Baugenossenschaft Hegau schiebt Planungen
Aktuelle Umstände stehen gegen günstigen Mietwohnungsbau
Singen. Die Hegau Baugenossenschaft hat in 2021 ein ordentliches Ergebnis erzielt, wie der Vorstand kürzlich zur Vertreterversammlung mitteilen konnte, die das Ergebnis wie auch die Ausschüttung der Dividende in Höhe von weiterhin vier Prozent an die Mitglieder genehmigte. Eine Bilanzsumme von 112,3 Millionen (im Vorjahr 106,1 Millionen Euro) und ein Jahresüberschuss von rund 4,4 Millionen Euro (3,7 Millionen Euro) stehen am Schluss des Zahlenwerks. Da die Genossenschaft ihre Bauerneuerungsrücklage aber auf 3,7 Millionen Euro erhöht, steigt der Bilanzgewinn im Sinne der Vorsorge nur ganz geringfügig um 3.000 Euro aus 1,54 Millionen an.
Die Freude über das gute Jahr ist für den Vorstandsvorsitzenden Axel Nieburg, der in der Mitgliederversammlung für 25 Jahre an der Spitze der Baugenossenschaft gewürdigt wurde, ist freilich eher begrenzt. Nicht nur dass die Genossenschaft bereits im letzten Jahr die Preissteigerungen wie auch viele Lieferengpässe durch die Corona-Lockdowns wie globalisierte Abhängigkeiten schon deutlich verspürte, nun „ist seit dem 24. Februar die Welt anders geworden“ durch den Krieg in Europa als neues dominierendes Thema, obwohl die immer drängenderen Fragen zum Klimawandel aus den Vorjahren nicht beantwortet seien. Das mache Perspektiven sehr schwierig.
Die Preise für Häuser und Wohnungen hätten sich schon in 2021 um 12,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verteuert, nun komme durch die durch den Krieg befeuerte Energiekrise eine weitere Welle der Teuerungen auf alle zu. Derzeit biete die Genossenschaft noch einen Durchschnittspreis von 6,34 Euro monatlich, die Schere geht freilich zu den Neubauprojekten hin auf, wenngleich dort aufgrund der erreichten Energieersparnis inzwischen mit einer „Flatrate“ für die Nebenkosten gearbeitet wird, weil diese so gering sind.
Zukunft des Mietwohnungsbaus in Frage gestellt
Ein schmerzhaftes Beispiel der aktuellen Entwicklung für die Genossenschaft ist die aktuelle Umsetzung des Projekts „Überlinger Höfe“, wo man schon mit 25 Prozent höheren Kosten habe kalkulieren müssen gegenüber den mit Stolz im letzten Jahr fertig gestellten „Praxedisgärten“ mit seinen 73 Mietwohnungen (dort liegt der Mietpreis schon bei 11,40 Euro brutto). Dazu kam hier das Chaos bei der KfW-Bezuschussung und nun steigen die Zinsen auch noch. Die grundsätzliche Finanzierbarkeit des Mietwohnungsbaus ist deshalb nicht nur in Frage gestellt. Wenn man mit dem Projekt in Singens Süden mit den dort geplanten 64 Wohnungen auf den Flächen der ehemaligen Garagen, nicht schon begonnen hätte, würde man es aktuell erst mal liegen lassen. 21,9 Millionen Euro beträgt die geplante Investition dort, nach jetzigem Stand. Weitere Projekte in der „Pipeline“ der Genossenschaft wie die „Schwarzwald Höfe“ mit über 100 zusätzlichen Wohnungen in der Nachverdichtung, müssen erst auf stabilere Zeiten warten, machte Nieburg deutlich. Auch das „Albert-Schweizer-Quartett“ in Stockach mit 44 Mietwohnungen steht erst mal in der „Pipeline“.
Schon lange auf "Holz" gebaut
In Sachen Klimawandel habe die Genossenschaft schon längst mit ihren Hausaufgaben begonnen. Schon im Jahr 2003 habe man konsequent bei Sanierung als Ziel auch die Energieeinsparung gehabt und auch auf Holz (Pellets und Hackschnitzel) umgestellt, betonte Nieburg. 27 mono- und bivalente Holzwärmeversorgungsanlagen betreibt die Baugenossenschaft inzwischen, 13 eigene Nahwärmenetze sorgen für zusätzliche Effizienz. Der Anteil von Holz zum Heizen liegt laut Nieburg in der Genossenschaft für 2021 inzwischen bei 71,9 Prozent, Erdgas nur meist in den Altbeständen noch bei 20,8 Prozent und Heizöl gar nur noch bei 7,3 Prozent. Man sei inzwischen auch auf dem Stand, dass zwei Drittel des Mietwohnungsbestands in den Energieklassen A+ bis C zu finden sind, über die Hälfte davon in der Klasse B. Alleine 7,7 Millionen Euro habe die Genossenschaft inzwischen auch 26 Photovoltaik in Betrieb, zumeist zur Eigenstromversorgung, erste Batteriespeicher kommen auch, wegen der Nachfrage nach Elektromobilität. Der aktuelle Hype um Wärmepumpen als Ausweg aus der Abhängigkeit fossiler Energien ist für Nieburg Augenwischerei, denn die wären eigentlich nur in Kombination mit energetischer Sanierung sinnvoll und sonst gigantische Stromfresser, die das Netz überlasten könnten.
Trotz aller dunklen Wolken will die Genossenschaft für ihre aktuell 4.800 Mitglieder weiter in die Verbesserung der Standards investieren, kündigte Axel Nieburg an. In 2023 werde man in den Gebäuden damit beginnen, auf Glasfaserleitungen umzustellen. Das werde rund drei Jahre benötigen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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