Vieldeutiger Neujahrsempfang von IHK und Handwerkskammer mit Prof. Michael Hüther
Die Schnellen fressen die Langsamen
Singen (of). Die Singener Stadthalle war am Donnerstagabend der Nabel der Wirtschaftswelt zwischen Hochrhein und Bodensee. Über 1.000 Gäste waren der Einladung von IHK und Handwerkskammer Konstanz zum Neujahrsempfang gefolgt, zu dem Professor Dr. Michael Hürther, des Direktor des Deutschen Instituts der Wirtschaft in Köln zum Thema „Fit für die Zukunft? angekündigt war. Dabei war der Emfpang eine recht kompakte Angelegenheit: drei Redner auf der Bühne, dazwischen die allerdings sehr spannenden Stücke des „Raphael Jost Standards Trio“ aus Diessenhofen, das hier ganz lässig aufspielte.
Ein Jahr mit guten Bedingungen und exzellente Ergebnissen, das war 2017 für Thomas Conrady als Präsident der IHK die Bilanz für 2017 für die Region. Doch das in einer Zeit zuweilen abenteuerlicher Geschwindigkeitsdifferenzen in der Welt, in der für ihn die Uhren eigentlich immer ungleicher laufen. Eine Zeit in der die einen immer schneller voraneilen, die anderen aber immer weiter zurückbleiben. Man sei hier in einer der glücklichsten Regionen der Welt, wenngleich die Welt um diese Regionen in vielfacher und zuweilen spannungsreicher Bewegung sei. In Europa habe der Integrationsprozess gefährlich an Fahrt verloren. Sein Blick ging auch in das Brexit-England, nach Katalonien und verschiedene osteuropäische Staaten. Politische Entscheidungsprozesse bräuchten viel Zeit. Selten sei eine Gesellschaft so wenig bereit wie heute, dem, dem sie ein politisches Mandat gegeben habe, auch das Vertrauen entgegenzubringen, dass sie dieses Mandat ausfüllen können.
Die Wirtschaft in Deutschland wachse freilich im achten Jahr kontinuierlich, man habe den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung erreicht. Das nationale Rechtssystem wie die internationale zur Anpassung dieser liefen den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft derzeit hinterher, angesichts immer neuer Geschäftsmodelle und durch die immer stärkere Digitalisierung. Ein Blick auf das weltweite Datenaufkommen reiche, es werde sich bald verdoppeln und verdoppeln und verdoppeln. Das bedeute noch ein drastischeres Gefälle zwischen denen, die teilhaben, und denen die außen vor bleiben. Das Konfliktpotential aus Ungleichheit wachse, stellte Conrady fest.
Es gehe um Führung wie Verantwortung im Doppel mehr denn je. Dass es gelingen könne, dafür seien die Voraussetzungen nie besser gewesen. Investitionen seien das Gebot der Stunde. Die Welt offen halten, Europa zusammen halten und – an die Unternehmer gerichtet , den Kopf oben zu halten, das war der Neujahrswunsch von Thomas Conrady.
Handwerkskammer-Präsident Gotthard Reiner zeigte sich zufrieden, dass man dieses Jahr keinen Politiker als Festredner eingeladen habe. Als ob man geahnt hätte, dass die Regierungsbildung dieses Mal besonders lange gehe.
2017 sei ein Rekordjahr gewesen und auch für 2018 sei nochmals ein Wachstum von 3 Prozent für das Handwerk prognostiziert. Rund 100 Betriebe habe man in diesem Jahr mit dem „VorAus“-Zertifikat auszeichnen können. Von den 1.800 neuen Auszubildenden, die im letzten Jahr gestartet seien, wären 120 Flüchtlinge gewesen, denen hier eine neue Chance in Deutschland gegeben werde. 300 neue Meister konnten begrüßt werden.
„Heute frisst nicht mehr nur der große den kleinen, sondern auch der schnellere den langsamen“, blickte Reiner in die Welt der Digitalisierung und Handwerk 4.0. Letzlich gehe es auch um Unternehmenskultur. Dank Bundes- und Landeszuschüssen investiere man in 2018 intensiv in die eigenen Bildungsstätten. Zukunft sei dort, wo sich die Menschen wohlfühlen, und dafür seien wir alle selbst mit verantwortlich.
Der Festredner dieses Neujahrsempfangs, Prof. Dr. Michael Hüther wurde mit Spannung erwartet, schließlich liefert das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, dessen Direktor er ist, so manche Diagnose zum Zustand der Wirtschaft und mischt sich damit auch durchaus in politische Debatten ein. Sein Thema „Fit für die Zukunft““ streifte einen ganzen Strauß der aktuellen Fragen und Themen in der über einstündigen freien Rede. Deutschland habe mit seinem Anteil an Industrie von 22 Prozent eine Sonderrolle, denn die ganzen Nachbarn in Europa kämen hier nur auf die Hälfte. Sehr außerordentlich sei auch die Entwicklung, denn seit 2013 gehe es mit der Konjunktur wie der Beschäftigung wie mit dem Lineal gezogen aufwärts. Freilich sei der digitale Wandel sehr oft auf wirtschaftlich-technischen Entwicklungen reduziert. Die Folgewirkungen für die Zivilgesellschaft seien freilich genauso bedeutsam, vielleicht sogar noch folgenreicher.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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