OB-Kandidaten Oliver Ehret und Bernd Häusler stellen sich Fragen des Singener Wochenblatts (Teil1)
Wohnungsbau und Stadtplanung im Blick

Foto: Sanierungsbedarf besteht in der östlichen Singener Innenstadt in vielen Bereichen. swb-Bild: of
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Singen (of). Der Wahlkampf in Singen schneidet viele aktuellen Themen an. Das Wochenblatt stellt deshalb die Vorstellungen der beiden Kandidaten Oliver Ehret und Bernd Häusler gegenüber umd damit einen Vergleich zuzulassen. In der ersten Fragenrunde des WOCHENBLATT geht es dabei um die Fragen der Wohnraumentwicklung, zu der es schon heftige Debatten im Singener Gemeinderat gab.

Frage: Abseits geplanter Gutachten: Wie hoch schätzen sie den Bedarf an günstigen Mietwohnungen, den Singen in den nächsten fünf Jahren zu decken hat. Die städtische Baugesellschaft tut sich ja laut ihrer Finanzplanung schwer, schon bald engagiert hier einzusteigen.

Oliver Ehret: Den Bedarf an günstigem Wohnraum in Singen in den nächsten 5 Jahren schätze ich auf rund 250 Wohnungen. Die GVV hat in ihrem Finanz- und Wirtschaftsplan den Bau von 150- 180 Wohnungen in den nächsten fünf Jahren vorgesehen. Davon wird der größte Teil im preisgünstigen Segment entstehen. Die Erfüllung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe kann aber nicht alleine durch die GVV erfolgen. Hier müssen auch andere Wohnungsbaugesellschaften ihren Teil dazu beitragen. Ich weiß aus Gesprächen, dass diese Bereitschaft auch da ist, und wir die Themen aufgrund einer sehr guten Landesförderung auch gemeinsam angehen werden.

Bernd Häusler: Bei den zahlreichen Bürgergesprächen, die ich in den vergangenen Wochen führen durfte, wurde es mehr als deutlich, dass in Singen der Mangel an bezahlbarem Wohnraum augenfällig ist. Nach meiner Einschätzung benötigen wir in den nächsten fünf Jahren 300 bis 350 zusätzliche Wohnungen, wobei der Schwerpunkt bei den Mietwohnungen liegen muss. Bedingt durch die Zunahme der Verschuldung der GVV mbH in den letzten sechs Jahren von 43 Mio. EUR auf 74 Mio. EUR und einem Absinken der Eigenkapitalquote von 32 % auf ca. 20 % ist die GVV als städtische Wohnungsbaugesellschaft nur noch eingeschränkt in der Lage, in den Mietwohnungsbau zu investieren. Aus diesem Grund müssen in den kommenden Jahren alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, die Verschuldung der GVV abzubauen und somit wieder mehr Spielraum für die eigentliche Aufgabe der GVV zu haben, nämlich in Singen modernen, attraktiven und bezahlbaren Mietwohnraum zu erstellen. Gemeinsam mit den ansässigen Baugenossenschaften und den freien Bauträgern müssen Strategien entwickelt werden, um mehr Wohnraum in Singen zu schaffen.

Frage: Gibt es in Singen in der Kernstadt überhaupt Flächen, auf denen sich weiterer Geschosswohnungsbau realisieren ließe?

Oliver Ehret: In Singen gibt es zahlreiche Flächen, auf denen Geschosswohnungsbau möglich ist: Städtische Flächen gibt es u.a. in der Hauptstraße, im Malvenweg, in der Masurenstraße/ Zolltafel, Obere Beugen, Max- Porzig- Straße/ Dr. Albert- Funk- Straße. Andere Baugenossenschaften besitzen ebenfalls noch einige Reserveflächen und auch private Flächen entlang der Bahnhofstraße, im Bereich Fichtestraße/ Tannenwaldweg, Freiheitstraße, Theodor- Hanloser- Straße, Am Posthalterswäldle/ Hardenbergstraße sind für den Geschosswohnungsbau geeignet.

