»Gut leben – gut sterben in Singen und im Hegau« von Gerda Graf
Wer gesund stirbt ist auch tot
Singen (swb). Die Vorsitzende des Hospizvereins Singen und Hegau, Irmgard Schellhammer, konnte rund kürzlich 200 interessierte Besucher zum Vortrag von Gerda Graf im Bürgersaal begrüßen. Darunter Oberbürgermeister Häusler und das fast komplette SAPV-Team des zukünftigen Hospiz- und Palliativzentrums »Horizont«.
Als bekennende Rheinländerin begann sie ihren Vortrag mit der Aussage »Der Rheinländer an sich stirbt nicht« und setzte dann noch die Aussage des Arztes und Theologen Manfred Lutz: »Auch wer gesund stirbt ist definitiv tot.«, als Einstieg in den ersten Teil ihres Vortrags drauf.
Was ist gutes Leben? Oft wird es mit Besitz und Glück assoziiert, aber Besitz verliert seinen Glanz sehr schnell durch die Alltäglichkeit. Glück kann man nicht festhalten, es sind meist kurze Momente, die ihren Wert durch die Erinnerung daran erhalten. »Das Streben nach Glück als Dauerlust ist der sicherste Weg unglücklich zu werden«, zitierte sie.
Wer mehr im Haben als im Sein verhaftet sei könne nicht gut Leben. Gutes Leben entstehe, wenn man etwas Sinnhaftes tue.
Diese Erkenntnis war eine der Grundlagen für das Entstehen der Hospizkultur in Deutschland vor etwa 30 Jahren. Alten und sterbenskranken Menschen noch ein gutes Leben zu ermöglichen, durch optimale Schmerztherapie (Palliativmedizin und Palliativpflege), psychosoziale und spirituelle Begleitung sind die Säulen dieser Kultur. Die beiden letztgenannten sind die Domäne der gut ausgebildeten ehrenamtlichen Hospizbegleiter der Hospizvereine und -gruppen in Deutschland.
Der Tod ist bei den meisten Menschen mit Angst verknüpft. Hospizarbeit habe das Ziel Wege aus der Angst aufzuzeigen.
Wenn man Menschen, die wissen, dass ihre Zeit begrenzt ist, fragt, was sie gerne besser gemacht hätten in ihrem Leben, wird sehr oft geäußert: »Ich wünschte, ich hätte mein eigenes Leben leben können.«
Autonomie statt Fremdbestimmung, sich wiederfinden in dem was man tut, ist der Kern dieser Aussage. Auch seine Gefühle besser auszudrücken zu können, ist ein häufiger Wunsch und wird im Rückblick häufig als Mangel empfunden.
Viele erkennen im Alter, dass es wichtig gewesen wäre mehr dafür zu tun, Freundschaften aufrecht zu halten und sich zu erlauben glücklich zu sein.
80m Prozent der Menschen wollen zu Hause sterben, aber die meisten kommen doch kurz vor dem Tod in die Klinik, weil die Angehörigen mit der Situation nicht mehr fertig werden. Eine wichtige Aufgabe der Hospizarbeit ist es deshalb auch, die Angehörigen im Blick zu behalten und zu fragen, was brauchen sie.
Die Zahl von Alterssuiziden wachse, weil viele alte Menschen das Gefühl haben, den Anderen, der Gesellschaft zur Last zu fallen. In dieser Situation ist es wichtig, zu vermitteln, dass Verlusten auch Gewinne gegenüber stehen, sich fühlen zu dürfen, sich erinnern zu können, sich zu entschämen und schließlich entschlafen zu dürfen. »Reif werden bis zum Tode«, nennt es ein Buchtitel von Elisabeth Kübler-Ross.
»Der Zustand einer Gesellschaft ist messbar in ihrem sozialen Handeln“, betonte Frau Graf zum Ende ihres Vortrags. Martin Werner
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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