"Tag der Schiene" präsentiert nicht nur Visionen
Den "Seehas 2.0" auf den Startblock gestellt
Singen/ Hegau. Die Diskussionen um die Reaktivierung von Bahnstrecken im Land dauern nun doch schon einige Jahre an. Der "Tag der Schiene" am letzten Samstag, 21. September, einem Gemeinschaftsprojekt des Förderverein Ablachtalbahn sowie des Vereins zur Erhaltung der Bahnlinie Etzwilen-Singen (VES), der "Initiative Bodensee-S-Bahn" wie der Regionenbahn GmbH, sollte für die Region eine Menge an neuer Energie in das Thema bringen.
Das Interesse war so stark, dass der Sonderzug, der an diesem Nachmittag die Strecke zwischen Singen und Rielasingen und danach über Radolfzell und Stockach bis nach Mühlingen-Zoznegg unter die Räder nahm, mit einem zusätzlichen Triebwagen die Kapazität verdoppeln musste. Und die Anwesenheit von Bundestags- und Landtagsabgeordneten, Singens OB Bernd Häusler wie einer Reihe von BürgermeisterInnen entlang der Strecke nährte die Hoffnung, mit diesem Ausflug auch politische weiter etwas bewegen zu können - für mehr Schiene beim ÖPNV in der Region wie auch für weitere Ziele.Fahrt- statt Standzeiten
Im Ratssaal des Singener Rathauses wurde gleich nach der Begrüßung durch Bernd Häusler, der hier auch seinen Rielasinger Kollegen Ralf Baumert in Sachen der angedachten S-Bahn zur Schweizer Grenze vertrat, von Ralf Derwing von der Initiative Bodensee-S-Bahn (IBSB) die Vision "Serhas 2.0" präsentiert, der aus deren Sicht hier die Reaktivierung der "Etzwiler Bahn" wie der Ablachtal wirtschaftlich erfolgreicher, logistisch bewältigbarer und auch vorteilhafter für Reisegäste wie Pendler machen könnte. Dieser "Seehas 2.0" könnte dann mit batterieelektrischen Triebwagen eine neue Verbindung Rielasingen - Mengen darstellen. Diese Züge können sich an Oberleitungen aufladen, wenn welche da sind, wie etwa hier in Singen und Radolfzell. Im Abschnitt zwischen Singen und Radolfzell wäre das zudem eine starke Taktverdichtung, die Bahnfahren noch attraktiver machen könnte.
Statt Standzeiten wären die Züge aber viel mehr unterwegs und könnten das Angebot auf der Schiene um einiges verbessern. Zum Beispiel durch die umsteigefreie Fahrt zwischen Singen und Stockach. Mit den Zügen, die man erst mal im Stundentakt plane, könne man auch die in Stockach wie Radolfzell zusätzlich gewünschten Haltepunkte bedienen, die hier den Zug näher an die (möglichen) Nutzer bringen solle, denn das sei für einen Umstieg vom Auto auf den ÖPNV unerlässlich.
Mehr Schiene für die Region
Frank von Meißner, ein Profi im Reaktivieren von Bahnstrecken und zweiter Vorsitzender im Förderverein Ablachtalbahn, ging in seiner Vision sogar noch weiter. Die Prognose für den ersten Abschnitt der Reaktivierung der Strecke mit dem "Seehäsle" zwischen Radolfzell und Stockach habe damals 1996 bei 1.500 Fahrgästen am Tag gelegen, inzwischen sei man bei 3.500 in der Realität angekommen, was auch für die Fortsetzung der Strecke bis nach Mengen, und über den dortigen Knoten nach Ulm spricht. Dies bezeichnete er als Alternative zum IRE 2 Basel-Ulm, der, wenn die Gürtelbahn je elektrifiziert werden sollte, ja für Jahre ausfallen müsste. Da könnten Fahrgäste viel Zeit gewinnen, wenn nicht der Umweg über Friedrichshafen genommen werden müsste.
Hierbei gibt es Licht und Schatten: Vor diesem Tag brachten sich auch schon die Gegner der Reaktivierung der Museumsbahn aus dem Schnaidholz zwischen Singen und Rielasingen mit scharfen Worten der Ablehnung in Stellung. Am anderen Ende der Strecke warb Mühlingens Bürgermeister Thorsten Scigliano ganz klar für die Bahn für diese Region. Auch wenn es aktuell nur Freizeitverkehr mit der "Biberbahn" gebe, habe man mit dem reaktivierten Haltepunkt Zoznegg, den man innerhalb von vier Wochen hier sogar barrierefrei realisieren konnte, ein Gefühl vom "Tor zur Welt".
Die aktuellen Pläne von Land und Bund bedeuteten, dass die anliegenden Kommunen für zusammen etwa zehn Millionen Investitionskosten die Bahn wieder bekommen könnten. So günstig werde das nie wieder, da über 90 Prozent der Kosten durch Bahn und Land übernommen würden. Damit könnten attraktive Alternativen zum Auto geboten werden, so Scigliano.
Die Statements der politischen Vertreter zur und nach der Fahrt waren klar für diese Pläne. Jetzt gehe es darum, aber auch ins Handeln zu kommen, wurde zum Abschied aus dem Sonderzug deutlich gemacht.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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