Bernd Häusler: Wir haben gerade in der Kernstadt und insbesondere in der Innenstadt noch verschiedene Flächen, die sich für einen Geschosswohnungsbau eignen. Hier ist vor allem das Kunsthallen-Areal, das Wetzstein-Areal, das Conti-Areal und Teilflächen in der östlichen Innenstadt zu nennen. Weitere Flächen stehen in der Nordstadt im Bereich des geplanten Neubaugebietes Remishofer-Zelgle II (Bruderhofstraße) sowie in der Südstadt im Malvenweg (ehemaliges Michael-Herler-Heim) und der Überlinger Straße zur Verfügung. Diese Flächen warten zum Teil seit Jahren auf eine konsequente und zielorientierte Nutzung. Wir müssen es nur wollen!

Frage: Singen hat seit 2009 das Sanierungsgebiet "Östliche Innenstadt", ausser der Umgestaltung des Herz-Jesu-Platzes und dem bisher noch nicht von Umsetzung gekrönten Wetzstein-Areals für Passivhäuser in der Innenstadt war bisher wenig davon zu spüren. Wie kann hier eine Umsetzung forciert werden, zum Beispiel bei den ehemaligen Bahnwohnungen, ohne dass der Stadt zustehende Fördermittel zurück gegeben werden müssten und Singen weiter eine schlechte Visitenkarte hat?

Oliver Ehret: Das Sanierungsgebiet konnte aufgrund der Weltwirtschaftskrise in den letzten Jahren nicht in dem Maße mit städtischen Geldern mitfinanziert werden wie ich mir das vorgestellt hatte. Dennoch ist das Sanierungsgebiet erfolgreicher gestartet als ihre Frage vermuten lässt. So konnten zahlreiche private Gebäude mit Sanierungsmitteln modernisiert werden. Die GVV und die Familienheim Bodensee haben geförderte Wohnungsneubauten errichtet. Das Käthe- Luther- Kinderhaus wurde sowohl baulich als auch durch soziale Begleitmaßnahmen gefördert. Leider hat der Eigentümer der ehemaligen Bahnwohnungen in dem Gebiet bisher kein Interesse an Sanierungszuschüssen gezeigt. Für das Wetzstein- Areal hat der Wettbewerbssieger aus Freiburg zusammen mit der Stadt einen neuen Investor gefunden, so dass der Gemeinderat zeitnah die Grundstücksvergabe tätigen kann. Ein Abriss der Wetzsteinvilla stand im Übrigen nie zur Debatte, da es sich hierbei um ein städtisches Erbe der Unternehmerfamilie Wetzstein handelt.

Bernd Häusler: Es fehlt ein Leuchturmprojekt bei der Wohnbausanierung, welches andere Projektpartner dazu animiert ebenfalls in den vorhandenen Wohnungsbestand zu investieren. Die positive Entwicklung im Wohngebiet „Langenrain“ in der Südstadt zeigt, dass es möglich ist, auch ältere Wohnquartiere sinnvoll und nachhaltig zu sanieren. Auch fehlt mir hier ein klares Bekenntnis der GVV zur Innenstadt Ost. Der Neubau von Eigentumswohnungen in der Schwarzwaldstraße ist mir zu wenig. Die GVV hätte aus meiner Sicht als gutes Beispiel vorangehen und eigene Gebäude sanieren müssen. Stattdessen verkauft man diese Häuser. Damit wurde eine Chance vertan.

Frage: Das Kunsthallen-Areal hat eine lange Geschichte. Nach langem Hin und Her wurde mit Edeka eine Lösung gefunden, die allerdings das wertvolle Grundstück längst nicht ausnutzt, weil im Prinzip ein Supermarkt nur Parkdeck darauf und ein paar Penthouse-Wohnungen geplant sind. Das Immobilienunternehmen Kupprion wie das Architekturbüro Mussgnug-Wirth-Kramer haben Alternativplanungen gemacht, bei denen viel mehr Wohnraum in der Innenstadt entstehen könnte. Wie ist inzwischen ihre Haltung zu dem Thema?

