Liebe Leserinnen und Leser,

in ein paar Tagen ist erster Advent. Weihnachten steht vor der Türe.

Weihnachten.

Vielleicht ist das Fest der Feste heutzutage vor allem ein feierliches Gefühl, eine Mischung aus Ruhe, Entspannung, Liebe, innerem Frieden, Nostalgie und der Sehnsucht nach einer heilen Welt. Dieses Gefühl wollen wir irgendwie haben zum Ende des Jahres, oftmals wird daraus allerdings ohnehin eher Hektik, Stress und Familien­twist.

Dieses Jahr beginnt der Stress schon vor dem ersten Advent: Können wir Weihnachten feiern oder nicht? Wie müssen die Corona-Regeln vorher aussehen, dass wir Weihnachten feiern können? Wird das Weihnachtsfest Infiziertenrekorde hervorrufen? Wieviele Menschen dürfen zusammen Weihnachtsgans essen? Schaffen wir es, bequem genug alle Geschenke schnell zusammenzuraffen, die wir brauchen? Können wir es nach Weihnachten an Silvester richtig krachen lassen? Ist Weihnachten überhaupt ein Fest, das wir gerade feiern wollen, wenn wir gerade um unsere wirtschaftliche Existenz kämpfen oder gerade gar keine berufliche Perspektive mehr haben?

Da macht es Sinn, kurz innezuhalten und eine Entscheidung zu treffen:

Wie wollen wir denn – jetzt während des Ziel­einlaufs eines verrückten Jahres – tatsächlich Weihnachten feiern wollen. Ja, genau, wir entscheiden, wie wir das Fest begehen.

Vielleicht geht es darum, dass wir begreifen, dass Weihnachten kein Fest ist, an dem wir unsere Erwartungen erfüllt bekommen, gleich einem Kind, das erwartet, dass es bekommt, was es auf den Wunschzettel geschrieben hat, und wenn nicht - dann brennt der Weihnachtsbaum…,

sondern ein Fest, an dem wir vielleicht überrascht werden, aber vor allem andere überraschen könnten und dann als Lohn diese leise Freude haben, Freude an der Freude des anderen. Das Fest der Familie, an dem wir uns bewusst werden, was uns mit den anderen tatsächlich verbindet und was unsere Familie eigentlich ist, auch wer zur Familie außerhalb unserer Verwandtschaft gehört… Was verbindet uns mit wem?

Vielleicht das Gefühl, mit anderen zusammen für etwas da zu sein, etwas mit anderen zusammen in die Welt einbringen zu wollen?

Und vielleicht kommt jetzt in der Adventszeit die Erkenntnis, wer eigentlich alles tatsächlich für uns da ist in dieser Gesellschaft, uns Sicherheit, Gesundheit, Inspiration, Lebendigkeit, Vielfalt, Nähe, Rat und Tat, andere Meinungen oder Freiheit bietet?

So würde Weihnachten ein Fest für etwas, das uns verbindet, das uns ein bisschen inneren Frieden bringt, das sich nach Liebe anfühlt, das vielleicht sogar ein bisschen heile Welt im kleinen Umfeld schafft? Für eine Region, in der wir künftig leben wollen. Für einen Umgangston,
den wir selbst gerne haben. Für den
Respekt, den wir möchten, dass andere ihn uns entgegenbringen. Für die Anerkennung derer, die an Weihnachten Dienst haben, also uns dienen, damit wir feiern können. Für ein bisschen Interesse daran, wie es der Nachbarin oder dem Nachbarn geht und denen, die kein
Zuhause haben, denen, die alleine sind oder denen, die ihre wirtschaftliche
Existenz davon schwimmen sehen. Für Dank­barkeit, dass wir in einer Welt leben, in der es den meisten von uns doch trotz einem verrückten Jahr, ganz gut geht: Keine Hunger­katastrophe, keine Pest, kein Krieg. Selbstverständlichkeit? Für die meisten von uns ist es selbstverständlich. Aus Sicht der Menschheitsgeschichte nicht: 99 Prozent der Menschheitsgeschichte lebten wir unsicherer als 2020.

Und so könnte Dankbarkeit die Quelle eines schönen Weihnachtsfestes werden. Weil wir erst den Blick weg von unseren Erwartungen an die Welt hin zu unseren Mitmenschen wenden. Und dann wertschätzen, was die für uns tun, wie sie für uns Zeit haben, wie sie sich für uns einsetzen – immer mit dem, was sie können, nicht immer mit dem, was wir erwarten.

Und wir könnten kleine Entscheidungen treffen, hier in Welt eins, wo wir wirklich miteinander verbunden sind und uns danach sehnen, uns wieder näher sein zu können.

Ein paar Ideen haben wir schon, vielleicht ist etwas für Sie dabei? Einen Künstler oder eine Künstlerin der Region unterstützen, die man gerne 2021 wieder auftreten sehen möchte. Einmal mit den Menschen sprechen, die derzeit in den Krankenhäusern ihren Dienst leisten und vielleicht auch an Weihnachten uns allen dienen statt zu feiern. Vor Ort kaufen, statt bei den Internetgiganten und damit bei denen, die hier in der Region das ganze Jahr gekämpft haben, um Arbeitsplätze, um Umsätze, um ihre Miete zu bezahlen, um lebendige Innenstädte, um ihr eigenes Unternehmen. Das Adventsmenü beim Gastronom um die Ecke bestellen. Sich bei Politikerinnen und Politikern zu bedanken, die es uns dieses Jahr sicherlich nicht so richtig recht machen konnten, von denen aber sicherlich einige bis fast zur Erschöpfung überlegt und überlegt haben, um das Richtige zu entscheiden – das sagen wir, die wir hier auch kritisiert haben und sicherlich auch kritisch bleiben werden. Ein paar Plätzchen für die Nachbarin oder den Nachbarn mitbacken, die man schon lange nicht mehr gesehen hat (wie geht es ihr wohl?) und draußen in der Adventssonne ein paar Worte wechseln. Adventsspaziergänge mit einem Menschen oder einer Familie unternehmen, die alleine sind, mit genug Abstand, was so ja gut möglich ist. Ein paar persönliche Weihnachtsbotschaften verschicken, mit denen man sich bei Menschen bedankt, bei denen man sich noch nie bedankt hat. Strohsterne basteln für die Weihnachtsdekoration von Menschen, von denen man weiß, dass Sie vor Weihnachten nicht so viel Zeit haben, weil sie zum Beispiel noch an Heilig Abend an der Supermarktkasse sitzen.

Vielleicht fallen Ihnen noch andere kleine Advents- und Weihnachtsideen ein, die Sie teilen möchten, dann mailen Sie uns gerne an [url=http:mailto:seitedrei@wochenblatt.net]seitedrei@wochenblatt.net[/url].

Wir wünschen Ihnen einen schönen Start in die Adventszeit und viele verbindende Momente,

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Herausgeber
Oliver Fiedler, Chefredakteur

Autor:

Redaktion aus Singen

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