Zum Thema Klimawandel und Klimaschutz
Die Region fragt - Berlin antwortet
Landkreis Konstanz / Berlin. Der Klimawandel und seine Folgen sind die Themen unserer Zeit, die dringenden Handlungsbedarf erfordern. Maßnahmen zum Klimaschutz haben oberste Priorität im politischen Bemühen der verschiedenen Parteien.
Denn Klimaschutz ist ein komplexes Thema, das alle Bereiche von Wirtschaft, Mobilität, Landwirtschaft, Konsum bis hin zum Bewusstsein der einzelnen BürgerInnen betrifft. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie, klimaneutrales Wohnen, Tempobeschränkung, Nahverkehr und E-Mobilität sind für die angestrebte Klimaneutralität auch für die Region von großer Bedeutung. Dagegen sorgen steigende Energiekosten, die als Anreiz zum Energiesparen gedacht waren, für zusätzlichen Belastungen für sozial schwache Haushalte. Diese Belastung soll nun durch einen Energiekostenzuschuss ausgeglichen werden.
Auf übergeordneter Ebene zieht derzeit die EU heftige Kritik auf sich mit ihrer Absicht, Gas und Atomkraft als nachhaltige Energieformen einzustufen (Taxonomie), um damit Anreize für Investoren zu schaffen. Dazu erklärte die Umweltorganisation BUND: »Mit der Aufnahme von Atomkraft und Erdgas wird die EU-Taxonomie ein Werkzeug für das Greenwashing schmutziger Energieträger.«
Das Wochenblatt stellte zu diesem Themenkomplex drei Fragen an unsere politischen VertreterInnen in Berlin, die drei Bundestagsabgeordneten Dr. Lina Seitzl (SPD), Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) und Andreas Jung (CDU).
1. Wie stehen Sie zu der Einbeziehung von Kernenergie und Gas in die Taxonomie?
2. Was ist von politischer Seite notwendig, dass die Klimawende sozial verträglich gelingt?
3. Und was kann jeder Einzelne für den Klimaschutz tun?
Dr. Lina Seitzl (SPD):
Zu Frage 1: »Die EU-Taxonomie soll als Teil des Green New Deal ein gemeinsames europäisches Verständnis von Nachhaltigkeit schaffen und Investitionen in nachhaltige Technologien fördern. Ich halte die Einbeziehung von Kernenergie und Gas für einen Fehler, denn beides sind keine nachhaltigen Energiequellen. Die Erzeugung von Kernenergie verursacht hohe finanzielle und energetische Kosten bei der Brennstoffgewinnung, bei der bisher weltweit ungelösten Endlagerung der radioaktiven Abfälle und beim Abbau von Kraftwerken. Dazu kommt das hohe Risiko von nuklearen Katastrophen mit erheblichen Folgen für Mensch und Umwelt. Diese Kosten und Risiken tragen kommende Generationen.«
Zu Frage 2: »Damit eine sozial verträgliche Klimawende gelingen kann, müssen wir einseitige Belastungen durch KIimaschutzmaßnahmen verhindern. Wir alle werden einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten müssen. An den Stellen, an denen Klimaschutz Einzelne jedoch besonders hart treffen würde, muss die Politik Ausgleichs- und Fördermaßnahmen schaffen. Einen solchen Ausgleich stellt der Heizkostenzuschuss für Auszubildende, Bafög- und Wohngeldempfängerinnen und -empfänger dar. Auch die geplante Abschaffung der EEG-Umlage wird zu spürbaren Entlastungen führten. Wichtig ist auch, dass wir einzelne Branchen, wie z.B. die Landwirtschaft bei der Herstellung unserer Lebensmittel nicht mit dem gesellschaftlichen Auftrag der ökologischen Wende alleine lassen.«
Zu Frage 3: »Es sind bereits kleine Veränderungen, die in ihrer Summe zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen. Sei es, beim Einkauf auf Mehrwegverpackungen und Regionalität zu achten, Müll zu vermeiden oder beim Stromanbieter auf erneuerbaren Strom zu wechseln. Auch die Beteiligung an Mieterstrommodellen, das Zurücklegen von Strecken mit dem Fahrrad, Bus und Bahn sowie das Engagement für eines der lokalen Projekte zur Förderung der Biodiversität sind Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten.«
Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP):
Zu Frage 1: »Die Taxonomie hat die Funktion, dem Finanzsektor Signale zu geben, wohin privates Kapital fließen sollte. Private Gelder werden für die Finanzierung der Klimatransformation zentral gebraucht. Es geht bei der Taxonomie also nicht darum, bestimmte private Geldflüsse zu verbieten oder zu fordern; ich glaube, das ist ganz wichtig zu verstehen. Aber klar – das Signal, das davon an die Öffentlichkeit ausgeht, ist zunächst einmal befremdlich, gerade auch bei der Kernenergie. Dass jetzt sowohl Kernenergie als auch Gas als Übergangstechnologien vorgesehen sind, müssen wir als Europäer als EU-weiten Kompromiss verstehen, der den energiepolitischen Realitäten, gerade auch bei uns in Deutschland, Rechnung trägt.
