Spannende Talkrunde des Wochenblatt in der Färbe
Wie Lobbyisten die Politik mit gestalten

Talk Färbe | Foto: Thomas Körner vom Nabu, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder und Dirk Tänzler, Soziologieprofessor an der UNI Konstanz in der Diskussion mit Moderator Walter Studer. swb-Bild: of
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Singen. „Glyphosat“, „Neonicotinoide“, „Dieselskandal“ oder auch Felchenzucht im Bodensee oder die „Abzocker in den Führungsetagen der Schweiz“, alles Themen, bei denen oft hinter der Kulissen der Öffentlichkeit die Fäden gezogen werden. Alles Themen, die etwas mit „Lobbyismus“ zu tun haben – und diesem einen schlechten Ruf geben. Doch braucht es den Lobbyismus für unsere Politik, kann er auch Gutes bewirken? Darüber diskutierten auf der Färbebühne beim Wochenblatt-Talk „Auf ein Wort“ am Sonntag Thomas Körner vom Nabu, der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder und Dirk Tänzler, Soziologieprofessor an der UNI Konstanz mit Moderator Walter Studer.

Thomas Körner vom Nabu-Bezirksverband ist Lobbyist – positiver Lobbyist. Denn Lobbyismus hat für ihn in der Öffentlichkeit eher was mit Negativem zu tun, mit Pharmaindustrie und ähnlichem. Bestes Beispiel ist für ihn eben jene Felchenzucht in Netzkäfigen im Bodensee. Die Fischer seien dagegen, der Naturschutz auch, wie auch die Landkreise, doch die Unternehmer, die dies planen, hätten sich eben eine Lobby geschaffen, bis ins Umwelt- oder Landwirtschaftsministerium. Jetzt sei es die Frage, wie stark eine Gegenlobby hier wirken könne. Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann, der aus der Politik in die Wirtschaft ging ist für Körner das beste Beispiel, wie Wirtschaft in die Politik reinwirke, schon durch die alten Netzwerke.. Schon durch Europa gewinne der Lobbyismus immer mehr Bedeutung, und sei immer weiter entfernt von den Menschen, ist seine Befürchtung. In Europa fehlt für ihn beim Parlament ein wissenschaftlicher Unterbau, der im Deutschen Bundestag gegeben ist. Und Europa schaffe Gesetze und Regelungen, die ja auf nationales Recht herunter gebrochen werden sollen. Gerade diese Abgeordneten würden dann mit Sachkenntnissen durch Vertreter von Industrien gefüttert.

Thomas Minder ist als Schweizer Ständerat ein Lobbyist, und ein scharfer Gegner des Lobbyismus überhaupt. Grade vor Abstimmungen seines Gremiums werde er sozusagen mit Abstimmungsempfehlungen torpediert, von den Lobbyisten. „Die Themen sind inzwischen derart komplex geworden, aber es tendiert immer mehr in Richtung Korruption weil da auch Geld im Spiel ist“, meint er zu Politik seines Landes. „Im „Bundesbern“ könne er inzwischen die Lobbyisten gar nicht mehr zuordnen, weil die Lobby-Firmen oft für mehrere Dinge unterwegs sind für verschiedene Auftraggeber. Thomas Minder hatte vor nicht langer Zeit seine „Abzockerinitiative“ gestartet, gegen den Lobbyismus der Banken. In der Schweiz würden gar Mandate gekauft, deutete er an. Die Schweiz solle über einen Ausstieg aus der Atomkraft entscheiden, mit Leuten, die Geld vom großen nationalen Energiekonzern bekommen als sogenannte „bezahlte Mandate“, sieht er die klare Grenze, wo Abgeordnete mit Geld dazu gebracht werden, im Sinne ihrer Geldgeber zu entscheiden. Minder selbst sieht sich als erfolgreicher Unternehmer im Kosmetikbereich hier als unabhängig an. Sein klarer Standpunkt, den er an diesem Vormittag vermittelte, ist dass es natürlich Lobbyismus braucht in der Politik, doch er werde schlecht, wenn am Schluss Umsatz entstehe für die, die Entscheiden sollen nach ihrem Gewissen.

„Eigentlich haben wir Leute gewählt, die für uns entscheiden sollen, doch irgendwie funktioniert das nicht mehr“, so Dirk Tänzler von der UNI Konstanz. Freilich sei das Fachwissen der Politiker begrenzt, es werde alles immer komplizierter, und unüberschaubarer. Das sei die Einflugschneise für Leute, die nun Entscheidungen beeinflussen. „Wissen gegen Entscheidung“, ist in Amerika akzeptiertes Prinzip, doch dort werde auch eine scharfe Grenze gezogen, wenn es darum ginge, solche Entscheidungen auch mit Geld zu unterstützen. Auch in Brüssel gebe es ein regelrechtes Lobbyistenbüro – viele Industriebereiche seien dort präsent in der Politik. „Wir haben einen Politiker gewählt, weil er unsere Interessen vertreten soll“, so Tänzer. Diese Politiker würden aber zunehmend durch die Lobbýarbeit mit anderen Interessen konfrontiert. „Mut zur eigenen Meinung haben und nicht immer den Experten glauben“, ist die gesellschaftliche Forderung des UNI-Manns.

Es gebe durchaus guten Lobbyismus. Das Geld für den „guten Lobbyismus“ komme natürlich aus der Wirtschaft, auch Naturschutzverbände bräuchten Geld. Staatssekretäre würden inzwischen in die Autoindustrie ausgeliehen um Einblicke zu bekommen, Vertreter der Industrie im Gegenzug in die Poliitk kämen, um sich über die dortigen Verhältnisse zu orientieren. Da werden hierzulande eine Grenze überschritten.

»Sollte Deutschland ein Lobbyregister einführen?“, eine Frage aus dem Publikum. „Ja auf jeden Fall“, unterstreicht Dirk Tänzler. Das sei aber hier derzeit nicht der politische Konsens. Klar gefordert wurde auf dem Podium auch, dass Abgeordnete klar offen legen sollten, wenn sie von der Wirtschaft Geld bekommen. Und dass Politiker viel Länger warten müssten, bis sie in die Wirtschaft wechseln dürften.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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