Podiumsdiskussion Städtebau
Singen: Wundertüte, Zentrum, Puzzle und Baustelle
Singen. Kurzweilig und interaktiv aufbereitet wurde das zunächst trocken klingende Thema "Städtebau" bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des Stadtjubiläums "125x Singen" im Hegau-Museum am Donnerstag, 20. Juni. Im Austausch zwischen Experten und Besuchern gab es hier einen Blick auf die "Städtebauliche Identität einer jungen Stadt".
Prof. Leonhardt Schenk, Professor für Städtebau an der HTWG Konstanz und Gestaltungsbeirat in Singen, betonte dabei schon zu Beginn die Bedeutung der Umgebung Singens: Die Landschaft mit den Hegaubergen, sowie die Nähe zum See, "das ist unverwechselbar, das gibt es nur hier". Und durch noch einen weiteren Punkt zeichne sich die Stadt aus: "Singen ist immer für eine Überraschung gut." In kürzester Zeit seien etwa die Stadthalle, das CANO oder der Hegau Tower entstanden. Zu letzterem fügte er hinzu: "Ich wusste nicht, ob ich das gut finde. Aber manchmal ist auch eine Überraschung gut."
Leben in der Innenstadt
Dass sich Singen in den vergangenen Jahren im Städtebau stark gewandelt hat, darüber waren sich alle Teilnehmer auf dem Podium einig. Das erfuhr Moderator Dr. Thomas C. Uhlendahl unter anderem von Susanne Breyer. Die Singener Regisseurin ist familiär vorgeprägt: Ihre Eltern waren Teil des Bauforums in der Stadt und hätten dabei "Bausünden mit verhindert", so Breyer selbst. Etwa durch den Erhalt alter Gebäude in neugestalteten Straßenzügen, wie rund um das Einkaufszentrum CANO, habe Singen "ein städtebauliches Gesicht bekommen".
Die Innenstadt und ihre Einkaufsmöglichkeiten ziehen dabei auch einige BesucherInnen aus dem weiteren Umland an. Zu Wünschen übrig lässt dort jedoch die Aufenthaltsqualität. Hier setzt das Konzept "Innenstadtentwicklung Singen 2040" an, wie Thomas Mügge, Fachbereichsleiter Bauen der Stadt Singen, erklärte. Ein Ansatz sei etwa der Ausbau der Gastronomie. Als mangelhaft wurde zudem das Sicherheitsgefühl "nach Ladenschluss" und die Auswirkungen des Klimawandels durch einen Innenstadtbewohner aus dem Publikum hervorgehoben. Damit leitete er eines der meistdiskutierten Themen des Abends ein.
Der Balanceakt zwischen Nachverdichtung und Nachhaltigkeit
Jeder Umbau für mehr Schatten, Grün oder Wasser sei mit enormen Kosten verbunden, so Thomas Mügge, weshalb es auf ein gesundes Gleichgewicht aus planerischem Ehrgeiz und Realismus ankomme: "Bereits umgebaute Gebiete können wir nicht wieder im großen Stil umbauen." Spielräume sehe er mit dem Entwicklungskonzept für die Innenstadt, wo eine Spur der Straßen entsiegelt werden könnte. Dass Wasser und Schatten auch gut temporär oder im Nachhinein eingebracht werden können, betonte Leonhardt Schenk. Generell müsse bei baulichen Veränderungen immer auch die Klimaanpassung einbezogen werden.
Doch letztlich werde auch der Wohnraum dringend gebraucht, wie er betonte: "Wenn nicht nachverdichtet wird, ist das auch eine Katastrophe." Hier einen guten Mittelweg zu finden, zählt laut dem freien Architekten und Gestaltungsbeirat Günter Hermann zu den Aufgaben der Verwaltung: "Die Stadt muss immer die Stadt definieren." Dadurch kann ein Maß vorgegeben werden, dass sich aber im Laufe der Zeit verändere. "Die Lebensqualität in Städten steigt Jahr für Jahr, wenn keine großen Fehler gemacht werden."
Mehr als Wohnen
Dabei gab der Bedarf an Wohnraum vor 125 Jahren den Startschuss zum massiven Wachstum der Stadt: Nach dem Bau des Bahnhofs und der Ansiedlung einiger Großbetriebe stieg der Bedarf an Arbeitskräften und Wohnungen. Während laut Thomas Mügge in Singen verschiedenen Bauphasen sichtbar seien - von Häusern in kleinen Siedlungen bis zum Geschosswohnungsbau - werden heute meist Quartiere entwickelt. Hierbei entstehen kleine Sozialräume, die mehr bieten als "nur" Wohnen: Auch soziale oder kulturelle Einrichtungen, Verweilmöglichkeiten sowie kleinere Läden können mit entstehen.
In eine solche Richtung soll das Baugebiet Tiefenreute-Bühl gehen. Ziel sei laut Mügge, dass sich die BewohnerInnen auch mit ihrem Quartier identifizieren und ganz unterschiedliche Menschen dort leben. Oft entwickle sich diese Heterogenität erst mit der Zeit, ergänzte er, anders im Malvenweg, wo erstmals bewusst eine Mischung aus sozial gefördertem, Miet- und Eigentumswohnraum bei gleicher Qualität entstand.
Neben den Einkaufsmöglichkeiten, hat Singen auch durch seine Kultureinrichtungen, wie Stadthalle und Färbe, eine zentrale Rolle in der Region. Dazu zählt Britta Panzer, Stadtarchivarin in Singen, insbesondere die Stadtbibliothek als Verweilort in der Innenstadt. Was für Susanne Breyer zudem noch fehlt, ist "Kultur, die wenig kostet", sowie eine kleine Uni oder Hochschule.
Und was ist nun die Identität der Stadt Singen?
Diese Frage war zunächst für Susanne Breyer Gelegenheit zur Werbung für das von ihr hierzu geschriebene Theaterstück anlässlich des Jubiläums, wobei die Frage im Verlauf des Stücks immer wieder neu gestellt werde. Unter dem Namen "125 Jahre Stadterhebung Singen - Zwischen Vision und Wirklichkeit" feiert es am 22. November Premiere in der Basilika.
Als tatsächliche Antworten ergab sich dann das Bild einer Stadt im ständigen Wandel, die sich insbesondere zuletzt stark verändert hat und noch weiter verändern wird. Günter Hermann findet dabei, dass Singen an Identität hinzugewonnen hat und für diesen gestalterischen Mut auch belohnt wird.
Britta Panzer zitierte zudem eine Antwort aus einer Umfrage des Stadtarchivs, nach der Singen wie ein Puzzle sei: Verschiedene Teile, die am Ende ein stimmiges Ganzes ergeben. Aus den vielen Rückmeldungen der Umfrage zog sie dabei einen gemeinsamen Nenner: "Die Singener sind unglaublich stolz auf ihre Stadt."
Autor:Anja Kurz aus Engen |
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