Interview mit der CDU-Fraktionsvorsitzenden Veronika Netzhammer
»Die Sorgen der Bürger ernstnehmen!«

Netzhammer CDU | Foto: Veronika Netzhammer in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete. swb-Bild: Archiv
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Singen. Nach fast dreißig Jahren im Gemeinderat verabschiedet sich die ehemalige Landtagsabgeordnete. Für die Zukunft wünscht sie sich mehr Grün - für eine lebenswerte Stadt.

WOCHENBLATT: Guten Tag, Frau Netzhammer, am 23. Juli ist die konstituierende Sitzung des Singener Gemeinderates, bei der sie verabschiedet werden. Beschleicht Sie ein bißchen Wehmut – schließlich sind Sie seit 1990 für die CDU im Gemeinderat?

Veronika Netzhammer: 25 Jahre avon als Fraktionsvorsitzende. Wehmut ist der falsche Begriff. Ich bin zufrieden: Singen hat sich in der Zeit entwickelt.

WOCHENBLATT: Was bewegte Sie damals eigentlich in die Politik zu gehen?

Veronika Netzhammer: Ich bin ein politischer Mensch. In meiner Studienzeit Anfang der 70er Jahre war ich in Mannheim bei der Asta aktiv – da durfte man nicht schüchtern sein. Aufgrund der Zeitintensität, wollte ich aber erst einmal beruflich Boden unter den Füßen haben.

WOCHENBLATT: Sie kommen aus Achern, haben in Mannheim studiert: Ich muss ihnen nicht sagen, dass es eine Frau in Südbaden nicht leicht hat, sich politisch so zu profilieren, wie sie das damals taten?

Veronika Netzhammer (lacht): Es ist heute nicht leichter geworden. Vorteil ist die Persönlichkeitswahl zum Gemeinderat. Ich habe 1990 gleich Wahlkampf gemacht und meine Meinung geäußert vor der Wahl – vielen unterschätzen die Wirkung von Leserbriefen – und dann natürlich im Parlament.

WOCHENBLATT: 1994 übernahmen Sie den Fraktionsvorsitz, im selben Jahr zogen sie in den Kreistag, zwei Jahre später in den Landtag, in dem sie 15 Jahre wirkten?

Veronika Netzhammer: Ein bedeutsamer Einschnitt war die OB-Wahl von Andreas Renner, der obwohl Singen als SPD-Stadt galt gleich im ersten Wahlgang 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Ich war in seinem Wahlkampfteam.

WOCHENBLATT: Wie setzten sie sich als Landtagskandidatin der CDU durch und vertraten die Region in Stuttgart bis 2011?

Veronika Netzhammer: Ich habe damals den ganzen Hegau abgeklappert. Viele Gespräche geführt und mich gegen den Hilzinger Bürgermeister Franz Moser in einer Stichwahl mit einer Stimme durchgesetzt.
In den Folgejahren hatte ich großen Rückhalt in der Partei und den Bürgern. Zum einen durch das Erreichte. Aber ich war auch viel unterwegs – da hilft kein You-Tube-Video. Es gilt Themen zu bearbeiten, die die Menschen betreffen, wie soziale Themen, »Kein Kiesabbau im Dellenhau«, aber auch den Klimaschutz.

WOCHENBLATT: Welche ihrer politischen Entscheidungen sind ihnen im nachhinein besonders wichtig?
Veronika Netzhammer: Spontan fällt mir die Einrichtung des neuen Polizeireviers in Singens ein. Aber natürlich auch das Gymnasium in Engen. Die große Schule in Eigeltingen. Und in Singen der Bau der Stadthalle.
WOCHENBLATT: Klimaschutz ist derzeit in aller Munde – die CDU tut sich bundespolitisch damit ein bisschen schwer – sie haben in den letzen Jahren glaubwürdig hierfür Partei ergriffen.

Veronika Netzhammer: Ich plädiere für eine lebenswerte Stadt, in der wir die Fehler der 60er Jahre vermeiden. Statt Nachverdichtung um jeden Preis sollten Städte auch an Grün in der Innenstadt und Bäume denken. Meine Klimaanlage zuhause ist ein großer Baum auf der Südseite.
Die Landesgartenschau 2000 ist die grüne Lunge der Stadt. Nicht ohne Grund bin ich ja die Vorsitzende des Stadtparkfördervereins. Es ist heute fast unvorstellbar, dass zwischen der heutigen Stadthalle und Aach ein Parkplatz lag.
Das Land könnte Projekte für Grün in der Stadt fördern, aber beim Klimaschutz ist auch der Gesetzgeber sowie jeder einzelne von uns gefragt.

WOCHENBLATT: Die CDU hat bei der letzten Gemeinderatswahl in Singen zwei Sitze und ihre Gallionsfigur verloren. Welchen Rat geben sie ihrer Fraktion?

Veronika Netzhammer: Keinen Rat! Man sollte sich thematisch nicht einengen. Die Stimmen für die AfD lassen sich auch damit erklären, dass man Sorgen in der Bevölkerung nicht genügend berücksichtigt hat.
Meine politische Erfahrung hat mir eines klar gemacht, die Bürger brauchen nicht immer die Premium-Lösung – aber es muss etwas passieren.

- Stefan Mohr

Autor:

Redaktion aus Singen

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