Statements aus der Region nach dem Brand der Scheffelhalle in Singen
Oden und Tränen für den »Stall der Ställe«
Singen. Viele Hegauer und Singener nehmen nicht Abschied von »ihrer« Scheffelhalle, den sie rechnen mit einer baldigen Auferstehung wie diese Auswahl an Einsendungen aufzeigt. Ganz wichtig: die Online-Petition unter www.scheffelhalle.com zum Wiederaufbau.
Als die Fahnen durch die Lüfte wirbelten
Von 2010 bis 2016 war ich Mitglied im Fahnenschwingerverein FSH: Fahnenschwinger Singen am Hohentwiel.
Die Scheffelhalle diente für uns als Trainingshalle, einmal die Woche; wir hatten einen Schlüssel zu den großen Holztüren. Es war so viel Platz. Wir übten auf dem knarzenden Holzdielen des Parkettbodens und auch auf der Bühne selber.
Pausen machten wir auf der Treppe zur Bühne. Oft mussten wir die Tische und Stuhlstapel von vorangegangenen Veranstaltungen zur Seite schieben, um uns Platz zu machen und ab und zu schaute auch mal der Hausmeister vorbei.
Es war eine schöne, unvergessene Zeit. Es tut mir im Herzen weh, dass diese wunderschöne, alterwürdige und anmutige Halle ein solches schlimmes Schicksal erlitt. Die Halle war immer präsent, auch später, wenn wir im Aachbad waren. Sie stand einfach da und gehörte dazu.
Ich war noch nicht am Ort. Ich traue mich irgendwie nicht. Ich weiss nicht, wie ich mich fühlen werde, wenn ich sehe, dass da nichts mehr ist bzw. nur noch die drei Mauern. Die einst präsente Halle ist einfach weg?
Ja, die Fastnacht sie war hier zuhause. Friederike Braun, Singen
Ein Ort gelebter Integration
Eines der Singener Urgesteine, beziehungsweise unser »Tempel« ist abgebrannt und somit ist für viele Menschen hier in SINGEN ein Stück Heimat von uns gegangen.
Ich lebe schon mein ganzes Leben hier in Singen. Meine Großeltern waren Gastarbeiter.
Zusammen haben sie mit anderen Gastarbeitern auch die ausländischen Vereine mitgeprägt.
Ich verbinde mit der Scheffelhalle erfolgreiche, interkulturelle Integration und erinnere mich an die vielen Feste die wir mit den mit Bürgern und Bürgermeistern Singens haben feiern dürfen. Egal welcher Herkunft. Es waren immer alle willkommen und es kamen auch alle gerne... Italiener, Portugiesen, Spanier, Griechen, Türken und andere Nationalitäten und natürlich unsere deutschen Freunde.
Die Scheffelhalle war für uns immer der Höhepunkt des Jahres!
Wochen vorher waren unsere Großeltern und Eltern mit der Planung und der passenden Kleidung für diese besonderen Abende beschäftigt.
Durch das Jahr hindurch haben diese Feste unser Leben bereichert, unsere sozialen Kontakte gestärkt, unsere Freude belebt und uns »Gastarbeiterkinder« als Singener Bürger fühlen lassen. So werde ich diese Halle immer als ein Ort für Integration, Kultur und Gemeinschaft in Erinnerung behalten!
Taryn-Cinzia Domínguez, Singen
Fast alleine mit den »Flippers«
»Legendär war neben so vielen Konzerten vor 50 Jahren - eine Zeit in der man nocht nicht alls mit dem Handy fotografierte und nur die Musik im Kpf hatte - die Nicht-Ankunft von (ich Crosby, Stills, Nash and Young. Die waren damals irgendwie im Verkehr stecken geblieben. Das ganze Publikum stand aber bereits vor der Scheffelhalle bereit…
Und einmal haben sich meine Freundin und ich zu einem Konzert der »Flippers« geschlichen. Einfach, um mal zu sehen, was da so abgeht. Und siehe da, die Scheffelhalle war bis auf ganz ganz wenige Leute leer. Das Konzert fand nicht statt, wir bekamen unser Geld zurück. Sehr umsichtig haben wir uns wieder aus der Halle entfernt; sehr darauf bedacht, dass uns bloß keiner sieht…«
Bianca Trebbe, Engen.
Eine Ode an den »Stall der Ställe«
»Wie tief sitzt der Schmerz bei uns all! Damals als Provisorium entstande, häsch Du alles überstande.
In fünf Johr hättsch die Hundert voll g´macht, mei hättet mir do g´lacht, und a großes Feschtle g´macht.
Doch leider isches nu vorbei, mit all der tollen Narretei.
So viel Erinnerunge hänget a dir, so goht´s au it nu mir.
Scho als kleiner Bue ich über das Parkett kroch, später selbst a dä Bar sell ein oder andere Bierle soff, so au nu mine Kinder die Hall nu zu schätze wusste, wo i mi erschte Freundin küsste.
Viele könnet sicherlich G´schichte verzelle, was sie dertmols alles i de Hall erlebte.
Nun gibt’s kei „Ball der Bälle im Stall der Ställe!“ mehr, der Verluscht deines Daseins schmerzt us sehr!
Doch im Herze und Gedanke, sag i noch a mol Danke!
Hoorig!!!!!
Tobias Hennes, Arlen
Wir sind dabei beim Wiederhaufbau
Die Vereinsarbeit liegt brach; Proben sind nicht möglich. Dabei hatte sich der Männerchor Singen e.V. für 2020 so viel vorgenommen.
