Ein sachliche Runde im Wochenblatt
Die Fakten und die Emotionen zur Windkraft in der Region
Singen/Hegau. Windkraft – das ist eines der emotionalsten Themen, die hier in unserer Region derzeit diskutiert werden. Das zeigen viele Veranstaltungen, Foren um den neuen Teilregionalplan Windkraft des Regionalverbands Bodensee-Hochrhein und auch die Leserbriefspalten der örtlichen Medien. Die Fragen, die das WOCHENBLATT für die Sonderausgabe Wahrheit dazu beschäftigt, sind: Wie weit liegen die Pole denn wirklich auseinander? Welche Sachthemen sind Teil der Windkraftdiskussion und wo verlaufen die tatsächlichen Konfliktlinien.
Um diesen Fragen näher auf den Grund gehen zu können, haben sich Verlagsleiter Anatol Hennig und Chefredakteur Oliver Fiedler mit Philipp von Magnis, als Vorsitzenden des Vereins „Landschaftsschutz westlicher Bodensee“, Dr. Fritz Koschnick, Physiker aus Moos – Bankholzen, Thomas Körner, Leiter des Bezirksverbands Donau-Bodensee beim Landesverband des Naturschutzbund (NABU) und Clemens Fleischmann von den Randegger Ottilienquellen als „Selbstversorger“ in Sachen erneuerbarer Energien getroffen. Ergebnis war eine lebendige Diskussion, die geprägt war von Neugier auf die gegenseitigen Positionen und Interessen. Dabei kam auch heraus: Die große Schlagzeile liefert es nicht, wenn man das Thema differenziert angeht, aber vielleicht dient es Ihnen als Leserinnen und Leser zur tatsächlichen Einordnung des Themas.
„Gerade beim aktuell laufenden Verfahren zum neuen Teilregionalplan Windenergie, bei dem wir als Träger öffentlicher Belange verpflichtet sind, eine Stellungnahme bei der Anhörung abzugeben, haben wir uns schon schwer getan im Spagat zwischen erneuerbaren Energien und auch Artenschutz. Energiewende muss sein, das ist für mich klar und da wird es keinen Weg zurück geben können. Aber wir müssen schauen, wo dafür die geringsten Konflikte auftreten“, macht Thomas Körner deutlich.
Dr. Fritz Koschnick beschreibt sich als „vom Naturell her Grün“. Mit dem Thema Windkraft begann er sich intensiv zu beschäftigen, als das Thema Windkraft am Schiener Berg aufkam. „Ich bin sehr viel am Schiener Berg unterwegs, das ist mein Revier. Ich war in einem furchtbaren Dilemma, als das Thema hier aufkam, weil ich eigentlich für die Energiewende bin. Die Positionspapiere zu Windkraft von Greenpeace und NABU/BUND haben mich in meiner Haltung bestärkt: Greenpeace ist gegen Windkraft im Wald, außer bei jungen Nadelwaldmonokulturen. NABU/BUND schließen Gebiete für die Windkraft aus, die in die Artenschutzkategorien A oder B eingeordnet sind, was definitiv am Schiener Berg der Fall ist!
Wie technikoffen sind wir?
Derzeit haben wir dafür nur Solar und Wind. Ich finde diese Situation eigentlich bedrohlich, aber die Biodiversitätskrise (also die Krise der Artenvielfalt) dürfen wir auch nicht vergessen, und das könnte uns noch viel gefährlicher werden als das Klima“, führt er seine Beweggründe zu seiner Kritik an der Windkraft im Wald auf dem Schiener Berg aus. „Die Bilanz der Windkraft ist hier in der Region eigentlich verheerend“, ist seine Erkenntnis, vor allem wenn die Anlagen im Wald gebaut würden. „Windkraft am Schienerberg halte ich für eher schädlich als nützlich“ bringt er dafür auf den Punkt, wenngleich er sieht, dass man auf der freien Fläche Richtung früherem Landgasthof Schiener Berg eher bauen könne.