Oliver Ehret: Singen ist in der Innenstadt im Hinblick auf das Lebensmittelangebot unterversorgt. Geschäfte wie der Netto- Markt oder der Treff 3000 haben innerhalb bestehender Mietverträge ihre Pforten geschlossen, da eine ausreichende Parkierung und geordnete Anlieferung nicht gewährleistet war. Auch der in der Innenstadt ansässige City- Markt beklagt seine unzureichende Situation, so dass die Ansiedlung eines Lebensmittelvollsortimenters in meinen Augen richtig ist. Die beiden von Ihnen genannten Entwürfe lassen sich nicht umsetzen, da die Anforderungen des Mieters EDEKA nicht erfüllt werden. Die aktuellsten Pläne sehen auf den beiden Obergeschossen 22- 25 Wohnungen vor, die 50 Stellplätze im obersten Parkdeck zur Verfügung haben. Damit ist eine gute Vermarktbarkeit gegeben. In den Gebäuden entlang der Ekkehardstraße können zudem 20 Wohnungen sofort saniert werden, wenn der Gemeinderat dieser wirtschaftlichen Lösung zustimmt, so dass hier rund 45 Wohnungen sehr schnell auf den Markt kommen und damit die Innenstadt enorm aufwerten.

Bernd Häusler: Kunsthallen-Areal, die unendliche Geschichte. Die jetzt vorliegende Planung mit einem Lebensmittelmarkt mit ca. 1.500 qm Verkaufsfläche stellt eine Minimallösung dar. Eine verbesserte Nahversorgung für die Innenstadt macht Sinn. Es muss aber auf jeden Fall zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Es scheint mir aber mehr als fraglich, ob es der richtige Weg ist, dort wie geplant acht Einzelhäuser über den Parkdecks - als Konstanzer Kopie - zu errichten. Preise von 500.000 EUR und mehr je Haus sind nicht wenig. Für mich sieht bezahlbarer Wohnraum anders aus. Wie es geht, hat die Baugenossenschaft Hegau mit ihrem Wohnprojekt "Lutherpark" an der Ecke Alpenstraße/Freiheitstraße vorgemacht. Über 20 Mietwohnungen wurden dort errichtet. Das sollte uns Beispiel genug sein, dass auf dem Kunsthallen-Areal mehr möglich ist. Das Immobilienunternehmen Kupprion und das Architekturbüro Mussgnug-Wirth-Kramer haben auf freiwilliger Basis Alternativen aufgezeigt, die es wert sind genauer betrachtet zu werden. Den derzeitigen Versuch, die Wirtschaftlichkeit von Miet- oder Eigentumswohnungen auf diesem Areal in Frage zu stellen, werte ich als Strategie, von den zunehmend in der Diskussion stehenden, zu hoch bezahlten Grundstückspreisen abzulenken.

Frage: Wie kann die Innenstadt für jüngere Familien als Wohnort wieder interessanter gemacht werden. Bisher wird als Trend immer nur vermerkt, dass Senioren wieder zurück in die Innenstadt ziehen wollen.

Oliver Ehret: Auch eine Innenstadt lebt von einer gesunden Durchmischung. Sowohl junge Familien als auch Senioren sollen die Vorzüge eines urbanen Umfelds nutzen können. Für junge Familien ist dabei die Nähe zu Kindertagesstätten und Schulen von besonderer Bedeutung. Als interessante Wohnform zum Beispiel im Contiareal sehe ich vor allem Reihenhäuser oder Maisonette- Wohnungen. Dort liegt eine große Chance, jungen Familien einen sehr guten Wohnort zu bieten, der durch die Nähe zu öffentlichen Grün- und Spielanlagen noch an Attraktivität gewinnt. Als Oberbürgermeister werde ich mich ähnlich wie in anderen Gebieten unserer Stadt für eine Familienförderung mit einem gestaffelten Erbbaurecht für kinderreiche Familien einsetzen.

Bernd Häusler: Um die Innenstadt auch für Familien wieder interessanter zu machen, braucht es vor allem Wohnungen mit vier und fünf Zimmern. Gerade die Innenstadt Ost, aber auch das Conti-Areal, hätten hier aus meiner Sicht das Potential, bezahlbaren Wohnraum für Familien zu ermöglichen. Ergänzend sollten dort auch Freiflächen für spielende Kinder vorgehalten werden. Die Infrastruktur ist in der Innenstadt für Familien gut entwickelt. Vieles kann zu Fuß erledigt werden. Vor allem der neugestaltete Herz-Jesu Platz bietet Flächen für Kinder und Erwachsene. Auch der Ekkehard-Platz, der seit Jahren auf eine Neugestaltung wartet, hätte Aufenthaltsqualität.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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