Mediale Tricks in unserer Krankenhaus-Landschaft
Die Nachsorge zahlt der Patient

Als Kassenpatient im Krankenhaus bei der Gelenk-OP – Der Gleiche als Privatpatient bei der Nachsorge außer Haus? Ja, mit 30 Euro sind Sie dabei! Ist das die revolutionäre Zukunft des Gesundheitswesens im ambulanten Hinterland? Aber wer sollte sich im multimedialen Zeitalter darüber aufregen? Da ist es wichtiger, wenn ein Nachkriegsmedium seinen 70. Geburtstag feiert. Über Themen der Vergangenheit stolpert man nicht so leicht. Oder doch? Wer nämlich seine eigene Herkunft nicht kennt, der tritt leicht in Fettnäpfchen. Zudem schadet Wissen nicht. Man stelle sich vor, Gottfried Benn wäre nach Kriegsende bei der Zeitungsgründung am Bodensee Chefredakteur in Konstanz geworden?! Johannes Weyl hätte ihn gerne geholt, zumal die französische Besatzungsmacht durchaus Probleme hatte, „unbelastete“ Zeitungsmacher für neue Projekte zu finden, denn die Nazis hatten sie alle für Kriegsberichterstattung eingesetzt gehabt und damit auch zum Teil missbraucht. Gottfried Benn wäre ein Mann für einen wahren Neustart gewesen! Derweil mussten sich andere Zeitungsmacher gesundbeten und restliches Braun weiß übertünchen.

Zur Zeitung gehört natürlich auch das Gegenlesen. Und da wird die Vergangenheit, die man selbst nicht mehr erlebt hat, schwierig. Viele Geschichten klingen einfach gut; zu gut, um im Notfall auch wahr zu sein. Würde man die Zukunftsüberlegungen zur Causa Benn heute hören, dann wäre es vielleicht auch nur noch Marketing. Das brauchen viele Branchen. Dass man nur zwei-bis dreimal in der Woche Zeitung drucken durfte, kann durchaus auch dem Papiermangel geschuldet sein. Das große Thema war hingegen, dass es in Deutschland keine starken Zentralmächte mehr geben sollte. Da saß die Angst vor der Staatsmacht Deutschland zu tief! Föderalismus war gefragt: Keine zentrale Polizeigewalt mehr! Keine ideologische Zentralausrichtung über das Bildungssystem! Keine Indoktrination Richtung Rassenhass durch Massenmedien oder gleichgeschaltete Informationspolitik!

Der neue Südkurier und der wiedererlaubte Schwarzwälder Bote teilten sich den deutschen Süden in der Woche. Die Verlage nahmen unterschiedliche Wege, weil nicht nur die Orte sich anders und neu entwickelten; man nehme Rottweil, Oberndorf, Neustadt und Wolfach gegen Singen, Villingen, Konstanz und Friedrichshafen. Aber auch die Tage hatten neue Bedeutungen bekommen. Den Montag hatte der Südkurier bekommen, den Samstag der „Schwabo“. Aber dann bekam der Montag durch den Sport eine völlig neue Dominanz! Woher sollten die Sportfreunde die Information bekommen, wo ihr Dorfverein gegen wen gewonnen oder verloren hatte? Der Rundfunk schwieg über den Fußball zwischen Wald und Wiese!

Geschwiegen wird aber auch heute wieder über das Kleine vom Ort. Jeder möchte so ein bisschen der big Boss vom BILD sein, die Schlagzeilen zimmern, die die Welt bedeuten! Gerade in Baden-Württemberg hat die Verwaltungsreform vieles verändert. Die Tageszeitungen hatten die Chance, den Menschen genau das mitzuteilen, was vor ihrer Haustür geschah und ihre Welt künftig verändern würde. Die kulturelle Eigenständigkeit stand ganz vorne, die hatte jeder für sich, wenn sie von Qualität getragen sein würde. Landratsämter verschwanden, Zentren zur Alltagsversorgung entstanden, Dorfschulen verschwanden, Krankenhäuser gewannen eine neue Bedeutung. Als 1980 erstmals in Radolfzell die Krankenhausbedarfsplanung mit Minister Dietmar Schlee beraten wurde, wurde klar, wohin die Reise gehen würde. Blumenfeld wurde zuerst geschlossen, dann folgte Arlen. Auch Engen bekam ein neues Pflegeheim. Heute steht die Antwort aus, was überhaupt hier noch übrig bleibt.

Die Zeitungen stellten sich in den Dienst ihrer vermeintlichen Größe. Werde es künftig keine Engener mehr geben? Stets ging es um Besitzstandswahrung! Dabei ging es längst nicht mehr um ein paar Krankenbetten! Vor 40 Jahren waren neue Altersheime stolz, wenn sie eine eigene Krankenstation mit wenigen Betten hatten. Heute gibt es nur noch Pflegeheime! Für den Rest sorgt die staatliche Pflegeversicherung. Statt Fachabteilungen gibt es in kleineren Krankenhäusern Belegärzte mit eigenen Betten. Und der Bürgermeister jubelt, was bei ihm im Städtle alle behandelt werden könnte! Und wer zahlt das alles? Da beginnt die Schweigezone. Bei kommunalen Krankenhäusern spricht man einmal im Jahr bei der Haushaltsplanung über den „Abmangel“. Bei den Häusern, die längst einem Konzern gehören, hört man von Zahlen, ob rot oder schwarz, gerade noch bei der Bilanzkonferenz. Zwischendrin wird über die Krankenkassen und die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens nach Herzenslust geschimpft. Da wird kräftig gepokert: Wer ist der Gute am Gesundheitsmarkt, auf wen darf sein Bürger stolz sein? Wer hat sein Krankenhaus wirklich gesund erhalten und hat es überleben lassen? Ja, nutzen Spezialisten aus der ganzen Welt jetzt die Betten am Zipfel der Welt? Der Bürgermeister ist längst Marketing-Chef geworden, rettet des Bürgers Geld. An seinem Tisch sitzt der Redakteur und sorgt dafür, dass die gute Nachricht im dörflichen Einzugsbereich auch richtig ankommt! Die Botschaft ist eindeutig: Der Bürger ist gut versorgt; vor Ort gibt es alles, was zu einem sicheren und glücklichen Leben gehört!

Dass sich die Strukturen still und heimlich ändern, wird weder wahrgenommen noch in seiner Wirkung begriffen. Dass der Patient dauernd zuzahlen muss, hat er längst begriffen. Ihm wird es an der Kasse der Apotheke unmissverständlich vorgerechnet. Er bekommt eine Rechnung fürs Essen im Krankenhaus. Zugleich zahlt ihm die Krankenkasse nicht mehr die Hilfsmittel, deren Wert die Werbung ihm vorgaukelt. Ja, welche Wahrheit vermittelt sie überhaupt?! Das war doch die Geschichte für Deutschland, die grundsätzlich anders werden sollte. Warum griff Pegida die „Lügenpresse“ an? Wen meinte sie – und wer fühlte sich überhaupt angesprochen? Bleibt noch eine fiktive Frage: Was hätte Mediziner Gottfried Benn zu den Turbulenzen angemerkt? Was hätte er anders bewertet? Auf jeden Fall hätte er gemerkt, wenn er als Kassenpatient in einem öffentlichen Krankenhaus an den Gelenken operiert wird, um für die Kontrolluntersuchung in der Praxis in der Nachbarstadt 30 Euro als Privatpatient zahlen zu müssen!

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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