Erste Bilanzen aus Ausblicke nach drei Wochen mit geschlossenen Läden und Fabriken in Kurzarbeit
Die Delle wird noch lange nachwirken

Greuter Buchkurier | Foto: Einen Fahrradkurier zur schnellen Auslieferung von Büchern, noch am Bestelltag, gibt es in Singen wie Radolfzell schon seit Jahren, doch jetzt wird ihr Service auch wahrgenommen. Karl-Heinz Störk startet derzeit drei Mal am Tag mit vollem Lastenrad. Bishe
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  • hochgeladen von Oliver Fiedler

Kreis Konstanz/ Singen. Seit nunmehr drei Wochen sind die Geschäfte im Land geschlossen. Noch gibt es kein Signal wie lange dieser Zustand aufrecht erhalten wird, wenn auch im Hintergrund die ersten Bilanzen darüber gezogen werden, wie lange dieser »Lock Down« aufgrund der Corona-Krise nachwirken wird. Der Tenor fast aller Gespräche der Wochenblatt-Redaktion mit den Unternehmern der Region ist: »Daran werden wird lange kauen müssen«. Und: »Wir werden ganz neu beginnen müssen.«

Ungeduld in der Fahrradbranche

Von März bis Mai ist die Hauptsaison für die Fahrradbranche. Doch gerade jetzt müssen wegen der Verordnungen angesichts der Corona-Pandemie die Fahrrad-Fachgeschäfte geschlossen bleiben. Hans-Peter Stroppa aus Singen blutet da echt das Herz, zumal er nicht den Laden, sondern auch das Lager voller brandneuer Räder und E-Bikes stehen hat.
Derzeit ist nur die Werkstatt geöffnet an zwei Tagen in der Woche. Hans-Peter Stroppa unterstreicht, dass dies als Service am Kunden gesehen wird. Betriebswirtschaflich mache das wenig Sinn. Stroppa hofft, dass die Fahrradgeschäfte bald wieder öffnen können zumal sie in Berlin und Sachsen-Anhalt nicht mal schließen mussten, weil ihre Gesundheitsförderung dort beachtet wurde. Denn wenn dieses Jahr der Fahrradverkauf einbreche, wirke das für lange Zeiten in den Lieferketten nach, die übrigens bis nach China reichen.

Koffer als Überraschung

Barbara Dorn-Steinhilber vom Modehaus Dorn in Stockach packt Überraschungsköfferchen für ihre Kundinnen und liefert sie frei Haus. Wie Barbara Dorn-Steinhilber erlärt, sei die Idee hierfür intuitiv entstanden: »Die Kundin kann derzeit nicht mehr zu mir, also fahre ich zu ihr. So kann sie bei sich stöbern, was sie sonst bei mir im Ladengeschäft getan hätte«, so die Modehaus-Betreiberin. Wie sie ausführt, finde die Kontaktaufnahme für die Bestellung über WhatsApp oder Handy/Festnetz statt. »Manchmal wird auch eine Adresse mit dem Wunsch, ein Überraschungsköfferchen zu bekommen, in meinen Briefkasten geworfen«, fügt sie hinzu.

Handwerk bittet um Investitionen

»Investition anstatt Kurzarbeit«, lautet der Aufruf der Kreishandwerkerschaft an die öffentlichen Verwaltungen. Um drohende Liquiditätsengpässe von Handwerksbetrieben abzuwenden, helfe am Besten Arbeit. So bittet Kreishandwerksmeister Hansjörg Blender Landrat Zeno Danner und die Bürgermeister im Landkreis in einem Schreiben um Hilfe.
»Sorgen Sie jetzt schnell und einfach für Aufträge im Handwerk«, fordert er die Politiker auf. Blender weist auf den Investitionsstau öffentlicher Einrichtungen wie Schulen und Sportstätten hin. Wenn diese Gebäude schnell saniert werden könnten, »hätten wir eine Win-win-Situation für das Handwerk und für die gesamte Bevölkerung.«
Die Infrastruktur der Gemeinden würde verbessert und das Handwerk bekäme Aufträge. Nach Umfragen der Handwerkskammer rechnen 50 Prozent der Handwerksbetriebe in der Region mit massiven Einbrüchen.

Die Lücke wird nicht mehr geschlossen

Volle Regale und Lager, geschlossene Türen. Thomas Kornmayer vom Modehaus Heikorn als größtes inhabergeführte Geschäft in Singen, macht sich keine Illusionen: Die Delle die dieses Frühjahr geschlagen wird, können wir in diesem Jahr nicht mehr reinholen«. Der Virus sei auch für die Wirtschaft eine Katastrophe. Aber den Kopf hängen lassen will der deshalb keineswegs. Auch wenn die Staatshilfen nur ein »Tropfen auf den heißen Stein«, seien blickt er nach Vorne.
Und er will sich auf den Tag freuen, wenn die Ladentüren öffnen können. Die Menschen werden zunächst aber sicher andere Sorgen haben.

