Vom Töten bis zum betreuten Wohnen
So unterschiedlich gehen Städte mit ihren Tauben um

Die Stadttaube ist monogam. Ein Paar bleibt lebenslang zusammen. | Foto: Stadttaubenhilfe Singen
4Bilder
  • Die Stadttaube ist monogam. Ein Paar bleibt lebenslang zusammen.
  • Foto: Stadttaubenhilfe Singen
  • hochgeladen von Tobias Lange

Kreis Konstanz. Sie sind verschrien als Ratten der Lüfte, stehen im Verdacht, zahlreiche Krankheiten zu übertragen und mit ihren Hinterlassenschaften Gebäude zu beschädigen: Die Stadttaube wird mit vielen Vorurteilen in Verbindung gebracht, die sich bei genauerer Betrachtung als übertrieben oder gänzlich falsch erweisen. Und sie gehört vielerorts zum Stadtbild dazu. Problematisch wird dies aber, wenn sich die Taubenpopulation unkontrolliert vergrößert. Dann ist ein effektives Taubenmanagement gefragt.

Den Extremweg hat die Stadt Limburg an der Lahr in Hessen gewählt. Hier hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, die Taubenpopulation durch Tötung zu reduzieren. Die Vögel sollen in einen Fangschlag gelockt und von einem Falkner per Schlag auf den Kopf betäubt werden, bevor er ihnen das Genick bricht. Tierschützer schrien angesichts dieser Methode auf. Sie plädierten für tierfreundlichere Alternativen wie Taubenschläge und das Ersetzen von Eiern durch Gips-Attrappen. Eine Unterschriftensammlung wurde gestartet und so ein Bürgerentscheid durchgesetzt, bei dem sich eine knappe Mehrheit hinter den Beschluss und das Taubentöten stellte. Es ist allerdings noch offen, ob und wann es den Stadttauben tatsächlich an den Kragen gehen soll.

"Die Tauben machten sich nichts draus"

So weit ist es im Landkreis Konstanz noch nicht, obgleich es durchaus Städte gibt, die Probleme mit zu vielen Stadttauben haben. Etwa in Tengen, wo die Tiere laut dem stellvertretenden Hauptamtsleiter Georg Völlinger unschöne Bilder und Beschädigungen an Gebäuden und auf den Straßen hinterlassen. "Ganz speziell ist bei uns die Altstadt betroffen." Maßnahmen wie das Verschließen von Öffnungen an Gebäuden und die Installation von sogenannten Taubenschrecks schienen anfangs vielversprechend. "Aber die Tauben fanden weitere Möglichkeiten oder machten sich nichts daraus."

Auch der Versuch, Eiergelege zu installieren und Eier gegen Attrappen auszutauschen, sei nicht erfolgreich gewesen. "Aktuell sind wir dabei, Kontakte zu knüpfen, um natürlichen Ausgleich zu schaffen. Dies könnte zum Beispiel der Versuch sein, einen Falken im Umfeld anzusiedeln." Die Stadt sei bestrebt, eine Lösung zu finden, die naturnah ist, zu einem gesunden Verhältnis der Tierwelt beiträgt und auch dem Menschen dienlich ist. "Wir sind dran, aber es wird ein bisschen dauern."

Greifvögel gegen Stadttauben

Auf Greifvögel setzt auch die Stadt Stockach. Dort gebe es laut Stadtbaumeister Lars Heinzl zwar kein "schwerwiegendes Taubenproblem", dafür aber immer wieder einzelne Stellen, wo es Ansammlungen gibt. "Die Stadt informiert die Bevölkerung über Gegenmaßnahmen und arbeitet mit einer Falknerin zusammen, die die Tiere mit ihrem Falken vergrämt." Zudem gebe es Bemühungen, weitere Greifvögel im Stadtgebiet anzusiedeln.

Hier gibt es auch erste Erfolge, wie Kim Krause, Umweltbeauftragter der Stadt, mitteilen konnte. Von den fünf Nistkästen seien drei belegt. Hierbei - wie auch bei der Zusammenarbeit mit Falknern - gehe es nicht darum, die Tauben zu töten. "Da geht es in erster Linie um die Vergrämung." Auch er spricht von einigen "Hotspots", wo es Probleme mit Tauben gebe und wo in unregelmäßigen Abständen eben Falken zum Einsatz kommen. Positive Auswirkung sieht der Umweltbeauftragte auch in dem Umzug des Kornhauses der ZG von Stockach nach Mühlhausen-Ehingen. "Das ist für die Taubenproblematik eine große Hilfe."

Ein neues Zuhause schaffen

Wieder einen anderen Weg gehen die Städte Singen und Radolfzell. "Die Stadt Radolfzell hat sich bereits vor einigen Jahren grundsätzlich dafür entschieden, das 'Regensburger Modell' umzusetzen", erklärt Pressesprecherin Natalie Reiser. Auf dem Dach der dortigen Universität wurden im Jahr 2012 Taubenschläge eingerichtet und Tauben darin umgesiedelt. Dort werden die Tiere versorgt und die Eier gegen Gipseier ausgetauscht. Die Taubeneier werden dann in Tierheimen oder an Jungfüchse verfüttert.

