Wafrös alemannische Dialektik vom 22. August 2007
Känneglernt hon i die Mamme und ihren Sohn vor ä paar Johr, wo »die Mei« z Konschtanz i de Schmieder-Klinike bi de REHA gsi isch. Obwohl se Sorge gnueg mit sich selber ghet hett, hot se all glueget, dass die Mei au glei de richtig Schtuehl griegt, wenn se i de Schpeisesaal kumme isch, und wenn i denn no uf Bsuech war, hot se glei fir mi au en Schtuehl gholet, dass i jo hon zu de Mei sitze känne. De Mamme hot nint gfählt, aber de Sohn war im Rollschtuehl und hot zu sellere Patientekategorie ghört, wo schwerbeschädigt sind. Schädel-Hirn-Trauma saged se i de Fachschproch und des isch ebbes ganz Wüeschts. Bsunders wüescht isches, wenn der Schwerverletzte iberhaupt nix defir ka, weil nämlich andere uf ihn drufgfahre sind und so isches dem Sohn vu dere Mamme gange. Er war s einzig Kind und de Vadder war au nume do. Er war dreißg Johr alt und vill underwegs mit Auto und Flugzeug, als Vertreter vunere große Firma. Uf de Autobahn sind se ufen nuf kesslet, die junge Lüt, wo grad vum Winterschport kumme sind und wahrscheinlich ibermüedet wared. Ihn hots troffe und zwar so fescht, dass mer it glaubt hot, dass der nomol ufschtoht und er isch au nume ufgschtande, sondern im Rollschtuehl glandet. S Gedächtnis war kaputt und d Schproch war nu no uf ä bitzele reduziert. Lange Ziit schpäter hon i eines Tages gmerkt, dass die Mamme mit ihrem Sohn bi uns z Singe wohnt und it emol wiit weg vu dere Schtroß, wo mir au wohned. Z mol hon i se fascht all Tag känne beobachte, wie se de Sohn im Rollschtuehl a unserm Hus vorbeigschobe hot. Im Winter warer fescht eipackt, im Summer entschprechend leicht aazoge und bi Räge oder Schnee hotsen wasserdicht gmacht, die tapfere Mamme, ihren schwerschtbeschädigte Bue. Aber sie hoten gschobe, alle Tag, Summer wie Winter, bi Schnee und Räge, und wenn i grad vorusse war, oder mir hond uns i de Schtadt troffe, no homer uns gwunke oder grüeft und en guete Tag gwinscht. Inzwische ischer achtevierzge wore, de Sohn, und mer begegned enand alleweil no und s wird nume andersch mitem und d Mamme wird au it jünger, aber alle Tag sind se underwegs, die zwei, und seit einiger Zeit treffemer enand au im Supermarkt. Sie schtellt de Rollschtuehl all a den freie Platz a de Kass und manchmol denk i, dass er mi kennt. Wenn i zunem anegang, no zeigt er glei mit sim no funkzionierende Zeigefinger vu de linke Hand uf d Mamme und sagt laut und deitlich »Mama lieb ...« I hons etz scho efters vunim ghert, des »Mama lieb«, und jedesmol giits mer weng en Schtich, weil i so hilflos näbedane schtand und au nix anders schtammle ka, wie »jo Mama lieb«. Die letzscht Woch bin i grad binem gschtande, wo d Mamme zahlt ghet hot, no hon i gmont, i möss emol ebbes sage und wenns de gröscht Bledsinn isch, aber me ka doch it all nu schprochlos näbedra schtoh, wenn der schwerstbehinderte Bue all »Mama lieb« rueft. I hon denn die tapfere Frau am Arm gnumme und hon zunere gset, weil mer nix Bessers eigfalle isch: »I hon mer scho efters denkt, wenn ihren Sohn gsund wär, ob sie jemols des Wort ghört hetted, Mama lieb? I glaub, dass des Wort ganz, ganz selte isch und sie derfeds alleweil höre. I woss, dass des kon Troscht isch, aber s isch wunderschön, des Wort!« S hot kon lange Dischput gäe, zwische de Mamme und mir. Er hot nu gmerkt, wie i mit de Mamme schwätz. Z mol zeigt er mit em Fingeruf mi und sagt ganz laut »du lieb!« I bi fimf Minute i mim Auto gsesse, bevor i de Zündschlüssel rumdreht hon und die Frog hot me gschittlet, »Wa isch des fir ä Schicksal, wenn en Mensch nu no lieben ka?«
Von Walter Fröhlich
Autor:Redaktion aus Singen |
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