Singener Wirtschaftsforum
Wie KI funktioniert und warum sie eigentlich nicht "intelligent" ist
Singen. "KI oder K.O.?" - Eine so kurze Frage, mit so vielen verschiedenen Facetten. Und Anlass für die Organisatoren des Singener Wirtschaftsforums, dem Thema am Donnerstag, 18. April, einen Tag voller Vorträge und Impulse zu widmen.
Dabei zeigte sich Reinhold Maier, stellvertretender Geschäftsführer der Kultur und Tagung Singen (KTS), bei der Kurz-vor-End-Bilanz sehr zufrieden über dieses elfte Wirtschaftsforum. Das Format konnte in diesem Jahr insgesamt 125 Teilnehmende (2023: 105 Teilnehmende) verzeichnen. Der Interessenszuwachs dürfte maßgeblich an dem aktuellen und allgegenwärtigen Thema Künstliche Intelligenz (KI) liegen.
"Wir haben eine sehr gute Resonanz", befindet Maier. Die vielen Interaktionen der TeilnehmerInnen und dass bei dem Forum auch inhaltlich unterschiedliche Sichtweisen zusammentreffen, sei ganz im Sinne des Ziels "eine Plattform für Austausch und für Networking" zu bieten. Explizit von Reinhold Maier hervorgehoben wurde das "Kick-off" des Wirtschaftsforums durch einen Vortrag von Referentin Klara Krieg, die als KI Programm-Managerin bei der Firma Bosch arbeitet. Sie habe es geschafft, das Publikum unabhängig vom Wissensstand für das Thema abzuholen. Anschließend wurden am Donnerstag drei verschiedene Workshops angeboten, etwa über die Anwendungsmöglichkeiten von KI oder mit KI verbundene Ängste. Zuletzt hatten die TeilnehmerInnen Zeit, ihre Eindrücke miteinander zu teilen.
Auch bei den Unterstützern der Veranstaltung kam das Thema gut an. Michael Frank, Steuerberater bei Spitznagel und Partner, welche schon seit elf Jahren als Sponsor dabei sind, lobte die Veranstalter dafür, stets relevante Themen zu setzen und gute Redner zu finden. Klaus Gebhardt vertrat mit IT4YOU ebenfalls einen Sponsor des Forums. Gerade für IT-Betriebe stehe fest, dass "wir mehr KI integrieren wollen, sollen und müssen." Die Antwort zur Überschrift des Forums lautete bei der Bilanz "eher KI als K.O."
"Wir sollten uns für KI interessieren, denn KI ist wunderbar"
Ängste und Hemmungen beim Thema KI abzubauen, war dabei das Ziel des Vortrags von Physiker und Autor Dr. Philip Häusser am Abend. Dieser gab einem fast bis auf den letzten Platz gefüllten Saal einen Überblick, wie KI funktioniert und warum die Sorge vor der "Weltherrschaft der Roboter" aktuell unbegründet ist.
Schon zum Einstieg verdeutlichte Häusser die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz, die wie das Internet die (Arbeits-)Welt massiv verändern werde, dabei aber auch Risiken mit sich bringe. "KI hat das Potenzial, Sie alle zu Millionären zu machen. Oder zu Bettlern." Wichtig sei, sich schon heute mit der Künstlichen Intelligenz auseinanderzusetzen. Schon heute ist diese eigentlich überall im Spiel, etwa bei Kauf- und Videoempfehlungen im Internet. Als irreführend empfinde er jedoch den Begriff "Intelligenz". Das "maschinelle Lernen", wie er die Technik lieber nennt, könne dem Vergleich mit der menschlichen Intelligenz nicht standhalten. Dass trotzdem von einer "Intelligenz" gesprochen werde, führe seiner Ansicht nach zu falschen Schlüssen. Etwa die Annahme vieler Menschen nach kurzfristigen Durchbrüchen, dass die Entwicklung auch künftig so schnell weitergehe.
