Überarbeitung vom Gesundheitsverbund gefordert
Die große Klinikreform setzt viele Fragezeichen in die Region

Die Klinikregion ist ohnehin im Umbruch duch die Neubaupläne in Singen und die Schließung des Radolfzeller Krankenhaus. Schon deshalb bleiben derzeit noch viele Fragezeichen, darüber, was sich nun durch die letzten Donnerstag in Berlin beschlossene Krankenhausreform verändern, verbessern oder auch verschlechtern wird. | Foto: Archiv Wochenblatt / Grafik: Ludmila Borodin
  • Die Klinikregion ist ohnehin im Umbruch duch die Neubaupläne in Singen und die Schließung des Radolfzeller Krankenhaus. Schon deshalb bleiben derzeit noch viele Fragezeichen, darüber, was sich nun durch die letzten Donnerstag in Berlin beschlossene Krankenhausreform verändern, verbessern oder auch verschlechtern wird.
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Singen. Schon vor einem Jahr gab es Protestkundgebungen in der Region dagegen, nun hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag in zweiter und dritter Lesung das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" (KHVVG) der Bundesregierung abschließend beraten und mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen beschlossen. Damit ist freilich die Unsicherheit bei den Kliniken längst nicht vorbei, wie an diesem Tag deutlich wurde. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung hatte gegen die vorgeschlagene Reform gestimmt, wie er gleich nach der Abstimmung mitteilte. Die beiden anderen Abgeordneten aus dem Wahlkreis, Dr. Lina Seitzl (SPD) und Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) hatten an der Abstimmung nicht teilgenommen (mehr dazu auf Seite 11).

"Unser Ziel muss es sein, Krankenhausstrukturen in Stadt und Land zukunftsfest zu machen, statt sie zu gefährden", war das erste Statement von Andreas Jung. Das von der Ampelkoalition beschlossene Gesetz gefährde dagegen die Gesundheitsversorgung auch im Landkreis Konstanz. "Es wird hier zu zentralistisch von den Metropolen aus gedacht", so Jung weiter in seiner Kritik. Hier in der Region zittert das Stockacher Krankenhaus, das auf seine Funktion in der Nahversorgung der Raumschaft pocht. Aber auch der Gesundheitsverbund des Landkreises, der ja gerade an der Planung für neue Klinik ist, braucht nicht nur dafür Klarheit, wie und in welchem Umfang es da weiter gehen kann. Die Nachfragendes WOCHENBLATTs zeigten freilich, dass sich diese Reform wahrscheinlich über viele Jahre noch hinziehen wird. Das ist mit der Befürchtung verbunden, dass Maßnahmen daraus, die ja die Gesundheitsversorgung stützen sollen, bis dahin bereits von neuen Entwicklungen überholt werden könnten.

GLKN: Reform muss grundlegend überarbeitet werden

"Trotz zahlreicher Hinweise und Kritikpunkte, die von Seiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Bundesländern vorgebracht wurden, finden sich in dem Gesetzesentwurf bisher keine konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der dramatischen Finanzsituation der Krankenhäuser", wirft Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds im Landkreis Konstanz (GLKN) ein. Für das Jahr 2024 erwarten 85 Prozent der Kliniken in Baden-Württemberg ein Defizit, das im Wesentlichen auf die unzureichende Finanzierung der Betriebskosten und die nicht kostendeckende Berechnung der Landesbasisfallwerte zurückzuführen ist.

Auch der Gesundheitsverbund ist von dieser Entwicklung schon länger stark betroffen. Besonders die Nähe zur Schweiz verschärft die Situation um das medizinische Personal spürbar. Dadurch sind die Einrichtungen in Konstanz, Singen, Engen und Gailingen zusätzlich mit hohen Lohnkosten belastet, die im bestehenden Finanzierungssystem nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der GLKN habe in den vergangenen zwei Jahren sein Leistungsangebot durch Schließung von zwei Standorten (Stühlingen und Radolfzell) und Verlagerung von medizinischen Leistungen an die Standorte Singen und Konstanz örtlich gebündelt und kosteneffizienter aufgestellt. Doch trotz dieser einschneidenden Schritte fehlten weiter kostendeckende Finanzierungsstrukturen, um die regionale Gesundheitsversorgung langfristig zu sichern.

Die im KHVVG vorgesehenen Regelungen lösen die bestehenden finanziellen Herausforderungen der Krankenhäuser nicht hinreichend, kritisiert Sieber in seinem Statement. Es bedürfe aber jetzt dringend einer Klärung und der Umsetzung einer fairen und nachhaltigen Finanzierung, die den tatsächlichen Kosten der Krankenhäuser Rechnung trage. Ansonsten drohten weitere Einschnitte, die nicht nur die Gesundheitsversorgung, sondern auch die finanzielle Stabilität der Kommunen hier im Landkreis infrage stellten.

Der GLKN setzt sich laut Bernd Sieber daher weiterhin dafür ein, dass die Reform grundlegend überarbeitet werde, um eine nachhaltige Lösung für die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen. "Wir appellieren an die Entscheidungsträger, die Interessen der Kliniken und der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt zu stellen und einen Reformprozess zu gestalten, der langfristig die Gesundheitsversorgung in Deutschland sichert."

