Liebe Leserinnen und Leser,

wie geht es Ihnen in diesen verrückten Zeiten? Sind Sie daheim und warten weiter darauf, dass Ihr Kind in den Kindergarten darf oder Sie zurück an Ihre Arbeitsstelle dürfen? Möchten Sie, dass Ihr Kind mal wieder »Regelunterricht« hat? Sind Sie vielleicht Unternehmer und kämpfen und bangen im fliegenden Wechsel um Ihre unternehmerische Zukunft? Oder gehören Sie zu denen, denen Corona und die Folgen auf keinerlei Weise zugesetzt hat?

Ja, die meisten von uns erleben gerade die erste große geschichtliche Zäsur Ihres Lebens, wir auch in Redaktion und Verlag. Und wir erleben auch, dass Politik es während des Lockdowns sicherlich nicht allen recht machen konnte (und wir uns tatsächlich ganz gut geführt gefühlt haben, wenn wir uns in der Welt umgeschaut haben) und jetzt, diese Vermutung beschleicht uns, versuchen es die meisten Politiker und Politikerinnen erst gar nicht mehr, auf möglichst viele einzugehen. Es scheint, als ob man in Landesregierungen, Verwaltungen und Rathäusern gemerkt hätte, wie einfach es doch ist, einfach durchzuregieren und jetzt einfach so weitermacht: Verordnungen, Erlasse, Regeln, mit heißer Nadel gestrickt, sofort umzusetzen von den Menschen im Land und Zuschüsse und Kredite mit der Gießkanne verteilt, das ist die Tagesordnung. Und bei dieser Tagesordnung kommen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Familien, die Soloselbständigen nicht mehr mit.

Fast scheint es so, als ob es in den letzten Wochen und Monaten so gut funktioniert hat, einfach Regeln zu erlassen und die Bevölkerung nimmt, was sie kriegen kann: Das fühlt sich sicherlich machtvoll an. Die Bevölkerung an der Tränke und von Stuttgart bis Berlin wird entschieden, was drin ist in den Tränken. Aber: Wir befürchten, dass das kein guter Zustand ist, in dem sich die gelebte Demokratie da befindet. Wir haben derzeit wie einige von Ihnen den Eindruck, dass der Staat, der doch irgendwie wir alle sind, mit ziemlich viel Willkür agiert und mit wenig Sinn für die Zukunft vor allem in den lokalen Räumen: Für wen wird eigentlich gerade Politik gemacht und welche Prämissen gelten da gerade? Wie wird entschieden, wer welche Gelder bekommt und wer nicht? Wem dient eine Mehrwertsteuerreduzierung um drei Prozent, die auch in mittelständischen Unternehmen binnen weniger Tage umgesetzt sein muss, ohne dass sie im Detail durchdacht wäre? Wie entsteht gerade die Schulwelt, die unsere Kinder erleben und was nehmen die Kinder da in die Zukunft als Idee über den Staat mit aus eigenem Erleben? Ist es in Ordnung, wenn Freibäder ihre Karten nur noch als Onlinetickets rausgeben und damit denen, die nicht online sind, den Zugang erschweren? Und auf der anderen Seite die bürokratischen Hürden weiter hoch bleiben, die Digitalisierungshausaufgaben der Bundes- und Europa-Politik weiter weitestgehend unerledigt bleiben und das Schulsystem nicht von Grund auf modernisiert wird? Da machen Teile der Politik ihren Leistungsträgern und den Leistungsträgern der Zukunft gleich auch gerade richtig Stress, ohne sich selbst auch dort in Verantwortung zu begeben, wo es dringend notwendig ist. Welche Werte da gerade im Spiel sind, verstehen wir gerade nicht mehr so richtig.

Warum bekommt das Regionalfernsehen in Baden-Württemberg Unterstützung und beschreibt das im Newsletter von TV Baden-Würt­temberg mit den Worten: »Das Land Baden-Württemberg hat die regionalen Fernsehsender mit der lokalen Berichterstattung betraut«. Bedeutet das, dass der Staat jetzt Medien mit der Berichterstattung betraut? Alleine die Formulierung lässt einem bei den derzeitigen Diskussionen über die Unabhängig­-
keit der Medien Schauer den Rücken herunterrennen, egal wie es gelebt wird. Entscheidet die Landesregierung, welche Medien gehen müssen und welche bleiben dürfen? Mit welcher Legitimation? Ist das noch die Pressefreiheit, die gemeint war? Das verstehen wir tatsächlich nicht mehr. Und fühlen uns in diesem Punkt gerade genauso betroffen wie viele von Ihnen.

Eines scheint uns gerade offensichtlich: Hier wird gerade eine neue Welt mit neuen Regeln gebaut, die, so scheint es uns, Freiheit abbaut und staatliche Reglementierung aufbaut. Ist das der Weg, den wir brauchen? Lassen Sie uns diskutieren. Und schreiben Sie uns gerne: seitedrei(at)wochenblatt.net

Ihnen eine Woche mit hoffentlich guten Überraschungen
Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Verlagsleiter
Oliver Fiedler, Chefredakteur

- Verlag Singener Wochenblatt

Autor:

Redaktion aus Singen

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