Paul Lutz erinnert sich an Pionierjahre
Der Mitinitiator von Cityring und Stadtfest

Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen. | Foto: Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen. 35 Jahre hat er den Einkaufsstandort Singen geprägt – als Kaufmann wie in der Geschäftsführung des WOCHENBLATTs.
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  • Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen.
  • Foto: Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen. 35 Jahre hat er den Einkaufsstandort Singen geprägt – als Kaufmann wie in der Geschäftsführung des WOCHENBLATTs.
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Mit seinen 91 Jahren ist Paul Lutz noch ganz schön fit. Auch wenn er durch eine Erkrankung in den 1980er-Jahren ein Bein verloren hatte, durchquert der flink sein Haus in Mühlhausen-Ehingen, inzwischen mit dem Rollstuhl. Und wenn man ihm zuhört, so spürt man schnell, dass die Geschehnisse früherer Jahre, seine Arbeitszeit für und in Singen, noch sehr präsent sind, sein Leben sehr stark geprägt haben. »Wenn ich was machen möchte, dann möchte ich damit auch der Erste sein« ist stets einer seiner Grundsätze gewesen. Und das durchzog sein Leben wie einen roten Faden, auch wenn er im Berufsleben selbst niemals auch vom Posten die Nummer 1 gewesen war.

Neues Marketing für den Handel eingeführt

Der junge Kaufmann, der aus Heilbronn stammt, kam 1956 nach Singen, damals in die »Konsum« -Einkaufsgenossenschaft, die noch sehr stark von der Nachkriegsgesellschaft geprägt war. Schon in Heilbronn hatte er durch besondere Aktionen auf sich aufmerksam gemacht, mit denen mehr Umsatz generiert werden konnte. Das Geschäftsmodell »Konsum« hatte freilich als System damals wenig Zukunft, wie der heutige Blick in die Geschichte zeigt. Als in Singen ein erstes »Kaufhaus« mit dem ESKA 1960 in der Ekkehardstraße eröffnete, war Paul Lutz deshalb gleich mit dabei. Und er sorgte schnell für Furore, denn auch hier setzte Paul Lutz seine Ideen um, mit denen durch Spezielle Auftritte viele Kunden angelockt wurden. Berühmt sind für die älteren Mitbürger noch heute die »Buttertage«, bei denen Butter quasi zum Einkaufspreis angeboten wurde, oder die berühmten Hähnchenaktionen, für die ganze Lastwägen voller Hähnchen in die Stadt kamen, und die dank niedrigster Preise innerhalb kürzester Zeit vergriffen waren, weil die Menschen sich hier mit großen Mengen eindeckten. Das Prinzip für Paul Lutz war klar: durch solche Angebote war zum einen Gesprächsstoff gesorgt – und die Kunden wurden damit ins Kaufhaus gelockt um dort auch andere Waren einzukaufen – bis hin zur Oberbekleidung, die ESKA ja auch führte. Ein Prinzip, das dann auch von den Discountermärkten entdeckt wurde, die später aufkamen.

City-Ring mitbegründet

Die Einkaufsstadt Singen konnte sich freilich nicht allzu lange im Ruhm solcher Aktionen sonnen. Denn Ende der 1960er Jahre kündigte sich das »EKZ« von Edeka auf der »Grünen Wiese« zwischen Singen und Radolfzell an, was als Angriff gegen die Versorgungssituation der Singener Innenstadt gewertet wurde. »Damals wurden die Leute sogar mit Bussen ins EKZ gefahren und auch wieder in die Stadt zurückgebracht«, erinnert sich Paul Lutz noch lebhaft. Darauf reagierte der Handel in der Stadt am 3. März 1970 mit der Gründung des »City Ring« als Werbegemeinschaft. Das WOCHENBLATT unter der Leitung von Hans-Joachim Frese gehörte da übrigens zu den Gründungsmitgliedern des jungen Vereins, der sich schnell erfolgreich platzierte mit gemeinsamen Aktionen. Zum Beispiel mit dem »City-Markt« ab 1971, aus dem später dann das »City Fest« und schließlich das Stadtfest wurde, das am kommenden Wochenende wieder in der Innenstadt gefeiert wird. Schon damals ging es übrigens darum, Fußgängerzonen in der Innenstadt zu schaffen, doch die Umsetzung sollte noch über ein Jahrzehnt auf sich warten lassen. »Bei unseren Zusammenkünften an einem Tisch haben wir viele Gedanken aufgenommen. Eine Agentur in Düsseldorf sorgte damals für den Werbeauftritt der Stadt, wir starteten bald mit speziellen Aktionen zu Ostern oder zu Weihnachten, und da mit einer Verlosungsgala in der Aula des Hegau-Gymnasiums«, erinnert sich Paul Lutz, der auch der erste Vorsitzende des Vereins »City Ring« gewesen ist. Manche Krise galt es auch hier zu bewältigen. Zum Beispiel die Konkurrenz der Singener Einkaufsstraßen. Vor allem aus der damaligen Scheffelstraße mit ihren Fachgeschäften kam Widerstand. Ergebnis war dann ein fünfköpfiges Führungsteam, das eben die Einkaufsstraßen repräsentierte. Auch die Ansiedlung des »Warenhauses« Karstadt war Anfang der 1970er Jahre eine solche Herausforderung gewesen, da sich der Handel vor einem solchen »Riesen« in der Stadt fürchtete, der damalige OB Friedhelm Möhrle, aber fest entschlossen war, den Handelsriesen in die Stadt an den Bahnhof zu bekommen. »Wir haben Karstadt in unsere Arme genommen und zu einem Teil des City Rings gemacht«, so Paul Lutz. Das Warenhaus sollte für die ganze Stadt wirken, war die Vision, die auch aufging.