„Und nun ist zu allem Corona-Elend auch die Scheffelhalle noch abgebrannt“, so der Vorsitzende des Chors, Gerhard bumiller. „Natürlich sind auch wir vom Männerchor Singen schockiert und betroffen, ist doch die Scheffelhalle ein „Kind“ des Chorgesangs.“
Der Männergesangverein 1859 kann als Vater der Scheffelhalle gelten, die – unter maßgeblichem Einsatz des Architekten Hug als 1. Vorsitzenden – 1925 in dreimonatiger Bauzeit für das Sängerfest des Bodensee-Hegau-Sängerbundes gebaut wurde. Dieses Sängertreffen führte 30.000 Sangesfreunde nach Singen – ein Mega-Event also. Und natürlich sang damals auch der Männerchor Konkordia Singen kräftig mit. Der Bau der Scheffelhalle hatte im Nachgang übrigens zu einer ernsten Krise des Vereins geführt, der sich mit dem Bau wie auch der Organisation des Sängerfestest ordentlich übernommen hatte. Nur eine Übernahme der Halle durch die Stadt wie ein Engagement von Singenern mit Anteilsscheinen, die der damalige Vorsitzende Peter Oexle auf den Weg gebracht hatte, um einen geforderten Anteil des Chors von 35.000 Reichsmark einzubringen, was in den Singener Jahrbüchern von 2006 und 2010 dokumentiert ist in Beiträgen.
Mit der Scheffelhalle identifizieren sich beide Chöre, die seit 2011 zum Männerchor Singen fusionierten. Große Konzerte führten die beiden Singener Chöre in der Scheffelhalle auf. Dabei kam es zu vielfältigen Kooperationen. Aus einem Konkordia-Projekt, der „Operngala“ 1991, ging 1992 der Frauenchor Singen hervor.
„In dieser historischen Tradition (und als Mitglied des Scheffelhallen-Fördervereins) wünschen auch wir uns einen Wiederaufbau dieses einmaligen Kulturdenkmals – im Idealfall architektonisch natürlich nahe am Original. Denn auch das hundertjährige Jubiläum der Halle 2025 hatten wir bereits im Blick. Eine „Arbeitsidee“ war neben Veranstaltungen der Chorverbände auch ein großes Konzert in der Scheffelhalle – eventuell eine Wiederaufnahme der Operngala,“. so Gerhard Bumiller als Vorsitzender des Männerchor Singen.
Der Männerchor Singen ist der Ansicht, dass alle, die sich dem heimischen Brauchtum und der modernen kulturellen Tradition der Scheffelhalle mit ihren Konzerten usw. verpflichtet fühlen, sich für einen Wiederaufbau engagieren sollten. Der Männerchor Singen sagt: »Wir sind dabei!«
Vielleicht mit Architektenwettbewerb
Gut eine Woche nach dem verheerenden Brand der Scheffelhalle, der eines der Singener Identitätsmerkmale in Schutt und Asche legte, hat sich die CDU-Fraktion klar für einen Neubau ausgesprochen, wie Fraktionsvorsitzender Franz Hirschle am Mittwoch mitteilte.
Am Anfang soll für die CDU-Gemeinderäte hier die ausführliche und gründliche Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes mit allen interessierten Bürgern, den Vereinen, der Verwaltung sowie des Gemeinderates stehen so Hirschle. Eine Machbarkeitsstudie solle im Vorfeld aber erst mal nicht erarbeitet werden, so Hirschle. Diese würde unnötige Kosten verursachen und sei auch nicht indiziert, so lange es noch kein Nutzungskonzept gebe, welches ja dann bestimmte Baumerkmale nach sich ziehen würde. Vorschlagen wird von der Fraktion auch ein Architektenwettbewerb als weiteren Schritt für einen Neubau der Halle.
Hello Again für die »Scheffelhalle 2.0«
»Viele lieben den Bodensee, aber die Scheffelhalle die lieben wir alle. Words don´t come easy, aber es ist Time to say goodbye.
Du warst ein ehrenwertes Haus. 1000 und 1 Nacht haben Michaela, Anita, Cordula Grün und Joana die Hände zum Himmel gestreckt. Für dich soll es rote Rosen regnen.
Ein Kompliment und hoffentlich heißt es irgendwann Hello Again Scheffelhalle 2.0«
Solveig Dabkowski, Singen.
Ein Stück Asche als der letzte Gruß
Zahlreiche Veranstaltungen u. Konzerte wurden vom Männergesangverein Singen, dem »erbauer« der Scheffelhalle auch in den Jahren danach aufgeführt. Ein solches Konzert fand am 15 August 1954 als »Johann-Strauß-Abend« mit anschließendem „Tanzvergnügen“ statt. Hier habe ich meine Frau kennengelernt: im vergangenen Jahr feierten wir unsere diamantene Hochzeit!
Als Chorsänger beim MGV seit 1952 habe ich bei zahlreichen Konzerten teilgenommen. Auch habe ich viele Jahre in den Narrenspiegeln der Poppelezunft im Poppelechor mitwirken dürfen. So wurde mir die Scheffelhallein den Jahrzehnten vertraut.
Um so mehr sind meine Frau u. ich betroffen und sehr traurig über die nächtliche Zerstörung. Anderntags fanden wir ein kleines Stück verkohltes Holz auf unserem Balkon in der Goethestraße, das der Wind bis hierher wehte: ein letzter Gruß von unserer ehrwürdigen Scheffelhalle, den wir als Erinnerung sorgsam aufbewahren werden.
Dieter Rein, 84 Jahre, Singen
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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