»Wir sind am Ende der Lieferkette«

Kurzarbeit prägt in diesen Wochen das Braun-Möbelcenter in Singen nur in Teilen. Die Auslieferung von vor der Krise bestellten Teilen läuft auf Hochtouren, aber die laufen bald aus. »Nach der Wiederöffnung sind wieder die Verkäufer gefragt und für die Monteure gibt es nichts mehr zu tun«, sagt Geschäftsführer Klaus-Peter Wenzel. Auch wenn es jetzt bald wieder losgehen sollte, muss die Produktion erst mal anlaufen und auch etwas bestellt werden. »Ich denke, dass ein Verkauf eher schleppend anlaufen werde, weil die Menschen auch erst mal vorsichtig sind. Die eigentliche Delle kommt für uns drei bis vier Monate nachgelagert«, rechnet sich Wenzel aus.

Kein Frühlingsfest, kein Oktoberfest

Mitte Mai sollte das inzwischen fünfte Singener Frühlingsfest steigen. Veranstalter Jose Perez vom spanischen Restaurant »Las Tapas« hat bald die Reißleine ziehen müssen. Der erste Gedanke sei Verschiebung gewesen, doch nun blickt Perez nach München. Wenn das Oktoberfest in diesem Jahr ausfällt, weil dort alle Welt sich in den Festzelten drängelt, haben auch andere Feste seiner Meinung nach keine Chance. Derzeit arbeitet die Restaurant-Crew kurz, den Lieferservice macht er fast alleine. »Von März bis Juni sind unsere starken Monate. Der März und April sind jetzt schon futsch. Ich hoffe auf die Sommerferien, in denen angesichts der aktuellen Lage die meisten nicht in Urlaub fahren und Spanien bei mir auf der Terasse erleben wollen.«

Blumenlos ist die Stadt

Eigentlich ein Kuriosum, das die vielen handwerklichen Mängel der Corona-Verordnungen deutlich macht: Das Blumengeschäft Mauch in der Singener Innenstadt hat dicht machen müssen, weil es als Einzelhandel eingestuft wird. Blumen gibt es trotzdem zu kaufen, bei den Gärtnereien, im Baumarkt oder auf dem Singener Wochenmarkt. Oliver Mauch zuckt mit den Schultern. Jetzt wäre Hochsaison und er muss viele Absagen von Veranstaltungen und Festen managen. Einen kleinen Stammkundenkreis kann er bedienen, aber nur auf Vorbestellung. Denn auch das ganze Lieferantensystem hat seinen Betrieb eingestellt. »Selbst wenn ich aufmachen könnte, was soll das ohne Laufkundschaft«, sagt er. »Schon die letzten Jahre hat das in der Singener Innenstadt mit der Laufkundschaft nachgelassen. In diesem Punkt hoffe ich auf neues Leben mit der Eröffnung des Shoppingcenters Cano im Herbst«.

»Der Lock Down« wirkt nach

Der Schrott ist der Endpunkt industrieller Prozesse. Deshalb kommt die Corona-Krise auch jetzt erst beim Recyclingunternehmen Oehle in Singen an. »Derzeit liegt der Rückgang bei 30 Prozent, nächste Woche könnte schon Kurzarbeit beginnen«, sagt Geschäftsführer Dirk Oehle. Und das dann für länger. »Die Industrie wird nur langsam hochfahren, vor allem die Automobilindustrie«, ist er sich sicher. Viele Kurzarbeiter hätten nach dieser Zeit erst mal andere Sorgen als sich Autos zu kaufen. Die Basis für sein Unternehmen könne sich so bis in den Herbst hineinziehen.

Blick nach Österreich

Hans Wöhrle vom Handelsverband in Singen, blickt derzeit gespannt nach Österreich. Die dortige Lockerung des Ausgangsverbots ist für ihn Signal der Hoffnung, wie er am Dienstag sagte. Wenn sich die Ladenschließungen bis in den Mai fortsetzten, drohe eine nicht wieder gut zu machende Katastrophe. Man müsse jetzt schon überlegen, wie es »danach« weiter gehen könnte. Es müssten nicht »alle Schleusen« geöffnet werden, eher sollte variabel operiert werden, mit der Chance wieder etwas zurück zu drehen, wenn es nötig sei.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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