkung: Im Veranstaltungsprogramm des renommierten Hebelbundes in Lörrach ist ein Vortrag von Klaus-Dieter Reichert, einem gebürtigen Radolfzeller und erfolgreichen Mundartautor, enthalten, der auch Texte von Walter Fröhlich zitieren wird.

WOCHENBLATT: Woran liegt diese Nachhaltigkeit?
Walter Möll: Seine Texte waren besonders, und ihm ist ständig etwas eingefallen. Immer wenn er etwas abseits saß, nichts sprach und ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel hatte, wusste ich, dass er einen neuen Einfall hat. Dann fand er irgendetwas komisch oder ihm ist etwas aufgefallen. Er hat den Leuten aufs Maul geschaut.

WOCHENBLATT: Wie war er privat?
Walter Möll: Auf der Bühne war er immer witzig und sehr präsent. Als Freund und im persönlichen Umgang war er sehr angenehm und immer zuverlässig. Aber es war auch für enge Freunde schwer, hinter die Fassade zu sehen. Denn er war auch eine ambivalente Persönlichkeit, die mit melancholischen Phasen zu kämpfen hatte. Der Tod seiner Frau Elisabeth und seines Sohnes haben ihn hart getroffen. Und er war ein sehr belesener, ernsthafter Mensch: Seine Stube war vollgestopft mit Büchern und Kunstwerken. Zu vielen Dingen hat er klar Position bezogen. So stand er der organisierten Fasnet sehr kritisch gegenüber.

WOCHENBLATT: Und er fungierte als »Ghostwriter«?
Walter Möll: Ja, in dieser Beziehung war er sehr uneitel. Er hat zum Beispiel für Sigrun Mattes, die »Kuh vom Land«, viele Texte geschrieben und damit diese Kunstfigur mitbegründet, ohne dabei auf seine Autorenschaft zu pochen. Das hat er auch für viele Vertreter der Singener Fasnet gemacht. Und mit Bruno Epple, dem anderen Vertreter der Mundart, hat er einen regen Austausch gepflegt.

WOCHENBLATT: Aber er war doch gelernter Bankkaufmann?
Walter Möll: Ja, seine schulische Ausbildung musste er wegen eines Kriegseinsatzes, bei dem er schwer verletzt wurde, vorzeitig beenden. Er hat dann auch als Musiker und Journalist gearbeitet. Und als PR-Mann für die Alu Singen. Dabei hat er Texte für die Direktoren geschrieben, hatte dabei Narrenfreiheit, und witzige Passagen in den Reden wurden ihm nachgesehen. So kam er zum Schreiben. Er war dabei nie plump und für vieles offen - hat sogar einen Alemannen-Rap geschrieben. Privat war er übrigens auch ein Jazz-Fan.

Zur Person

Walter Fröhlich wurde am 9. Januar 1927 in Radolfzell geboren, wuchs in Konstanz auf und lebte ab 1952 bis zu seinem Tod am 7. November 2013 in Singen. Der Buchautor, Kabarettist, Verfasser von Fasnachtsliedern, Vorträgen und Lesungen war Träger des Bundesverdienstkreuzes, der Bürgermedaille der Stadt Singen und der Heinrich-Rehm-Medaille der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee und des Fasnachtsmuseums Schloss Langenstein.
Quellen: Stadtarchiv Singen, Stadtarchiv Radolfzell, Dr.Franz Götz, Wochenblatt Singen.

Von Simone Weiß

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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