Wafrös alemannische Dialektik vom 17. Oktober 2007

S isch etz grad anderthalb Woche her, do bin i am Grab vu mim zweitälteschte Sohn gschtande und so lang hon i brucht, bis i hon driber schriibe känne. Wenn om s Schicksal so en Schtoß versetzt, no mosch zerscht emol wieder weng zudr kumme. Aber die Trauerfeier fir min Matthias hot me so ufgschtellt, weil so vill junge und alte Mensche do gsi sind, dass i mer gset hon, etz packsches, etz schreibsch. Wie gsagt, er war de Zweit, woner anne vierefufzg uf d Welt kumme isch, und dass en Zweite andersch isch als en Erschte und äbe andersch behandlet wäre moss, hon i ersch gschnallt, woner scho en Maa gsi isch. Weil er ase klei sin Name hot no it richtig sage känne, hoter schtatt Matthias »Tatzi« gset, wemer gfrogt hot, wie heisch denn du? Und des isch ihm i de Familie lang bliebe und fir mi sei Läbe lang. Wenn die Mei mitem z Nacht betet hot, Heilige Schutzengel mein, loss mich dir empfohlen sein, hot de Tatzi all nu betet, »loss mich dir ä Fohlen sein!« Und ä Fohle ischer wore, ä fröhlichs, luschtigs Kind, wo all wieder mol gset hot »gell Mammi, i bin deine Sonne!« Und weil no en Matthias i de Schtroß gwohnt hot, hond se zum Tatzi nu »s Brüderle« gsagt. Des Fohle, des Brüderle, isch denn größer wore und hot fescht mit de Hinderfüeß usgschlage, wies d Fohle so a sich hond. DSchuel hot ihm gschmeckt wie de meischte Kinder und mer hond gmont, er möss ufs Gymnasium, damit ers mol ringer hot wie de Vadder und de Vadder hot all glaubt, wunder wa fir en prima Vadder er sei. Etz glaubt me aber garit, wa alls glaubt wird, und die selle, wo all vu sich glaubed, wunder wie prima sie seied, des sind efters die gröschte Rindviehcher. Min Tatzi hot um mine Büechergschtell all en große Boge gmacht und des hon ich Idiot schlimm gfunde. Debi hot der, wie se saged, intuitiv kapiert, dass es vill vill Mensche giit, wo saumäßig vill gläse hond, de Doktertitel viellicht oder no meh, aber im Grund bled bliebe sind. I minere Tatzi-Mappe hon i ä Schreibe vu de Schuel gfunde, wo a mi adressiert war. Do ischer scho i de Nöche vu de Terror-Szene glandet, weil er »Sprengstoff in die Schule gebracht habe«. Mer hot i sim Hosesack drei Knallerbse gfunde, wa de Tatbeschtand »Sprengstoff« voll gerechtfertigt hot. I hon aber au no meh gfunde, nämlich sine Sigerurkunde im Drei- und Vierkampf, sine Abrechnunge, wo er ufem Bau gschuftet hot, und den Brief, dass er i dere Firma nume bliibt, woner all nud Aschebecher vu de Söhn vum Schef leere moss. I hon no ä Zeugnis gfunde vum Schefarzt vu de Schmieder-Klinik, woner uf de Intensiv-Reha fir Schwerstbehinderte gschafft hot, »mit sehr großem Eifer und Geschick, fleißig, zuverlässig, gewissenhaft und pünktlich«. Und des alls ohne mine Büecher! Us dem Fohle isch ä Rössle wore und des isch im »Pferdestall« glandet, dem Lokal, wo sich die Junge beiderlei Geschlechts troffe hond. Die Jugend im Umbruch, wos dohom fascht alle nume usghalte hond, weil die Alte nume begriffe hond, dass au sie ime Umbruch läbed. Der Pferdestall isch au mim Tatzi, mim Rössle, ä Zuflucht wore. Schließlich hoter den »Stall« selber gfihrt, weil de Besitzer zeitweise abwesend war und wo der wieder kumme isch, hot de Matthias sei eigene Kneipe uffgmacht, ‘s »Cafe Schröder« i de Hadwigschtroß. Er hot ghürote, isch Vadder wore und hot mir a sim Felix zeigt, wie en Vadder si sott. I kännt ä Buech iber min Matthias schriibe, ä dicks Buech, aber er hots doch mit de Büecher it ghet. S letscht Kapitel war sei Krankheit, sin Lungekrebs. Nie ä Wort der Klage, schtummes, aber hoffnungsvolles Leiden, heiter, hoter die geliebt, wo umen wared, i mecht sage, dasser groß war, mein Tatzi, und dass sei »Mammi« etz zuem sage soll, du Matthias, de Vadder isch schtolz uf dich ...

Von Walter Fröhlich

Autor:

Redaktion aus Singen

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