Kämpfer, Kümmerer, Kunstliebhaber und Koch
Heinz Rheinberger: Der Gewerkschafter der Region
Singen.Heinz Rheinberger, im Januar 1931 im dörflichen Fluorn auf der Schwarzwaldvorebene als Ältester von sieben Geschwistern geboren, musste mit 13 Jahren noch zwangsweise "für Adolf-Nazi" kämpfen. Er erlebte dramatischste Schrecken des Krieges und half dem Vater 1945, SS-Panzersperren am Ortseingang zu entfernen, was den Total-Beschuss des Dorfes durch heranrückende Franzosen verhinderte.
Weg zur Gewerkschaft
Da ein empfohlener Gymnasiumbesuch des bildungshungrigen Jungen mangels Fahrrad für die 14 Kilometer-Strecke nach Oberndorf unmöglich blieb, sollte er zur Entlastung des vielköpfigen Elternhaushalts in der harten Nachkriegszeit eigentlich Knecht beim Bauern werden. Seine Mutter unterstützte jedoch seinen Herzenswunsch, einen richtigen Beruf zu erlernen, sodass er zunächst eine Schreinerlehre begann, um dann als Lehrling zu Kienzle nach Schwenningen zu wechseln. Dort fand der junge Uhrmachergeselle seine Berufung für die Gewerkschaftsarbeit, welche fortan sein Leben und Wirken prägen sollte. Kienzle-Betriebsratschef Wilhelm Schick förderte von Beginn an seine Arbeit als Jugendvertreter; seine Willensstärke, sein soziales Engagement und Organisationstalent ließen bald aufhorchen.
Bereits 1959 wurde er bei der Singener IG Metall (IGM) zum Kassierer gewählt, für die Jugendarbeit zuständig und vom Ortsvorstand um Leo Wieser, Walter Dietz und Paul Hagemann bei seiner raschen Wahl zum ersten Bevollmächtigten unterstützt. Es folgten Jahrzehnte "christlicher Nächstenliebe der Tat", so Rheinberger, wodurch die IGM-Mitgliederzahl von 5.000 auf 15.000 anstieg. Er organisierte die größte Mai-Kundgebung im ganzen Ländle, holte gar die legendären Ruhrfestspiele nach Singen, kümmerte sich früh um die Integration ausländischer Arbeitnehmer und gründete den Seniorenarbeitskreis.
Legendäre Gewerkschafter und KZ-Häftlinge wie Willi Bleicher, Ludwig Becker und Eugen Ochs waren Wegbegleiter, wie auch Otto Brenner, Herbert Wehner und Lothar Späth. Er wurde Mitglied der IGM-Tarifkommission und des Alu-Aufsichtsrats, kannte das Arbeitgeberlager gut - auch in der Schweiz - und wurde in den Senat des Bundesarbeitsgerichts in Kassel berufen sowie zum Präsidenten des Beirats seiner IG Metall gewählt, des höchsten beschlussfassenden Organs zwischen den Gewerkschaftstagen. Unvergessen bleibt jener Tag in Düsseldorf im Oktober 1977, als Rheinberger gegen den Willen des Vorstandes durchsetzte, dass die bundesweiten Delegierten über ein neues Gewerkschaftsziel beraten und beschließen konnten: die 35-Stunden-Woche.
Politisches Engagement
20 Jahre gehörte er der SPD-Fraktion im Singener Gemeinderat an - kantig, hartnäckig, unbequem, aber der Sache verpflichtet, versiert, uneitel und oft ein humorvoller "Brückenbauer", gemeinsam mit Helmut Graf und "Cicero" Greuter senior. Dreimal sorgte er für erfolgreiche Wahlkämpfe zugunsten von SPD-OB Friedhelm Möhrle, bis dessen unnötige Entlassung des schon kranken Stadtbaudirektors Hannes Ott zum persönlichen Bruch führte.
Rheinberger erwies sich auch als "bolzengerade", als er in schwierigen Zeiten 60 Sozialpläne mit regionalen Betrieben auszufechten hatte. Legendär sein Wort, nachdem er bereits Millionen für die traditionsreiche Gießerei-Belegschaft Fahr in Stockach erhandelt hatte: "Ich will kein Geld, ich will Arbeitsplätze!"
Sein guter Ruf in vielen Betrieben half, dies weitgehend umzusetzen - wie auch die erstmalige Beteiligung der Gewerkschaft am Bodenseeforum. Er war weitsichtiger Originator einer Pionier-Studie zur Zukunft der Region, gemeinsam mit Landrat Dr. Robert Maus, Alu-Chef Dietrich H. Boesken, den Kammern und der Uni Konstanz.
Rheinberger unterstützte die Regionalarbeit des Historikers Dr. Gert Zang, hielt als unbeugsamer Mahner 1983 mit Pfarrer Gebhard Reichert eine Brandrede im Rathaus zur Machtergreifung von "Adolf-Nazi" 1933, sorgte mit Gorbatschows Studienkollegen Rudolf Koltschanow für die Tuchfühlung mit Kobeljaki und festigte Singens Bande zu Celje und La Ciotat, aber auch nach Schaffhausen.
Stets kunstinteressiert, leitete er im Ruhestand als Galerist noch gut 60 Kunstausstellungen. Seine Vorliebe für das sonntägliche Kochen und legendäre mehrgängige Gäste-Menüs wurde nur von seiner 67Jahre währenden tiefen Liebe zu seiner Frau und gemeinsamen drei Kindern übertroffen. Heute lebt er im "Haus am Hohentwiel" und freut sich über Besuch.
Autor:Bernhard Grunewald aus Singen |
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