Philipp von Magnis, der seit 20 Jahren auf dem Schiener Berg lebt, beschäftigt sich mit dem Thema Windkraft schon seit über zehn Jahren, seit damals erste Pläne für Windräder bei Schienen und die Schweizer Planungen mit dem Projekt „Chroobach“ am westlichen Schiener Berg starteten. „Ich persönlich und unser Verein erkennen den Klimawandel an, denn das Klima kann man nicht leugnen, und wir sind für eine vernünftige, wissenschaftsbasierte Energiewende“, macht er deutlich. Aber aufgrund unserer langjährigen Beschäftigung mit dem Thema schauen wir uns die Projekte hier vor Ort natürlich sehr genau und kritisch an“, unterstreicht er hier in der Runde. „Als Architekt geht es mir ja immer auch um die Frage, ob ein Projekt auch hält, was es verspricht, ob daraus ein Nutzen entsteht.“ Und diese Bilanz sei negativ, fügt er an.
Es muss in die Natur passen!
Clemens Fleischmann ist leidenschaftlicher Vertreter der Energiewende, für die er mit seiner Unternehmenspolitik auch einsteht. Das Unternehmen setzt intensiv auf Photovoltaik, als Ankerkunde ermöglicht Fleischmann das Nahwärmenetz Randegg, produziert zusätzlich warmes Wasser über Solarthermie und bezieht zusätzlich Strom aus dem Windpark Verenafohren bei Tengen. „Das passt natürlich zu unserem Mineralwasser, das dadurch ein sauberes Image hat, das unsere Kunden auch schätzen.“ Der ehemalige US-Präsident Obama habe klar kommuniziert, dass „wir die erste Generation sind, die den Klimawandel am eigenen Leib spürt, und auch die letzte, die noch etwas dagegen tun kann.“ „Da sind wir als Unternehmer und Privatpersonen in der Pflicht und klar Pro Windkraft wenngleich, dafür klar sein muss, dass sie in die Natur passen muss.“
Schnell wird in der Runde klar, dass es unter den Gästen einen roten Faden gibt, der auf jeden Fall das Thema Windkraft nicht generell ablehnt, weil sie mit weniger Flächenverbrauch als Photovoltaik auskommt und weil die Sonne ja nicht immer scheint, aber es um die Frage geht, wo Windkraftanlagen stehen sollen. Und ab hier wird es, wie so oft in diesen Zeiten, komplex:
„Luft hat in Form von Wind eine geringe Energiedichte. Gerade im Vergleich mit Wasserkraft“, führt Fritz Koschnik aus. „Aber wir brauchen die Windenergie.“ Was aber vor allem fehle in Deutschland im Gegensatz zum Beispiel zur Schweiz, sind Energiespeicher wie Stauseen, weshalb man ja weiter fossile Energiequellen nutzen müsse. Und auch die aktuell wieder diskutierte Atomkraft brauche noch sehr lange, um mit den visionierten Kleinstreaktoren auf den Markt gehen zu können. Deshalb gehe eine Energiewende ohne Windkraft nicht. Aber: „Niemand würde auf die Idee kommen, in Schleswig- Holstein einen Staudamm zu bauen, weil das dort nichts bringt. Durch die (seitens der EU) praktizierte Gleichmacherei will man aber in windarmen Regionen wie hier Windkraft genauso nutzen, wie in windreichen Gegenden“, sieht er einen Widerspruch.Falsche Subventionspolitik?
„Wenn man hier Windkraftwerke realisieren würde, dann ginge das wiederum nicht ohne Subventionen aus anderen windreicheren Regionen“, die Effizienz von Anlagen liege hier in der Region oft unter 20 Prozent, hat sich Fritz Koschnik informiert. Und das ist der große Haken für ihn. Da kann ihm auch Thomas Körner zu großen Teilen recht geben. Allerdings müsse man auch sehen, dass die Stromtrassen, die den Strom von windreichen in windärmere Gegenden transportieren könnten, auch fehlen. Der Bau dieser Stromtrassen komme nur sehr langsam voran, da es auch dagegen viel Widerstand entlang der geplanten Strecken gebe. „Also müssen wir möglichst dezentral Strom gewinnen, auch wenn wir dafür ja auch ein völlig neues Leitungsnetz benötigen“, sagt Körner.
