Ein Lokal- und Landespolitiker im Interview
„Was macht ein Gemeinderat eigentlich, Herr Storz?“

Hans-Peter Storz spricht im Interview über die Arbeit als Gemeinderat und Landtagsabgeordneter und was er neuen Kolleginnen und Kollegen rät. | Foto: Tobias Lange
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Wochenblatt: Herr Storz, was macht ein Gemeinderat eigentlich?

Hans-Peter Storz: In der Fraktion, in der die interne Arbeit stattfindet, treffen wir uns jede Woche. Immer montagabends. Das sind dann schon eineinhalb bis zwei Stunden, in denen wir uns politisch positionieren, in denen wir über die Vorlagen, die im Ausschuss oder Gemeinderat anstehen, beraten und uns absprechen, welche Entscheidungen wir mittragen.
Dann sind wir bei den Sitzungen im Gemeinderat dabei, das ist einmal im Monat. Da gibt es dann von 15 bis 25 Tagesordnungspunkte und die sollte man gelesen haben. Da gibt es Vorlagen, die nur zwei bis drei Seiten lang sind, aber auch solche, die 80, 100, 150 Seiten haben. Etwa, wenn es um das Klimaschutzkonzept geht oder die Mobilität. Das durchzuarbeiten, zu sehen, was da überhaupt drinsteckt, braucht Zeit. Mir bleibt die Zeit meist nur am Wochenende, um die Vorlagen durchzuarbeiten. Das sind dann so zwei bis drei Stunden. Dann gibt es noch die Ausschüsse. Der Finanzausschuss und der Ausschuss Straße, Bau und Umwelt treffen sich auch monatlich. Auch da: viele Vorlagen. Das ist schon sehr zeitintensiv.
Dann sollte man noch Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern führen. Es kommt also einiges zusammen.

Wochenblatt: Dann darf man von den Gemeinderätinnen und -räten durchaus verlangen, dass sie sich mit den Themen beschäftigen und wissen, worum es geht.

Hans-Peter Storz: Ich finde, dass man mit der Wahl eine Verantwortung hat, die einem von den Bürgern mitgegeben wurde. Ich versuche also schon, gut vorbereitet zu sein.

Wochenblatt: Wie wichtig ist die Arbeit des Gemeinderats für eine Kommune?

Hans-Peter Storz: Im Gemeinderat wird die direkteste Politik gemacht. Deshalb ist die Arbeit des Gemeinderats sehr wichtig. Wir bestimmen schließlich mit, wie sich die Stadt entwickelt – im Hinblick auf den Verkehr, auf Wohnungsbau, auf die Möglichkeit zur Unternehmensansiedlung, auf Klimawandel. Wir können sagen, dass wir auf allen Gebäuden Solaranlagen wollen, dass unsere Schulen gute Fenster haben, damit Energie eingespart wird, dass es weniger überirdisches Parken und mehr Räume für Fahrradfahrer gibt. Es ist sehr direkte Politik, die die Möglichkeit hat, direkt einzugreifen.

Wochenblatt: Wie ist dabei die Zusammenarbeit im Gemeinderat? Spielen da die Fraktionen eine große Rolle?

Hans-Peter Storz: Hier in Singen haben wir ein sehr gutes Miteinander. Es geht den Mitgliedern um die Stadt und weniger um Parteipolitik. Das ist auch gut so. Wir streiten aber auch manchmal, weil wir in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Ansichten haben. Tempo 30 ist so ein Beispiel, bei dem der Gemeinderat wirklich gespalten war. Oder auch der Mietspiegel war ein Thema, mit dem wir lange gerungen haben. Wir streiten gut, können dann aber auch hinterher wieder gut beieinandersitzen.

Wochenblatt:
Dazu gibt es dann die legendären Nachsitzungen.

Hans-Peter Storz:
Die sind gar nicht so legendär. Die gab es die letzten Jahre nicht mehr – auch wegen Corona. Aber wir haben sie wieder eingeführt und es ist gut, dass es sie wieder gibt.

Wochenblatt: Muss man als Gemeinderat auch manchmal sprichwörtlich Prügel einstecken für die Landes- und Bundespolitik?