Das "Regensburger Modell" ist ein geschlossenes System, in dem die Tiere die meiste Zeit bleiben. Für Flugmöglichkeiten ist eine Voliere, also ein großer Käfig angebracht. In Radolfzell war "ein erstes Projekt die tierschutzgerechte Umsiedlung von Tauben aus einer städtischen Scheune in Böhringen", so Natalie Reiser weiter. Derzeit ruhe die Umsetzung, doch soll es im Herbst in Markelfingen wieder anlaufen.

Auch in Singen wird mit Taubenschlägen gearbeitet - allerdings mit dem "Augsburger Modell". Das heißt, den Tauben wird ein Ort geboten, um zu brüten und an dem sie artgerechtes Futter erhalten. Gleichzeitig können sie den Taubenschlag eigenständig verlassen, um herumzufliegen. "Das einzige, das nachhaltig hilft, ist das 'Augsburger Modell'", ist Eva Spaun von der Stadttaubenhilfe Singen überzeugt. Die MitarbeiterInnen dieser Initiative, die momentan daran arbeitet, ein eingetragener Verein zu werden, kümmern sich nicht nur ehrenamtlich um die Tiere, sondern betreuen auch rund 60 Nester, bei denen sie Eiertauschs vornehmen.

Seit rund einem Jahr ist der erste Singener Taubenschlag in der Fittingstraße in Betrieb. Angefangen wurde mit 20 Jungtauben, erklärt Eva Spaun. Mittlerweile sei es das Zuhause von gut 80 Vögeln. 367 Eier seien in dieser Zeit gegen Attrappen ausgetauscht worden. Sie wurden an die Tierrettung als Futter gegeben oder für Rabenvögel ausgelegt. Ein zweiter Taubenschlag in einem durch die Stadt ausgebauten Dachboden in der Innenstadt ist bereits in der Umsetzung. Drei weitere sollen folgen, für die aber noch Standorte gesucht werden.

"Wir sind dankbar, dass wir so gut zusammenarbeiten", betont Taubenhelferin Spaun hinsichtlich der Unterstützung durch die Stadt Singen. Denn das sei keine Selbstverständlichkeit.

Aufklärung gegen Vorurteile

"Es sind wunderbare Tiere", sagt Eva Spaun über die Stadttauben. Sie seien sehr sozial, monogam, standorttreu und beide Elternteile kümmern sich um den Nachwuchs. Es sei der Stadttaubenhilfe deshalb wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Was vielen Menschen unbekannt sei: Bei der Stadttaube handele es sich nicht um einen Wildvogel, sondern um verwilderte Haustiere, weil sie von Haustauben abstammen. Diese wurden als Fleisch- und Eierlieferant gehalten und - so wie heute das Huhn - entsprechend gezüchtet. Deswegen brütet die Stadttaube - unabhängig vom Nahrungsangebot - bis zu achtmal im Jahr. Daran ändere auch ein Fütterungsverbot nichts.

Die Rolle der Taube als Krankheitsüberträger werde laut Eva Spaun übertrieben. Das Infektionsrisiko sei nicht größer als bei anderen Tieren. Und die Ausscheidungen, an denen sich viele Menschen stören, seien ein Resultat von falscher Ernährung. Stadttauben sind Körnerfresser. Was sie in den Städten bekommen, ist also kein artgerechtes Futter und führt zu Hungerkot.

Regeln für den Menschen

So unterschiedlich die Maßnahmen sind, in einem wesentlichen Punkt gibt es Überschneidungen: das richtige Handeln der Menschen. Das beginnt beim Fütterungsverbot. Beispielsweise in Engen, wo es laut Ordnungsamtsleiterin Katja Lieberherr weder in der Vergangenheit noch derzeit größere Probleme mit Tauben gebe. "Demnach mussten bisher auch keine Maßnahmen diesbezüglich ergriffen werden." Dennoch gibt es ein Taubenfütterungsverbot auf öffentlichen Geländen. "Wer hiergegen verstößt, handelt ordnungswidrig und hat gegebenenfalls ein Bußgeldverfahren zu befürchten. Bisher hatten wir aber noch keine Probleme mit Personen, die Tauben füttern."

Auch in Stockach gibt es ein Fütterungsverbot. Ein Verstoß kann hier bis zu 5.000 Euro kosten. Aber: "In der Vergangenheit mussten wir noch keine Bußgelder verhängen und konnten auftretende Probleme einvernehmlich lösen", so Lars Heinzl. Auch die Reduzierung von potenziellen Nistplätzen wird als Beitrag zur Verringerung der Taubenpopulation gesehen. So soll bei der Installation von Solaranlagen darauf geachtet werden, dass Hohlräume zwischen Anlage und Dach abgedichtet werden. Denn dies seien lau Kim Krause "aufkommende Brennpunkte", wo sich große Brutkolonien bilden können.

Mit Konsequenzen muss auch rechnen, wer in Singen Tauben im öffentlichen Raum füttert. "Wenn das Ordnungsamt jemanden beim Füttern erwischt, wird konsequent ein Bußgeldverfahren durchgeführt." Als "Ersttäter" müsse man mit einer Geldbuße von 100 Euro rechnen. "Mehrtäter" zahlen auch mehr.

Bisher kein Fütterungsverbot gibt es hingegen in Tengen. Abhängig von der Entwicklung schließt Georg Völlinger aber nicht aus, dass ein entsprechendes Verbot in Zukunft erlassen wird.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.