Auf den Punkt gebracht: es geht eben nicht ohne Windkraft, auch wenn die Anlagen natürlich viel weniger effizient sind, als „Offshore-Anlagen“ auf dem Meer, setzt Körner in die Runde. Das „große Netz“ werde vermutlich viele Jahre brauchen, und angesichts der vielen Kapazitätsgrenzen, die es aktuell schon gebe, sei jeder Strom besser, der nicht erst hierhergebracht werden müsse“, sagt Thomas Körner. Letztlich sei die Biodiversitätskrise eine Folge auch des Klimawandels, weshalb jede Chance zur Energiewende genutzt werden müsse.Falsch im Wald!
„Gerade, weil es offensichtlich Programm ist, Windräder in den Wald zu stellen“, bleibt Fritz Koschnik mit dem Herzen Gegner, schon wegen der gravierenden Erosion, die hier verursacht werde, die schon spürbar ist. Selbst am Schiener Berg gebe es für ihn Standorte, die in freiem Feld funktionieren können, auch wenn sich das jetzt nicht belegen lasse. Hier kontert allerdings Thomas Körner: Wir müssen auch sehen, was ein geopferter Hektar Wald für eine Windkraftanlage zur Verbesserung der CO2-Bilanz beitragen kann, weil man durch die Windkraft schon bald aufs Hundertfache an CO2-Bilanzverbesserung durch den „sauberen“ Strom komme. Deshalb habe sich der NABU eben für den Spagat und unter anderem nicht prinzipiell gegen Windkraft am Schiener Berg entschieden.
Bei all diesen Diskussionen steht freilich immer ein „Weißer Elefant“ im Raum, und das ist der Mangel an Energiespeichern“, wirft Philipp von Magnis nochmals ein. „Das Problem habe wir noch nicht gelöst und das führt dazu, dass Deutschland bei der Erzeugung von Strom zur Zeit eine der schlechtesten Co2 Bilanzen in Europa hat (Electricity Map). Außerdem führt es auch dazu, dass wir deshalb tagsüber unseren Strom erst an die Speicherkraftwerke in Österreich und der Schweiz gegen Zahlung ausführen müssen, um ihn dann nachts teurer zurückzukaufen,“ was nicht befriedigend sei.
Irre Klimmzüge
Philipp von Magnis geht aber in Sachen Energiepolitik noch einen Schritt weiter: denn „Wir machen irre Klimmzüge, um eine Energiewende in Gang zu bringen, das Ergebnis ist aber erschütternd, weil wir immer noch Strom aus Kohle oder Gas brauchen, während andere Länder wie Norwegen und Schweden mit viel Wasserkraft oder selbst Frankreich mit seinen Atomkraftwerken viel besser dastehen als wir. „Ich bin deshalb für einen technologieoffenen Ansatz, der schließt Kernkraft in einem vernünftigen Maß mit ein, was uns auch mehr Zeit zum Umbau geben und eben nicht solche Pläne produziert würde, bei denen quer übers Land eben 1,8 Prozent der Fläche (EU-Vorgabe) Windkraft Plangebiet werden sollen. „Für eine neue Generation bei der Kernkraft solle deshalb wieder geforscht werden. Da müsse natürlich am Ende genauso wie bei der Windkraft in die Waagschale geworfen werden: „was bekomme ich und was muss ich dafür geben“.
Klar ist, dass hier Thomas Körner einschreitet, weil erstens das meiste Uran bisher aus Russland gekommen sei, und die Frage der Endlagerung immer noch nicht gelöst sei. „Kernkraft geht gar nicht“, stellt Clemens Fleischmann für sich klar, auch wenn man den Fehler gemacht habe, die Kernkraftwerke zu früh abzustellen, obwohl sie noch eine ganze Weile hätten Strom produzieren können.
„Wir brauchen sofort was“, bringt Thomas Körner das Gespräch wieder in die Gegenwart zurück. Das 1,5 Grad-Ziel bei der Klimaerwärmung habe man dieses schon Jahr gerissen, weil man nur Sonne und Wind als regenerative Energiequellen habe, müsse man schauen, wie das verträglich geschafft werden könnte. Und das Argument von Philipp von Magnis zu den fehlenden Speichern bleibt auch im Raum: wie Kernkraft werde man dafür vermutlich noch viele Jahre brauchen, da man ja auch nicht einfach Staubecken im Schwarzwald bauen könne. „Da ist noch viel nicht zu Ende gedacht“ war ein Fazit dieser sachlichen Runde.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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