Stockach sieht Zukunft unter Singener Dach
„Bankenfusionitis“ nimmt nächste Hürde
In den 90er Jahren schrieben wir über die Fusionitis. Ich sah die „Volkssparkasse Bodensee“ schon kommen, als die Furcht vor Basel II um sich geisterte. Die Fusionitis lebt weiter, doch Volksbanken und Sparkassen blieben getrennt. Damit bleiben dem Privatkunden wenigstens zwei Filialschienen vor Ort. Aber wer hätte das je geahnt: Singen, Radolfzell oder Stockach – immer die gleiche Sparkasse! Dabei hatte man vor 20 Jahren die deutsche Sparkasse mit ihrem Haftungssystem europapolitisch schon auf dem Schrottplatz gesehen. Wirklich gesehen? Oder schlichtweg nur gewünscht! So ist unsere medienorientierte Welt: Entwicklungen werden herbeigeschrieben, herbeigeträumt, als Thema erfunden. Dann kam der Bankenskandal, der Staat musste Bankenlöcher stopfen, unser gepflegte Kapitalismus zeigte seine staatsmonopolistische Krallen. Die einen wurden saniert und gesundgebetet, andere einfach totgeschwiegen. Von Basel II und seinen amerikanisch vorstrukturierten Kapitalbedingungen sprach man nicht mehr. Die Sparkassen zeigten sich bei ihren Bilanzkonferenzen stolz auf die gestiegene Eigenkapitalquote. Das Sparkassensystem für kommunale Geldmarktgeschäfte zeigte sich bei allen möglichen Anlässen marktfähig – oder behauptete es zumindest.
Manchmal wunderten sich die Bankkunden: Da bekommt die Commerzbank Millionen vom Staat, um wieder auf die Beine zu kommen. Und dann geht es damit ab in die Werbungsoffensive! Nennt das unser Staat „Markt“ oder gar „Marktbelebung“? Darf man als Banker mutig in die roten Zahlen gehen, weil der Staat ja immer anschließend hilft? Aktueller kann es nicht sein: Muss jetzt der Staat VW und die ganze Autokonjunktur retten? Oder muss man damit den eigenen Kapitalanteil retten? Oder retten wir in Griechenland am Ende nur unsere eigenen Bankkredite? Global ist schließlich alles, meist auf jeden Fall schier unübersichtlich. Und die Wahrheit hat ihre eigenen Facetten. Auf der einen Seite wird für den Kapitalmarkt der rote Teppich ausgebreitet. Die andere Seite habe ich Montag bei der Durchfahrt gesehen. In Stahringen sind schwarze Fenster von der Filiale übrig geblieben! Du wo sind die Mitarbeiter geblieben? Gelesen habe ich am Tag darauf, dass alle Personalfragen für die große Fusion Singen, Radolfzell, Stockach geklärt sind.
Geklärt ist das künftige Personaltableau. Der künftige Vorstand ist komplett, ein „Ehemaliger“ ist schon weg! Im neuen Aufsichtsrat wird es drei stellvertretende Vorsitzende geben. Mehr braucht man auch nicht: Rathauschefs aus Radolfzell, Stockach und Steißlingen. Sie können stolz darauf sein, dass die Fusion ein halbes Jahr ausverhandelt wurde, ohne dass es den medialen Paukenschlag gegeben hätte. Aber wehe, da wäre einer nicht versorgt worden! Oder eine Kommunalwahl wäre vor der Tür gestanden?! Und da wäre ein Besitzstand nicht gewahrt geblieben? Aber was zählt schon eine Filiale in Stahringen!? Oder die Kunden, die dort ihren Ansprechpartner seit Jahr und Tag gehabt hätten?
Ein paar Dinge sind offenbar geklärt. Also, eine Kreissparkasse Konstanz wird es nicht geben. Das war eigentlich längst klar, seit Konstanz „aushäusig“ mit Meersburg und Friedrichshafen wurde. Die Meersburger Triebfeder ist dort auch nicht mehr Bürgermeister. Gewinner wurde die Sparkasse Reichenau, die die Konjunktur nutzte und Markt machte. Dass Größe zum Fusionskriterium wurde, wird selbst von der Sparkasse Stockach bestätigt. Davon ließen sich auch die Volksbanken leiten: Engen zu Singen, beide zu Villingen. Radolfzell nach Konstanz, dann Steißlingen und Volkertshausen dazu. Bodman ging zu Stockach und Überlingen, wobei bisweilen knappe Mehrheiten entschieden. Die Entscheidungswege sind länger geworden. Der Umbau des Singener Hauptstelle hat Symbolcharakter. Dabei geht es um den Anspruch, den kommunalen Bedarf selbst beschaffen zu können.
Die Singener Sparkasse zum Beispiel sorgte für die Finanzierung lokaler Großprojekte. Man nehme den Krankenhaussektor oder die GVV samt Hegau-Tower: Wenn der OB auch der Verwaltungsratsvorsitzende der Sparkasse ist! Und plötzlich ist die lokale Sparkasse auch ein Politikum. Wer hat die Verantwortung und kann finanzpolitisch steuern? Banken sind kommunale Machtfaktoren. Wer aber letztlich die Verantwortung trägt, bleibt oft offen. Woher kam jetzt die gestalterische Kraft zur Fusion? Wer steuerte den dazugehörenden Willen? Sind die Mitarbeiter wirklich alle glücklich? Oft hört man bei Finanzierungen nur die eigene Kirchenglocke klingen. Wer sich in der Nachbarschaft eine neue Arbeitsstelle gesucht und gefunden hat, findet sich jetzt plötzlich beim alten Brötchengeber wieder. Das gilt auch für Kunden, die vor Ort Angst vor fremdem Einblick in die eigene wirtschaftliche Erfolgsbilanz hatten und lieber die Bank in der Nachbarschaft nutzten. Das begrenzt bei Fusionen die Zahl neuer Konten . . .
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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