Zu Frage 2: »Es ist auf der einen Seite für den Klimaschutz wichtig, CO2-Emissionen einen Preis zu geben – damit marktwirtschaftlich getriebene Reduktionsanreize entstehen. Auf der anderen Seite ist es genauso wichtig, die finanziellen Einnahmen der CO2-Bepreisung an die Bürger als Klimageld zurück zu geben und insgesamt die Belastung auf die Bürgerinnen und Bürger gering zu halten. Finanzminister Lindner hat zudem angekündigt, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schon 2022 abzuschaffen. Außerdem wird es einen einmaligen Heizkostenzuschuss geben. Zusätzlich wir als Koalition vereinbart, die CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern aufzuteilen.
Zu Frage 3: »Ich bin fest davon überzeugt, dass die Klimatransformation auf drei Säulen beruht: Erstens Innovation, zweitens ein marktwirtschaftlich ausgerichteter Klima- und wirtschaftspolitischer Ordnungsrahmen sowie drittens internationale Kooperation. Was kann der Einzelne tun? Wir werden unser Konsumverhalten immer mehr hinterfragen und anpassen – da bin ich mir sicher. Was mir aber darüber hinaus sehr wichtig erscheint: Wir sollten der jungen Generation in Bildung und Erziehung nahelegen, dass von uns in den nächsten Jahren sehr große gesamtgesellschaftliche Anstrengungen auch und vor allem im Bereich der Innovation erforderlich sein werden, um uns wirtschaftlich weiter an der Spitze zu halten. Beste Bildung für jeden und eine hohe Leistungs- und Veränderungsbereitschaft im Rahmen des individuell Möglichen werden also Schlüssel sein. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir es schaffen werden; wir haben in den letzten Jahrzehnten in Deutschland viele Herausforderungen gemeinsam bewältigt.«
Andreas Jung (CDU): »
Zu Frage 1: »Kernenergie ist zwar weitgehend CO2-frei, aber wegen des Umgangs mit radioaktivem Material und der Endlager-Problematik trotzdem nicht nachhaltig. Aus guten Gründen steigen wir deshalb in Deutschland aus der Kernenergie aus und daran wird auch nicht gerüttelt. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung brauchen wir aber neben dem ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien auch Investitionen in moderne Gaskraftwerke zum Übergang und zur Abdeckung von Spitzen. So hat sich die Ampel-Regierung zu Recht in Brüssel eingelassen. Entscheidend ist, dass diese Kraftwerke von vorneherein auf den Betrieb mit klimaneutralem grünen Wasserstoff ausgelegt sind und ein klarer Fahrplan zum Umstieg besteht.«
Zu Frage 2: »Wir müssen die Menschen mitnehmen. Das heißt: Der Umbau- und der Umstieg muss tatsächlich machbar sein und gefördert werden – und Energie, Mobilität und Wohnen muss für alle bezahlbar sein. Deshalb müssen Heizungsaustausch, energetische Sanierungen und besonders effiziente Neubauten weiter finanziellunterstützt werden. Der ÖPNV muss auch im ländlichen Raum gestärkt werden, gleichzeitig müssen klimafreundliche Autos weiter gefördert und die Infrastruktur dafür ausgebaut werden. Mit der Pendlerpauschale müssen Menschen unterstützt werden, die beim Weg zur Arbeit auf das Auto angewiesen sind. Als Antwort auf gestiegene Energiepreise braucht es mehr als einen Heizkostenzuschuss für Menschen mit geringem Einkommen. Wir brauchen weitere Entlastung für Privathaushalte und Betriebe, etwa durch die Abschaffung der EEG-Umlage und mit einer kurzfristigen Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme. Und insgesamt muss Nachhaltigkeit die Richtschnur sein – und das bedeutet: Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales müssen immer zusammen gedacht werden. Das ist Voraussetzung für den Erfolg auf dem Weg zur Klimaneutralität.«
]Zu Frage 3: »Natürlich kann auch jede und jeder von uns mit seinem Verhalten zum Klimaschutz beitragen. Aus der Vielzahl grundlegender Fragen und täglicher Entscheidungen will ich an dieser Stelle eine heraus greifen: Mit der Entscheidung für regionale Lebensmittel handeln wir im besten Sinne nachhaltig. Wir stärken Wertschöpfung vor Ort, sichern das Einkommen unserer Landwirte und tragen zum Erhalt bäuerlicher Strukturen bei, die wiederum eine unverzichtbaren Beitrag zur Landschaftspflege leisten. Wir können sicher sein, dass bei uns hohe Standards berücksichtigt werden und gleichzeitig wird durch das Vermeiden langer Transportwege ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Und ganz davon abgesehen: Es schmeckt umso besser, wenn man genau weiß, wo die Produkte herkommen.
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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