Hans-Peter Storz: Eigentlich weniger. Das spüre ich eher als Landtagsabgeordneter, dass man auch für die Bundespolitik geradesteht. In der Kommune ist es so, dass wir für unsere Entscheidungen geradestehen. Wir waren kürzlich bei Handwerkern und hier ist ein Großteil nicht einverstanden mit der Entscheidung des Gemeinderats zum Tempo 30. Man steckt da manchmal schon Kritik ein, aber das gehört zum politischen Geschäft dazu.

Wochenblatt: Wenn Sie auf die nun ablaufende Amtsperiode zurückblicken. Was waren für Sie in Singen die großen Themen im Gemeinderat?

Hans-Peter Storz: Wir haben in der Wohnungspolitik große Schritte gemacht mit dem Scheffelareal und dem Schlossareal. Da wurden mit Blick auf die Zukunft gute Entscheidungen gefällt. Dass es uns gelungen ist, das Klinikum nach Singen zu bringen, war wichtig. Wer im alten Gebäude war, der weiß, dass dort auch mit einer noch so guten Sanierung keine moderne medizinische Arbeit möglich ist. Mit unserem Papier zur Klimaanpassung, dem Lärmaktionsplan und Kulturschwerpunkten haben wir wichtige Dinge geschaffen, um uns als Stadt voranzubringen.

Wochenblatt: Sie sind nicht nur Gemeinderat, sondern auch Kreisrat und Landtagsabgeordneter. Wie bekommen Sie das zeitlich alles unter einen Hut?

Hans-Peter Storz: Man darf sich nicht scheuen, auch mal einen zwölf- oder 14-Stunden-Tag zu haben. Es hilft, wenn man ein tolles Team hat – Gruß an alle – das einen unterstützt. Es gibt aber auch viele Überschneidungen. Ich bin im Verkehrsausschuss, also ist das Thema Mobilität sehr präsent. Im Landtag geht es oft um Wohnungsbau, das ist präsent. Klinik ist präsent, weil das auch zu den Landtagsaufgaben gehören. Viele Dinge begleiten mich auf allen Ebenen. Da kann ich mein Wissen auf kommunaler Ebene einbringen. Es bedarf aber trotzdem einer guten Kalenderverwaltung mit meiner Ehefrau zusammen.

Wochenblatt: Kommt es manchmal zu Reibungspunkten zwischen der Arbeit im Landtag und der im Gemeinderat?

Hans-Peter Storz: Es kommt manchmal vor, dass es terminliche Überschneidungen gibt. Dann muss ich mich auch mal vertreten lassen. Da hat der Landtag dann schon Vorrang.

Wochenblatt: Nach der Kommunalwahl wird es neue Gesichter im Gremium geben. Was raten Sie den neuen Kolleginnen und Kollegen?

Hans-Peter Storz: Das Wichtigste ist, offen hineinzugehen und auch in der Überparteilichkeit eine Chance zu sehen. Es geht um die Zukunft unserer Stadt, nicht um Parteiinteressen. Dann sollte man sich anfangs die Zeit nehmen, sich einzuarbeiten und sich nicht zu scheuen, Kolleginnen und Kollegen zu fragen und sich Infos zu holen. Ich weiß es aus Erfahrung: Vieles ist unbekannt und da tut es gut, Rat und Hilfe zu bekommen.

Wochenblatt: Was ist für Sie bei der anstehenden Wahl wichtig?

Hans-Peter Storz:
Sowohl im Gemeinderat als auch im Kreistag sind wir ganz nah dran an den Menschen. Darum ist es wichtig, als Wähler darauf zu schauen, wem ich persönlich zutraue, dass er mich und meine Anliegen vertritt. Wen kenne ich und vom weiß ich, dass er oder sie sich mit Herzblut einbringt? Ich bitte die Bürgerinnen und Bürger, denen ihr Kreuz zu schenken und sich nicht von denen blenden zu lassen, die große Worte verlieren, aber sich nie irgendwo engagiert haben und später dann in der Versenkung verschwinden. Das sind verlorene Stimmen und verlorene Chancen.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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