Liebe Leserinnen und Leser,
während diese Zeilen entstehen, schauen wir zum Fenster hinaus und sehen blauen Himmel und Sonnenschein. So ähnlich war die Situation am Beginn des Lockdowns im Frühling auch und doch ist vieles anders dieses Mal:
Erstens: Die meisten von uns fühlen sich irgendwie angeschlagen. Für viele, die in Verantwortung sind und die in den letzten Wochen durchgestartet sind, um wieder Fuß zu fassen, kommt die zweite Welle und die Konsequenzen daraus einer Vollbremsung im vollen Lauf gleich. Bange schaut man nach Berchtesgaden, wo Markus Söder gerade Maßnahmen ankündigt, die einem Lockdown gleichkommen. Und für viele ist das Warten am Spielfeldrand zum Beispiel in Kurzarbeit jetzt zu etwas geworden, was sich irgendwie endlos anfühlt.
Zweitens: Wir wissen etwas mehr über das Virus, aber eben immer noch viel zu wenig. Die Sterblichkeit, soviel ist mittlerweile klar, ist ungefähr 10- bis 20mal so hoch wie bei der saisonalen Grippe, aber wesentlich geringer als Anfang des Frühjahrs befürchtet. Abstand halten, Masken aufziehen (vor allem auch über die Nase) und weniger Kontakte und die Kontakte weniger lange, lüften und etwas fürs Immunsystem tun (raus an die frische Luft und bewegen) hilft. Nur: Ein Impfstoff, der wirklich hilft oder entsprechende Medikamente sind nicht in Reichweite. Was das Virus in unseren Körpern an Spätfolgen bewirkt, wissen wir nicht sicher und was die verschiedenen Corona-Maßnahmen für Kollateralschäden erzeugen durch
psychische Probleme, Angstfolgen, verschobene Krankenhausaufenthalte etc., dazu gibt es zwar viele Stimmen, aber bislang so gut wie keine Stimmen aus der Politik, die einen vermuten lassen, dass hier Erkenntnisse bewusst in Abwägungsprozesse einfließen.
Drittens: Die Spaltung der Gesellschaft ist weiter vorangeschritten, auch weil die Coronakrise immer offensichtlicher Gewinner und Verlierer trennt: Menschen mit sicheren Jobs und Menschen, deren Jobs gefährdet sind; Menschen, die emotional mit der Situation noch zurechtkommen und Menschen, die immer aggressiver werden aufgrund der Einschränkungen; Unternehmen, deren Erfolg auf Kontakt mit Menschen in Welt eins basiert und deren Geschäftsmodelle unter die Räder kommen und die internet-Big-Five, deren Börsenwerte sich seit Beginn der Krise fast unglaublich erhöht haben.
Wie gehen wir mit der Situation jetzt um? Vielleicht ja so: Erkennen, dass es nicht nur um mich geht, sondern darum, dass von meiner Vernunft und meinem Verständnis auch die Gesundheit und die Zukunft der anderen abhängt. Das würde dann dazu führen, dass wir bereit sind Regeln zu akzeptieren, die da sind. Das würde aber auch bedeuten, dass wir miteinander Lösungen suchen und das, nachdem wir uns verstanden haben. Für die Region gesprochen: Die Wirtschaft der Region, die Politik und die Kultur in dieser Region sitzen in einem Boot und so müssen auch gemeinsam Lösungen gefunden werden, ohne Scheuklappen, ohne im Zorn zurückzublicken, und immer im Gespräch bleibend und immer wieder aufeinander zugehend.
Verstehen bedeutet, dass man Regeln baut, die verstanden werden können.
Und wenn ich als Konsument verstanden habe, kann ich auch jetzt wieder entscheiden: Will ich lokale Strukturen vor Ort, Einzelhändler, Kulturtreibende, Arbeitsplätze, Radwege, Spielplätze etc. dann unterstütze ich diese lokalen Strukturen, kaufe oder bestelle vor Ort. Will ich davon weniger, dann unterstütze ich andere Strukturen.
Wir bekommen in den nächsten Monaten, was wir uns als Gesellschaft verdienen, so oder so. Und jeder von uns hat auch hier Wahlfreiheit.
Treffen Sie eine bewusste Wahl und genießen Sie gerade jetzt das schöne Herbstwetter.
Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Verlagsleiter
Oliver Fiedler, Chefredakteur
Autor:Redaktion aus Singen |
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