Schnitzlers „Reigen“ – von der Färbe neu entdeckt
Die Lust dreht sich im Kreise

Färbe Reigen | Foto: Zu Doppelwesen mutieren die Gespielinnen wie die Liebhaber in den Szenen von Schnitzlers "Reigen", während sich sich Charaktere um ihre eigene Einsamkeit dehen. swb-Bild: Bührer
  • Färbe Reigen
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Singen (of). Es war ein Stück seiner Zeit und gleichzeitig auch gegen sie. Arthur Schnitzlers „Reigen“, einst zur Wende ins 20. Jahrhundert verfasst, erst viel später auf die Bühne gebracht und dann der Auslöser eines munteren Skandals über das, was alle in der so feinen Wiener Gesellschaft taten, aber niemand ehrlich zugeben konnte, hat die Färbe nun neu entdeckt und versucht unter der Regie von Andreas von Studnitz in unsere Zeit zu transportieren. Doch das Stück in der Basilika bleibt eine Zeitreise in die aufregende Zeitwende des „Fin de Siècle“ und wird genau deshalb sehr spannend bis zum großen Finale.

Die Färbe-Schauspieler Nina Carolin Eichmann, Milena Weber, Patrick Hellenbrand und Elmar F. Kühling schlüpfen in den zehn Szenen des Stücks in vielerlei Rollen, und manchmal sind sie zu zweit eine Person, aber die zwei Seiten von ihr. Schon die Titel der Szenen wie „Die Dirne und der Soldat“, „Die junge Frau und der Ehemann“, „Der Gatte und das süße Mädel“, „Die Schauspielerin und der Graf“ verraten, dass in der damaligen Gesellschaft fleißig von verbotenen Früchten gepflückt wurde. Die Erkenntnis ist freilich schon vorher da: in dieser Gesellschaft, in der es jede mit jedem und jeder mit jeder zu treiben scheint, aber irgendwie jeder jedem den Eindruck erwecken will, als sei es doch so etwas wie vielleicht Liebe, macht den Zuschauer zu Zeugen bodenloser Lebenslügen, zum Voyer der Einsamkeit der Akteure, die ihre Liebschaften schnell wieder verachten, weil sie die Vergeblichkeit ihres Tuns, das dem Hunger ihrer Triebhaftigkeit geschuldet ist, in ihrem Gegenüber erkennen. Bis der Hunger wieder kommt.

Die Bühne ist ein Karussell, die Schauspieler drehen sich um sich selbst, während der Boden sein Glitzerwerk im Tücherhimmel darüber versprüht – und während in den Begegnungen die erotisch Rastlosen auf der Suche nach einer guten Gelegenheit mit manchem Tabu brechen, im Geheimen freilich – und manchmal wie im Sexkino reduziert auf das animalische.

Regisseur Andreas von Studnitz, der auf der Färbe-Bühne schon einmal vor 36 Jahren Franz Xaver Kroetz in damals aktueller Skandallaune inszenierte, führt mit seiner Stimme aus dem „Off“ in die Szenen ein, in denen auch der Wiener „Karl“ irgendwie lebendig wird, und Schmachfetzen des Schlagers wie „Wenn ich geh, dann geht nur ein Teil von mit“ (Peter Maffay), Bekenntnisse wie „Du bist nur eine Laune“, oder des Mannes Urteil „göttlich, diese Dummheit“ die Farce dieser damaligen Zeit entlarven. Was damals verboten wurde, ist heute noch genau so. Das holt das Stück in unsere Zeit herüber.

Gespielt wird jeweils Mittwoch bis Samstag voraussichtlich bis Mai jeweils ab 20.30 Uhr. Kartenreservation unter 07731/64646. Mehr auch unter www.die-faerbe.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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