125 Jahre Stadtplanung
Ein kurzweiliger Ausflug in die Geschichte der Stadt Singen
Singen. Ein Theater über die bauliche Entwicklung einer jungen Stadt. Kann das denn unterhaltsam sein? Mit „125 Jahre Stadtplanung Singen - Zwischen Vision und Wirklichkeit“ gibt Autorin und Regisseurin Susanne Breyer eine Antwort. Denn bei Stadtplanung geht es am Ende um Geschichte und die Menschen darin.
Ihr Ziel sei es dabei gewesen, „Geschichte lebhaft und unterhaltsam unter die Leute zu bringen“. Das schafft das Stück mit viel Abwechslung, trotz einfacher Kostüme und einem Bühnenbild aus wenig mehr als zwei Stühlen, einem Schreibtisch, einigen Kisten und projizierten Hintergrundbildern. Mehr braucht es auch nicht bei diesem rund 90-minütigen Stück.
Mix aus Amateuren und Profis
Mehrheitlich werden die Figuren von unerfahrenen Darstellerinnen und Darstellern gespielt, viele davon sind bei der Stadtverwaltung Singen beschäftigt. Jeweils in mehreren Rollen tauchten auf: Anastasia Fitterer, Britta Panzer, Janine Körner, Patrizia Messana, Barbara Jordan, Anita Bader, Elina Batzel, Thomas Mügge, Norman Balß, Tilo Brügel und Jeremiah Lischka. Ebenfalls verschiedene Rollen spielten Carlton Bunce und Josef Vossenkuhl, die als professionelle Schauspieler das Ensemble ergänzten.
Diese beiden trafen dann auch gleich in der ersten Szene als Kelte und Alemanne nahe „Sisinga“ aufeinander. Dabei wurde offenbart, dass das Geheimnis der heutigen Maggiwürze auf einem alemannischen Rezept basieren könnte, das unter anderem aus Liebstöckel und Auerochsenfleisch besteht. Schnell ging es dann aus der Urzeit über zu Singen als Stadt im 20. Jahrhundert. Von ihrer rasanten Entwicklung nach dem Bau des Bahnhofs in Singen erzählte ein Chor: „Mit der Menge an Menschen, wachsen auch die Probleme, die gelöst werden müssen.“ Die Bereitstellung von Wasser oder die Beseitigung von Abwasser und Müll kann bei einer schnell wachsenden Einwohnerzahl zur Herausforderung werden. Doch stellte der Erzähler-Chor dem Publikum auch eine gänzlich andere Frage: Wann empfinden wir eine Stadt als schön?
Dieser Gedanke trug sich unterschwellig auch durch die weitere Reise verschiedener städtebaulicher Herangehensweisen, die im vergangenen Jahrhundert Singen prägten. Von der „Gartenstadt“, wie sie etwa in der Rielasinger Straße noch zu erahnen ist, die die Vorzüge des Stadt- und Landlebens verbinden sollte. Über rasante Wachstumspläne, nach denen die Gemarkungen Rielasingen und Worblingen früher oder später zu Singen gehört hätten. Gewaltige Pläne, die jedoch vom Zweiten Weltkrieg jäh verdrängt wurden. Über die von deutschen Kriegsgefangenen gebaute Theresienkapelle, nach dem Ende des Krieges. Bis hin zur rigorosen und einschneidenden Vision des Oberstadtbaudirektors Hannes Ott, dargestellt durch Josef Vossenkuhl.
Gerade ihm und seiner Idee einer Stadt Singen, die er vom Durcheinander zu „einer Stadt aus einem Guss“ im Stil der amerikanischen Moderne verwandeln wollte, war ein großer Teil des Stücks gewidmet. Egal ob in den von ihm gebauten breiten Straßen oder den alten Häusern, die wegen ihm abgerissen wurden und nicht mehr zu sehen sind, ist sein Wirken noch heute in der Stadt erkennbar. Seine Vorstellungen reichten bis zu einer 100.000-Einwohner-Stadt, die wie ein Band nach Radolfzell reichen sollte. Doch wurde er darin 1970 jäh aufgehalten, durch die Gründung eines Bauforums. Das kämpfte für den Erhalt alter Gebäude, für mehr Transparenz bei den Planungen und verhinderte beispielsweise die Verlängerung der Ekkehardstraße. Dass Ott davon so gar nichts hielt, zeigte sich in einem fiktiven Interview zwischen ihm und Susanne Breyer als Reporterin, deren Mutter Gudrun Breyer tatsächliche erste Vorsitzende des Forums war. Dabei musste dann sogar der aufbrausende Oberstadtbaudirektor zugeben, dass die Menschen in dem Bauforum gerade wegen ihres Knowhows so anstrengend waren.
Der Kultur in der Stadt widmeten sich anschließend die „Kulturmusen“ und beleuchteten die einstige Singener Festspielhalle, wie auch die vielen Gasthäuser als Zentren kulturellen Lebens, von denen allerdings heute nur noch das Gasthaus Kreuz existiert. Lichtblick ist der Wiederaufbau der Scheffelhalle, die, 1925 ohne Architekt durch einen Männergesangsverein als Provisorium gebaut, sehr erfolgreich wurde, aber sehr zum Leid der Musen 2020 abgebrannt war.
So vielfältig die Geschichte der Stadt ist, so schwer ist es auch, ihr eine eindeutige Identität zu geben. Stadtbauamtsleiter Thomas Mügge, der ebenfalls mitspielte, versuchte sich jedoch darin und definierte Singen als „Museum für Städtebau und Architektur“.
Flughafen, Festspielhalle und mehr
Das Stück bietet als Singener Original einen Mix aus Stadtgeschichte, Spurensuche, die Erinnerung an Vergangenes, dadurch auch eine Mahnung davor, das vermeintlich alte und nutzlose vorschnell aus dem Weg zu räumen. Wohl jede und jeder wird bei einem Besuch des Stückes noch etwas dazulernen, über die Stadt unterm Hohentwiel. Wer also wissen will, was es mit einer Singener Festspielhalle auf sich hat, wo Hannes Ott einen Flughafen bauen wollte, welche unzweifelhaften Ähnlichkeiten Singen mit Rom hat und was Großspurigkeit damit zu tun hat, kann sich das Stück an folgenden Tagen in der Aula des Hegau Gymnasiums noch selbst ansehen:
Freitag, 29. November, 20 Uhr
Samstag, 30. November, 20 Uhr
Sonntag, 1. Dezember, 18 Uhr
Autor:Anja Kurz aus Engen |
Kommentare