Lage bei der Kinderbetreuung wird prekärer
Klare Ansagen zum Handeln an die Politik
Kreis Konstanz. An Warnsignalen mangelt es derzeit durchaus nicht, was die Personalsituation in den Kindergärten und Kitas betrifft. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg ergriff kürzlich durch seinen Vorsitzenden Gerhard Brand medienwirksam das Wort und wies darauf hin, dass in einem Drittel der Kitas inzwischen an vier von zehn Arbeitstagen nicht einmal mehr eine Minimalbesetzung vorhanden sei. Das entspreche nicht den Vorgaben, um einer Aufsichtspflicht nachzukommen, moniert der Verband, der mit der Vorstellung seiner Zahlen allein 80.000 neue Stellen für Kitas in Baden-Württemberg einforderte, um eine ausreichende Personaldecke sorgen zu können.
In eine ähnliche Bresche schlug nun am Montag der paritätische Wohlfahrtsverband, der bundesweit »alarmierende Befunde« nach einer Umfrage vom letzten Sommer ausmacht, die nun vorgestellt wurde. Jede zweite Kita könne danach ihre Kapazitäten nicht voll ausschöpfen, weil es an Personal mangelt.
Die Alarmsignale gibt es durchaus auch hier in der Region. Für Aufsehen sorgte unlängst die Stadt Konstanz. Nach aktuellen Zahlen sind dort trägerübergreifend insgesamt 80 Vollzeitstellen für ErzieherInnen unbesetzt – dadurch könnten 150 Plätze für Kinder über drei Jahren und 20 Plätze für Kinder unter drei Jahren nicht angeboten werden, obwohl die räumlichen Kapazitäten eigentlich vorhanden wären. »Es ist eine dramatische Situation, wir haben in den letzten Jahren viel in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert. Das alles steht und fällt mit der Frage, ob und wann wir das notwendige Personal dafür finden«, sagte der Leiter des Sozial- und Jugendamtes, Alfred Kaufmann, dazu.
Das Thema Fachkräftemangel für die Kitas beschäftigt die Kommunen hier im Landkreis gerade gleichermaßen heftig – mit Schwerpunkt freilich in den Städten. Die Stadt Konstanz hat bereits im Herbst vergangenen Jahres eine Strategiegruppe Fachkräfte gegründet, um das Problem gezielt anzugehen. Das Gremium besteht aus VertreterInnen freier Träger, der Stadt und der Elternschaft. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wollen die Teilnehmenden eine gemeinsame Strategie entwickeln, um beispielsweise eine Konkurrenz zwischen den Einrichtungen und Trägern zu vermeiden. Neben der Gewinnung zusätzlicher
Fachkräfte ist ein weiterer wichtiger Punkt, das bereits bestehende Personal in Konstanz zu halten. Sogar von der Anwerbung von Erzieherinnen im Ausland ist hier die Rede.
Spürbarer Mangel
In Radolfzell hat der Gesamtelternbeirat Kita schon zu den Haushaltsverhandlungen einen Brandbrief platziert gehabt. »In einigen Kitas ist der Personalmangel spürbar groß und führte bereits zur generellen Kürzung der Betreuungszeiten und auch zur vorübergehenden Schließung ganzer Gruppen bei krankheitsbedingten Ausfällen«, kritisieren die Eltern darin. Die Lage habe sich seitdem auch nicht wesentlich entspannt, etwa durch eine Reduzierung der Corona-Ausfälle, war auf Nachfrage zu erfahren. In Radolfzell ist die Situation durch fehlende Kita-Plätze zusätzlich angespannt, nachdem sich eine neue Kita in der Hebelstraße verzögere, nachdem es keine Bieter bei einer Ausschreibung gegeben hatte.
Städte wollen mehr Förderung
In Singen ist der neu erbaute Kindergartencontainer an der Paulus-Kirche ein Symbol der Krise, die schon länger anhält. Die Stadt Singen hat für den kirchlichen Träger den Container für eine dritte Gruppe im Winter erstellt, in Betrieb genommen werden kann er freilich derzeit noch nicht. Es fehlen die Mitarbeiter dafür. Der Träger hofft nun, auf Anfang September starten zu können und ist intensiv auf Personalsuche, schon wegen der Warteliste für die Kita-Plätze. Wie Leonie Braun, Abteilungsleiterin für den Bereich Erziehung auf Anfrage des Wochenblattes mitteilte, waren im Mai in allen Singener Kitas insgesamt 12 Vollzeitstellen und
11 Teilzeitstellen vakant, was nach sich zog, dass 45 Kita-Plätze deswegen nicht belegt werden konnten.
Die Stadt selbst wirbt intensiv für die Ausbildung, vor allem die sogenannte PIA-Ausbildung (Praxisintegrierte Ausbildung), bei der auch von Anfang an schon Geld verdient werden kann, und die Stadt unterstützt dabei die Träger auch finanziell.
Die Forderung aus Singen ist klar in Richtung Politik: »Wir sehen dringenden Bedarf darin, dass der Gesetzgeber den vorgeschriebenen Fachkräftekatalog für die Arbeit in Kitas überarbeitet und den aktuellen Gegebenheiten anpasst. Vor allem die fachliche Kompetenz der Kindertagespflegepersonen sollte hier mehr Beachtung erhalten. Das Land und der Bund müssen deutlich mehr in die Finanzierung für Kindertagesbetreuung (Kita und Tagespflege) einsteigen und die Kommunen unterstützen. Das aktuelle Investitionskostenförderprogramm ist völlig überzeichnet und wird aktuell nicht neu aufgesetzt«, schreibt Leonie Braun.
Angespannte Lage
In Stockach sind für das kommende Kindergartenjahr noch drei Stellen unbesetzt und ausgeschrieben, antwortet Hauptamtsleiter Hubert Walk. Das ist freilich nur ein Teil der Nachricht: »Die Personalsituation ist aber sehr angespannt und eine Reduzierung des Angebotes wegen nicht besetzter Fachkraftstellen kann nicht ausgeschlossen werden«, so Walk hier weiter. In der Stadt gibt es 14 Kitas mit 867 Plätzen im Bedarfsplan. Auch dort liegt der Fokus klar auf Ausbildung, auch für Quereinsteiger. »Dem Modell ›sozialpädagogische Assistenz‹ stehen wir hier offen gegenüber und würden uns das auch von anderen Trägern im Landkreis wünschen«, so Walk weiter.
Schlüssel ist das Personal
»Über alle Einrichtungen hinweg gibt es immer wieder unbesetzte Stellen und die Einrichtungen müssen schauen, wie sie dies mit ihrem vorhandenen Personal aufgefangen bekommen«, berichtet Martina Stoffel aus dem Hauptamt der Gemeinde Gottmadingen. Vor allem die Corona-Zeit wurde, wie in allen Städten, als ganz besondere Belastung gesehen, die auch noch nachwirkt. »Häufig muss man länger warten, bis man auf eine Stellenausschreibung eine passende Bewerbung erhält«, ist ein Aspekt, auch wenn man dort einige Erfolgserlebnisse vorweisen kann. »Das Angebot, das wir mit allen Trägern zusammen erarbeiten, trägt sich nur mit ausreichendem und gut qualifiziertem Personal. Das ist der Schlüssel zu allem«, so Bürgermeister Dr. Michael Klinger in seinem Statement dazu. Und: »Es muss Wege zu einer attraktiven Bezahlung geben, die das Interesse an der Ausbildung und Tätigkeit in der Kinderbetreuung steigern, auch für Quereinsteiger.«
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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