Verzögerungen beim Abriss / Anspruchsvoller Rückbau des Hotels Viktoria
»Sisyphusaufgabe« und »Baukastenpuzzle«
Singen. Mit Hochdruck gehen die Abbrucharbeiten für das neue Einkaufs- und Dienstleistungszentrum gegenüber dem Singener Bahnhof voran. Dennoch ist ein zeitlicher Verzug zu den vorgestellten Plänen augenscheinlich. Im exklusiven Gespräch mit dem WOCHENBLATT erklärt der Projektleiter BAU der ECE, Mark Apelt, die Gründe hierfür, beruhigt zugleich aber. »Wir sind optisch hinten dran, aber dies ist kein Drama und die Zeitverzögerung ist problemlos aufzuholen«, so Apelt.
Im Holzerbau sind seit Anfang August umfangreiche Entkernungs- und Entsorgungsarbeiten im Gange, erklärt er. Derzeit sei man bei der Separierung der Bauteile im dritten Obergeschoss angekommen. Besonders die hochkomplizierten alten Schadstoffe seien eine »Sisyphusaufgabe«, betont Apelt. Einen Termin für den konstruktiven Abbruch des fünfstöckigen Holzerbaus könne er deshalb noch nicht nennen.
Mehr Sorgen bereiten dem Projektleiter BAU der ECE offensichtlich jedoch die vielen unterirdischen Bauteile im Bauabschnitt 1 auf dem Zollareal, wo der oberirdische Abbruch schon vollzogen ist. Dies sei in der Größenordnung nicht vorhersehbar gewesen. Leider seien die unterirdischen Schächte nicht exakt dokumentiert, ärgert sich Apelt.
Hier müssten entsprechende Leitungen verlegt und herumgebaut werden, was zu Zeitverzögerungen führe. Dennoch wolle man im Bauabschnitt 1 schnell nach unten kommen, sodass die Rohbauarbeiten Ende Oktober planmäßig beginnen können, erklärt der ECE-Projektleiter.
Anspruchsvoller Rückbau des Hotels Viktoria
Auch der komplexe Rückbau des denkmalgeschützten Hotels Viktoria lässt noch auf sich warten. Die Absprache zum Denkmalschutzkonzept habe länger gedauert als erwartet, gibt Apelt zu. Das Verfahren, um einen exakten Wiederaufbau zu ermöglichen, ist äußerst aufwendig. Fotogrammetrische Aufnahmen, detaillierte Oberflächenstrukturen und sogar die Nummerierung einzelner Steine sind hierzu wohl notwendig. Als »Baukastenpuzzle« bezeichnet er diese Aufgabe. Denn es gelte so viel wie möglich der sichtbaren Fassadenelemente beim Aufbau wieder zu verwenden.
Der entsprechende »Schlachtplan« liege laut Tilo Brügel, für den Denkmalschutz bei der Stadt Singen zuständig, allerdings noch nicht vor. Es sei eine sehr anspruchsvolle Herausforderung, die historischen Elemente des 1909 erbauten Gebäudes, soweit dies gehe, konstruktiv wieder aufzubauen. Gerade die Trennung der verschiedenen Baumaterialien sei nicht geklärt. Denn schließlich gehört das Hotel Viktoria »durch die Abkehr vom dogmatischen Historismus und Jugendstileinflüsse geprägten Architekturströmung an und dokumentiert eine für Singen bedeutsame Entwicklungsphase«, heißt es im Listentext des Denkmalamtes Baden-Württemberg. Stilbildend sind etwa die sogenannte Rustica und ein »polygonaler Erker mit geschwungener Dachhaube«.
Den Rückbau eines denkmalgeschützten Gebäudes habe es in Singen zuvor noch nicht gegeben und sei sicherlich ein Kompromiss, über den man nachdenken kann, so Brügel. Bei den Planungen für das Einkaufszentrum sei es wichtig gewesen, dass der prägende Straßenraum mit Hotel Viktoria, altem Zollhaus, Villa Wetzstein und grünem Haus erhalten und damit »Singens Identität« gewahrt werde, betont der Denkmalschützer.
- Stefan Mohr
Autor:Redaktion aus Singen |
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