"Dass der Computer uns den Job wegnimmt, ist berechtigt, wenn..."
Um diesen Punkt zu verdeutlichen, gab es einen kleinen Einblick, wie maschinelles Lernen funktioniert: Hier gehe es für den Computer letztlich darum, festgelegte Parameter zu justieren und durch Wiederholung für das Ziel zu optimieren. Das sei ganz ähnlich einem Rezept, das möglichst lecker werden soll und bei dem dafür die Zutaten und Zubereitungsweise (gleich Parameter) nach jedem Versuch korrigiert werden. Es gebe Anwendungsbereiche, bei denen ein Computer sehr gut auf diese Art trainiert werden könne, in anderen wiederum weniger gut. Beispielhaft zeigte Philip Häusser ein Video, in dem sich eine simulierte Figur auf absurde Weise und eher mäßig erfolgreich durch einen Parcours bewegt. Unter anderem daraus "ist leicht abzuleiten, dass so schnell kein Robo-Arm selbständig wird und die Weltherrschaft an sich reißt. Computer arbeiten in Inseln in dem Bereich, in dem sie gerade trainiert werden." Das unterscheide sich vom schnellen menschlichen Lernen. Auch eine menschliche Intuition oder die vielfältigen Sensoren in Form unserer Sinne könne ein Computer nicht so schnell, vielleicht sogar nie nachahmen. "Die KI kann Aufgaben übernehmen, aber denken müssen wir selbst", folgt für Philip Häusser daraus. "Dass der Computer uns den Job wegnimmt, ist dann berechtigt, wenn wir den Kopf ausschalten."
Im Anschluss an den Vortrag folgte eine Diskussionsrunde, zusammen mit Klara Krieg und Dr. Peter Keck, Unternehmensberater in der Automatisierung. Die Fragen hier waren vielfältig, genauso die Fragesteller aus dem Publikum, wobei auffällig viele SchülerInnen und StudentInnen mehr zum Thema KI wissen wollten.
Bei der Einstiegsfrage, in welcher "Lebensphase" sich die KI befinde, erwiderte Klara Krieg sofort: "In der wilden Teenie-Phase", es werde dort aktuell viel ausprobiert. Während er dem grundsätzlich zustimmte, warf Philip Häusser ein, dass diese Technik "so fundamental anders ist", dass man die Entwicklung der KI nicht mit einem menschlichen Leben vergleichen könne: Es sei unklar, wo deren "Endstadium" liege.
Welchen Einfluss die Künstliche Intelligenz auf Schule und Bildung hat und haben sollte, war für einen Schüler die Frage. Peter Keck hob hervor, dass Schulen den Umgang mit Künstlicher Intelligenz lernen und das wieder an die Schüler vermitteln müssen. Gewisse Fähigkeiten, ergänzte Häusser, werde man wohl nur noch erlernen, wenn der explizite Wille dazu da ist.
Auf die Vermutung, ob die ständige Nutzung von KI nicht die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten hemme, erwiderte Häusser, dass der Mensch dann neue Fähigkeiten entwickle. Und: "Meine Hoffnung ist, dass wir uns auf unsere eigentlichen Fähigkeiten besinnen." Eine Stärke etwa sehe er in der menschlichen Neugierde.
In eine ähnliche Richtung deutete eine Psychologin, die fragte: "Was ist wichtig, damit wir das Denken nicht verlernen?" Die Automatisierung von Entscheidungen werde gerne genutzt, um moralischen Dilemmata auszuweichen, antwortete darauf Klara Krieg: "Mein Appell ist, dass Hinterfragen zur Pflicht werden muss." Menschlichkeit, nachdenken und nachfragen seien laut Krieg nicht nur im Umgang mit Menschen wichtig, sondern auch bei Maschinen. Dass das heute schon von Bedeutung ist, erläuterte Peter Keck: "ChatGPT produziert Murks, der sich gut anhört, Quellen, die nicht existieren."
Autor:Anja Kurz aus Engen |
Kommentare