Liebe Leserinnen und Leser

wir schreiben die siebte Woche, seitdem klar ist, dass das Coronavirus und unser Umgang damit unser Leben wesentlich verändern werden.

Dieser Eingangssatz, den wir an dieser Stelle jetzt in dieser oder ähnlicher Weise die siebte Woche in Folge schreiben, ist mittlerweile zur Gewissheit geworden.

Es gibt einen mehr oder minder tiefen Graben, der mittlerweile mitten durch Familien, durch Unternehmen, durch die Social-Mediaplattformen, durch die Gesellschaft geht – auch hier in der Region. Und dieser Graben muss nicht schlecht sein, ganz im Gegenteil. Die Menschen sind aus der Schockstarre aufgewacht und fangen an zu diskutieren und Fragen zu stellen:

Auf der einen Seite sind Sie, die glauben, dass das schon ganz ordentlich ist, dass wir daheim bleiben, Abstand halten, den Schulbetrieb, den Handel, die Gastronomie, die Kultur - eigentlich unser gesamtes Leben in Welt eins - heruntergefahren haben, damit möglichst wenige sterben am Corona-Virus und einige von Ihnen reagieren schon mit verbaler Gewalt, wenn Ihre Position in Frage gestellt wird.


Und auf der anderen Seite
sind Sie, die Aussagen der regierungsnahen Virologen und Berater in Fragestellen, zur Diskussion stellen, ob der Coronavirus diesen Eingriff in unsere persönliche Freiheit rechtfertigt, die sagen, dass es hinzunehmen ist, wenn Menschen ein paar Monate früher sterben als eigentlich vom Schicksal geplant, wenn die Wirtschaft dafür wieder richtig anläuft, die gesundheitliche Schäden ganz anderer Art befürchten und die teilweise sogar regelrecht zum Sturm blasen.

Was richtig ist, wissen wir nicht, es gibt eben nicht die eine Wahrheit, aber es gibt berechtigte Fragen und einen unglaublich schwierigen Abstimmungsprozess. Ist der Komplettshutdown in Neuseeland das richtige Konzept, das schwedische Wohlfühl-Rezept gut, das amerikanische oder doch das deutsche? Wir wagen es nicht zu beurteilen – auch wir müssen mit der Ungewissheit leben und bieten deshalb diese Woche verschiedene Sichtweisen an.

Und es geht auch nicht um eine Abstimmung zwischen Menschlichkeit (kompletter Lockdown für die Gesundheit) und Geld (alles wieder laufen lassen), weil ein Lockdown genauso gesundheitliche Folgen für die Menschen hat, wie »das alles laufen lassen«.

Es geht um Entscheidungen und die haben Folgen: Viele Unternehmen können jetzt ein bisschen öffnen und machen dabei nur etwas weniger Verluste als vorher – ohne Zukunftsperspektive. Kinder erleben ohnmächtige Lehrer gerade und welche, die aus dem Homeschooling coole Projekte machen. Viele Unternehmer stehen vor dem Aus. Unternehmer nehmen Kredite an, verschulden sich über Jahre hinweg, ohne zu wissen, wie es weitergeht. Viele Einzelhändler haben die Krise genutzt, um nachzudigitalisieren. Viele Menschen haben Sehnsucht nach echter Begegnung und haben den Wert der näheren Umgebung neu entdeckt. Wir würden gerne mal wieder alle zusammen essen gehen. Mitarbeiter sind in Kurzarbeit und wissen oft nicht, ob sie ihren Arbeitsplatz jemals wiedersehen. Viele entdecken die Region wieder als Naherholungsgebiet. Der Himmel ist ohne Kondensstreifen. Die Krankenhausbetten-reservierungen für die Coronafälle haben möglicherweise dafür gesorgt, dass viele Menschen nicht behandelt wurden, die es gebraucht hätten. Die Immobilienbranche bekommt wieder Aufwind. Viele Menschen haben in der Krise ganz schnell gelernt, was Ihnen wirklich wichtig ist und was nicht. Die Krise zeigt, welche Politikerinnen und Politiker wirklich wie arbeiten gerade. Der Preis des Lockdowns und der unentschiedenen Lockerungen des Lockdowns ist, dass wir als unabhängiges journalistisches Medium für alle in der Region ums Überleben kämpfen, viele unserer Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit sind und auch wir gerade alle übrige Zeit damit verbringen, Ihnen jede Woche eine möglichstnahe vielseitige und lebendige Zeitung zu präsentieren und die wöchentlichen Verluste dabei möglichst gering zu halten.

In vielen Bereichen hat uns der Virus und unser Umgang damit einen Zeitraffer beschert, der Entwicklungen jetzt vorwegnimmt, die vielleicht in zwei oder drei Jahren gekommen wären, in vielen Fällen aber haben auch mit heißer Nadel gestrickte Entscheidungen für Ungerechtigkeiten gesorgt, die gerade (wirtschaftliche) Existenzen kosten. Und das macht vielen von Ihnen (uns auch) gerade richtig Stress.

Dagegen steht ein Effekt des Lockdowns, den wir nie genau beziffern können werden, weil es das Wesen der Prävention ist, dass man nie weiß, was man mit den Maßnahmen verhindert hat.

Wir wünschen uns: keinen zweiten Lockdown wegen einer zweiten Coronawelle, gute, weil möglichst zukunftsgerichtete und verantwortungsvolle Entscheidungen der Politik und den Mut der Menschen, sich zu konfrontieren UND im Gespräch zu bleiben - über die Gräben, die sich aufgetan haben, hinweg. Wir werden unseren Beitrag zu beidem leisten.

Ganz viel Zuversicht, ein bisschen Mut zur differenzierten Wahrnehmung und passen Sie auf sich auf,

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Verlagsleiter
Oliver Fiedler, Chefredakteur

- Verlag Singener Wochenblatt

Autor:

Redaktion aus Singen

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