Grundversorgung muss gesichert bleiben

Auch der Geschäftsführer des Krankenhaus Stockach, Michael Hanke, sieht die Beschlüsse kritisch, wenngleich er nicht erwartet, dass diese Reform nun rasch umgesetzt wird. Er setzt seine Hoffnungen auf die anstehende Bundestagswahl, nach der vielleicht ein neuer Bundesgesundheitsminister noch einen Richtungswechsel vornehmen könnte. Denn die Arbeit des Stockacher Krankenhauses mache immer wieder deutlich, wie wichtig eine Basisversorgung vor Ort im ländlichen Raum sei. Zumal die Rolle des Krankenhauses durch die Schließungen im Umfeld in Radolfzell wie im benachbarten Landkreis Sigmaringen gestärkt wurde. "Eine medizinische Grundversorgung ist durch eine Ambulanz nicht möglich und auf der anderen Seite braucht es dafür keine Spezialkliniken", stellt der klar.

Seine Kritik setzt schon bei der Vorbereitung dieser Reform an, denn zweieinhalb Jahre sei eigentlich nichts und kurz vor dem Entscheid kamen viel zu spät die ganzen Änderungsanträge. "Politik nach Kassenlage ändert nichts", ist das Urteil von Michael Hanke. Er verweist auch darauf verweist, dass der Beschluss in Berlin gefasst worden sei, ohne eine Auswirkungsanalyse gemacht zu haben, die die Folgen dieser Reform untersucht hätte.

Eigentlich hätte Hanke am vergangenen Samstag gerne Tacheles mit Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach geredet, der vom Narrengericht per Urteil ja zu einem "Resozialisierungsbesuch" im Krankenhaus verdonnert wurde. Aber Lauterbach hatte den Termin kurzfristig Platz lassen. Allerdings, so wurde dann durch Narrenrichter Jürgen Koterzyna informiert, werde Lauterbach nun wohl im November kommen, da er da Termine im Land habe. Das Stockacher Krankenhaus verzeichnete, mit Ausnahme der Corona-Jahre, zuletzt immer Verluste, die durch einträgliche Spezialangebote für Wahloperationen in der Gelenkchirurgie gemindert werden können.

Das sagen unsere Bundestagsabgeordneten

Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP):
"Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz stellt eine wichtige und notwendige Reform der stationären Versorgung dar. Diese Reform war dringend überfällig, um eine Pleitewelle der Krankenhäuser in Deutschland zu vermeiden. Durch die Einführung von Vorhaltepauschalen und die Spezialisierung von Kliniken wird eine zukunftsfähige Krankenhausstruktur geschaffen, die Kliniken vor existenziellen Nöten bewahrt. Die finanzielle Entlastung unabhängig vom Patientenaufkommen stärkt die medizinische Versorgung und erhöht gleichzeitig die Behandlungsqualität.
Zudem werden Fehlanreize minimiert, unnötige Operationen vermieden und das medizinische Personal spürbar entlastet. Besonders für uns im Landkreis Konstanz kommt die Reform zur rechten Zeit, da sie wichtige Planungssicherheit für den Neubau des Krankenhauses in Singen bietet. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die regionalen Unterschiede in der Krankenhauslandschaft deutlich mehr Beachtung finden. Hier müsste nachjustiert werden."

Dr. Lina Seitzl (SPD):
"Mit der Krankenhausreform wird eine längst überfällige Trendwende in unserem Krankenhaussystem eingeleitet. Das Gesetz verfolgt drei Ziele: die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und flächendeckenden Versorgung, eine Entökonomisierung des Gesundheitswesens und weniger Bürokratie. Wir lösen uns vom System der Fallpauschalen, das den falschen Anreiz setzt, mehr Patientinnen und Patienten in immer kürzerer Zeit zu behandeln. Künftig werden Krankenhäuser eher wie unsere Feuerwehren finanziert, die alles Notwendige vorhalten, um im Notfall für uns da zu sein.
Wichtig ist also nicht mehr, was sich rechnet, sondern was hilft! Jetzt ist das Land am Zug. Es muss seiner Verantwortung bei der künftigen Krankenhausplanung und bei den Investitionen gerecht werden. Das ist insbesondere für den geplanten Krankenhausneubau in Singen wichtig. Leider sehen wir gerade an der Schließung von vielen KV-Notfallpraxen, dass der Landesregierung die flächendeckende Versorgung egal zu sein scheint."

Andreas Jung (CDU):
"Überarbeitetes Personal, überbordende Bürokratie und finanzielle Schieflagen: Unsere Krankenhäuser sind in Not. Die Notwendigkeit einer Reform ist unstrittig. Krankenhausstrukturen in Stadt und Land müssen zukunftsfest gemacht werden, statt sie zu gefährden. Aber genau das leistet das vorgelegte Gesetz nicht. Es wird zu zentralistisch gedacht, statt eine umfassende Versorgung von Stadt und Land sicherzustellen. Die Finanzierung ist unzureichend. Auf all diese Missstände haben wir Karl Lauterbach im parlamentarischen Verfahren wiederholt hingewiesen. Leider wurde die Chance vertan, den Gesetzesentwurf anzupassen. Jetzt ist Lauterbachs Reform nichts anderes als ein gefährlicher Blindflug. Niemand in der Regierung kann sagen, was die konkreten Auswirkungen sind. Rückschläge für unsere Krankenhäuser und bleibende Schäden bei der Versorgung vor Ort werden sehenden Auges in Kauf genommen. Deshalb habe ich dagegen gestimmt."

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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