Klaus Hug von der Heckergruppe macht sich Gedanken über den Zusammenhalt der Gesellschaft
Die Pandemie und die Sache mit der Freiheit

Heckergruppe | Foto: Die Singener Heckergruppe bei den Feierlichkeiten zum 170. Jahrestag der Badischen Revolution bei der »Staufener Zeitreise". swb-Bild: PR
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Singen. Die Hecker-Gruppe Singen ist als Heimat- und Kulturverein seit mehr als 30 Jahren Bestandteil des vielfältigen Vereinslebens unserer Stadt. Satzungsmäßiger Zweck der Gruppe ist die Erinnerung an die demokratischen Traditionen in Deutschland und in Baden im Besonderen. Um es kurz auszudrücken, alles dreht sich um den Kampf der Badener, auch Singener Bürger um Freiheit im eigentlichen und im weiteren Sinne. »Freiheit ist sozusagen unser Kerngeschäft«, so Klaus Hug als Vorsitzender der Gruppe.

Zum Thema: Dem Menschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, der seiner Religion, der gesellschaftlichen Stellung ist der drängende Wunsch nach Freiheit in die Wiege gelegt. Die Realität ließ in der Geschichte oftmals für die Umsetzung dieses Wunsches keinen oder kaum Raum. 1815 erfreuten sich die Menschen in der Pfalz erster bürgerlicher Rechte, wie sie im Code Napoléon fixiert waren.

Die Freiheit der Person, des Eigentums und des Gewerbes sind gewährleistet, ebenso wie die Unabhängigkeit der Richter und öffentliche Gerichtsverfahren. Der Wiener Kongress schränkt viele dieser Freiheiten ein. Zölle und Steuern würgen die wachsende Wirtschaft ab. 1832 reffen sich auf dem Hambacher Schloss 30.000 Menschen aus verschiedenen deutschen Territorien erstmals unter den Farben Schwarz-Rot-Gold mit dem Wunsch nach deutscher Einheit und der Demokratie als Rechtsform als Basis für die Freiheit der Bürger.

Verbesserungen stellen sich viele Jahre nicht ein. Missernten und daraus resultierende Hungersnöte, drückende Steuer- und Abgabenlasten quälen das Volk - und ein gedrücktes Volk ist nicht frei. Neben Anderen formuliert und proklamiert Friedrich Hecker am 12. September 1848 in Offenburg die 13 Forderungen des Volkes in Baden. Freiheit in seinen unterschiedlichen Facetten stehen auf der Agenda. Pressefreiheit, Gewissens- und Lehrfreiheit, persönliche Freiheit, Recht auf Bildung, die Vereidigung des Militärs auf die Verfassung und vieles andere mehr.

Der Griff nach Freiheit misslingt mit dem Scheitern der badischen Revolution, mit dem Scheitern des Vormärz 1848/49. In der Folge beginnt eine riesige Auswanderungswelle aus den Ländern Europas. Im Großherzogtum Baden verlassen rund 5 Prozent der Einheimischen, also etwa 80.000 Menschen, ihre Heimat. Ein gedrücktes Volk ist nicht frei, sagt Friedrich Hecker.

Und heute? Freiheit scheint ein allgemeines, ein selbstverständliches Gut zu sein. Ein Recht, dass so sicher und kostenfrei wie die Luft zum Atmen ist, für das es nicht ständig zu kämpfen gilt ? Die Freiheit verhält sich wie unsere Gesundheit deren Bedeutung erst in Erscheinung tritt, wenn sie nicht mehr vorhanden ist. Die Pandemie katapultiert die Sache mit der Freiheit ins Zentrum unseres Lebens. Das Selbstverständliche scheint in Gefahr.

Bürger formieren sich gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen. „Widerstand2020“, „Querdenker“ und andere machen Front. Der heute in unserer Gesellschaft gängige Begriff der Freiheit steht zur Disposition.

Eine Differenzierung zwischen grenzenloser persönlicher Freiheit und der notwendigerweise beschnittenen Freiheit in einer funktionierenden Gesellschaft wird nicht mehr vorgenommen. Meines Erachtens ein fataler Fehler.

Im Vordergrund sollte gerade jetzt die Abwägung, zwischen dem Privileg sich frei für oder gegen eine Handlung zu entscheiden und den aus dieser Entscheidung resultierenden Konsequenzen für den Mitbürger, stehen. Dieses Vorgehen setzt ein erhebliches Maß an Solidarität für die Mitmenschen voraus. In dieser Zeit der Pandemie ist die Zurücknahme der persönlichen Freiheit zu Gunsten des Wohles der Gemeinschaft wohl unerlässlich.

Für das christlich geprägte Europa sollte die Zurücknahme der Eigeninteressen zugunsten der Gesundheit der Mitmenschen oberste Prämisse sein. Immanuel Kant (1724 – 1804), deutscher Philosoph der Aufklärung, stellt fest: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ Mit der Bereitschaft der Zurückname der persönlichen Freiheit in der Breite der Gesellschaft scheinen Lösungen aus diesen schweren Pandemiezeiten möglich.

Daher der Apell der Hecker-Gruppe Singen an alle Bürger, eine zeitweise und beschränkte Einschränkung der persönlichen Freiheit ist hinnehmbar. Die Inanspruchnahme der individuellen Rechte werden wieder möglich sein, wenn wir jetzt zusammenstehen und uns für eine begrenzte Dauer einschränken. Wir bitten alle Demokraten und Freiheitsliebenden diesen Gedanken zu unterstützen und zu leben.»Es lebe unsere Freiheit«, schließt Klaus Hug.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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