Ein Macher für das WOCHENBLATT

Paul Lutz war freilich ein Mensch der die Zeichen der Zeit schnell erkannte. Als eine Erweiterung oder gar ein Neubau des ESKA an den Inhabern scheiterte, wechselte er in eine Führungsposition ins Singener Wochenblatt im Jahr 1979. Schließlich gab es die Geschäftsbeziehung zwischen ESKA und dem WOCHENBLATT schon seit der Gründung des Verlags im Jahr 1967. Das WOCHENBLATT transportierte die Werbebotschaften des ESKA schließlich direkt zu den Kunden. »Das war auch für uns damals eine Zeitung, auf die wir gewartet hatten«, meint Paul Lutz. Als rechte Hand des Verlegers Hans-Joachim Frese konnte er dort eine neue Ära einläuten, indem er durch seine Kontakte und auch sein Verhandlungsgeschick Großkunden für die Werbung im WOCHENBLATT gewinnen konnte. »Wir sind einfach zu Edeka nach Balingen gefahren und haben denen vorgerechnet, was es ihnen bringt, im WOCHENBLATT zu werben. Sie haben lange selbst gerechnet und dann hatten wir den Jahresauftrag«, blickt Paul Lutz zurück. Auch große Ketten wie ALDI oder Automarken wie VW konnten erstmals für das Medium »Anzeigenblatt« gewonnen werden. Um es diesen Werbepartnern leichter zu machen Anzeigenblätter zu nutzen, wurde eigens der »ABC-Südwest« gegründet mit der Centerstelle beim Singener WOCHENBLATT. Damit konnten im ganzen Südwesten mehrere Zeitungen belegt werden und so Leser im Millionenbereich erreicht wer-den. Als Hans-Joachim Frese als Verleger des WOCHENBLATTs seinerzeit ausschied, übernahm er 1989 die Geschäftsführung des Verlags zusammen mit Carmen Frese-Kroll bis zu seinem Übertritt in die Rente 1991. Er konnte ein höchst erfolgreiches mittelständisches Unternehmen übergeben, das ein gewichtiger Faktor in der Medienlandschaft des Kreis Konstanz geworden war und ein Aushängeschild für die ganze Branche der Anzeigenblätter.»Das WOCHENBLATT war schnell zu »meinem Unternehmen« geworden, blickt Paul Lutz heute zurück. »Ich bin jeden Tag gerne morgens aufgestanden und gerne ins Geschäft gegangen.«

Zur Person

Paul Lutz wurde 1926 in Heilbronn geboren und begann seine Ausbildung zum Kaufmann bei der Konsum-Genossenschaft dort. 1956 kam er nach Singen in die Konsum-Genossenschaft, wechselte als stellvertretender Geschäftsführer 1960 in das damals neue ESKA-Kaufhaus, das bis 1980 bestand mit einigen Filialen von Engen bis Meßkirch. 1970 war er Gründungsvorsitzender des City Rings Singen und Mitinitiator des Stadtfestes Singen in 1971. 1979 wechselte er zum Singener WOCHENBLATT wo er 1989 mit die Geschäftsführung übernahm. 1991 ging er in den Ruhestand, betreibt aber bis heute noch mit seinem Sohn eine Agentur für Werbekunden.

Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen. | Foto: Paul Lutz heute mit 91 Jahren in seiner Wohnung in Mühlhausen. 35 Jahre hat er den Einkaufsstandort Singen geprägt – als Kaufmann wie in der Geschäftsführung des WOCHENBLATTs.
Paul Lutz (am Pfeil) auf einem der ersten Singener Cityfeste | Foto: Paul Lutz (am Pfeil) auf einem der ersten Singener Cityfeste mit dem damaligen Vorstand und Singens Alt-OB Friedhelm Möhrle. Das Fest markierte die Aufbruchstimmung in der Stadt. swb-Bild: Archiv
Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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