"Wahrheit" aus Politiker-Sicht
Perspektiven verstehen und zusammenführen

Saskia Frank | Foto: Lena Lux

In einer Welt, die von schnellem Informationsfluss und konkurrierenden Erzählungen geprägt ist, stellt sich die Frage nach der Wahrheit in der Politik drängender denn je. Als Politikerin mit wissenschaftlichem Hintergrund sehe ich mich täglich mit der Aufgabe konfrontiert, zwischen Fakten, Interpretationen und verschiedenen Perspektiven zu navigieren. Erst kürzlich erlebte ich dies in einer hitzigen Debatte über den Klimawandel, bei der wissenschaftliche Erkenntnisse auf persönliche Überzeugungen trafen.

Es ist entscheidend, dass überprüfbare Fakten als Grundlage für politische Entscheidungen dienen. In diesem Zusammenhang sind für mich die Überlegungen der Philosophin Hannah Arendt von großer Bedeutung. Ihr Konzept der "Tatsachenwahrheiten" – unveränderliche historische Ereignisse und Fakten – mahnt uns, wachsam gegenüber Versuchen zu sein, die Realität zu verzerren. In Zeiten von "Fake News" und "alternativen Fakten" wird der Schutz dieser Tatsachenwahrheiten zu einer zentralen Aufgabe verantwortungsvoller Politik.

Doch die politische Landschaft ist komplex und vielschichtig. Verschiedene Weltanschauungen und Interessen prallen aufeinander, und was für den einen als unumstößliche Wahrheit gilt, kann für den anderen eine verzerrte Sichtweise sein. Hier liegt die Kunst der Politik: diese unterschiedlichen Perspektiven zu verstehen, zu integrieren und in einem konstruktiven Dialog zu einem ausgewogenen Gesamtbild zusammenzuführen.

Gleichzeitig erfordert eine sich ständig wandelnde Welt von uns Politikerinnen und Politikern die Bereitschaft, neue Erkenntnisse zu berücksichtigen und unsere Positionen zu hinterfragen.

In der Wissenschaft gilt, dass Theorien nie endgültig bewiesen, sondern nur widerlegt werden können. Als Politikerin versuche ich, diese kritische Denkweise in meine tägliche Arbeit zu integrieren. Es geht darum, flexibel zu bleiben und politische Entscheidungen auf der Grundlage der besten verfügbaren Erkenntnisse zu treffen - immer mit dem Bewusstsein, dass diese Erkenntnisse morgen schon überholt sein könnten.

Die Herausforderung, Wahrheit in der Politik zu bewahren, wird durch die rasante technologische Entwicklung noch verstärkt. Künstliche Intelligenz und Deep-Fake-Technologien stellen uns vor neue Herausforderungen bei der Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion. Als Politikerinnen und Politiker müssen wir nicht nur selbst medienkompetent sein, sondern auch aktiv daran arbeiten, die Medienkompetenz in der Bevölkerung zu fördern. Nur so können wir gemeinsam den Gefahren der Desinformation begegnen und eine informierte öffentliche Debatte gewährleisten.

Letztendlich geht es bei der Frage nach Wahrheit in der Politik um nicht weniger als die Grundlagen unserer Demokratie. Vertrauen in politische Institutionen, in den demokratischen Prozess und in die Verlässlichkeit von Informationen sind unerlässlich für eine funktionierende Gesellschaft. Es liegt an uns allen - Politikerinnen und Politikern, Medien und Bürgerinnen und Bürgern - dieses Vertrauen durch einen ehrlichen und transparenten Umgang mit Fakten, verschiedenen Perspektiven und Unsicherheiten zu pflegen und zu stärken.

von Saskia Frank

Autor:

Redaktion aus Singen

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