Liebe Leserinnen und Leser

Wir schreiben Mitte der Woche drei, seit uns allen klar ist, dass der Coronavirus und unser Umgang damit unser Leben wesentlich verändern wird.

Selbst am Wochenende laufen die Drähte momentan heiß, wahrscheinlich bei ganz vielen Menschen der Region, die Verantwortung haben für andere, sei es in der Pflege überall dort, wo Menschen sind, die besonders gefährdet sind, in Kliniken, bei Arztpraxen, bei Polizei und Rettungskräften, im Lebensmittelhandel, in Apotheken und Drogerien, in den öffentlichen Verwaltungen und in unserem Zeitungsverlag. Und nicht zu vergessen bei allen anderen, die Verantwortung für Arbeitsplätze in der Region haben und die momentan geschlossen sind.

Solidarität ist das erste Stichwort dieser Tage: In der Region hilft man sich an vielen Stellen gegenseitig. Und so bekommen Pflegekräfte in der Region Muffins, wobei wir hier ganz direkt sagen müssen: Pflegekräfte und alle, die mit Menschen arbeiten und ihnen dienen, verdienen in unserer Gesellschaft zu wenig. Muffins sind nette und ehrlich gemeinte Wertschätzung, aber da muss sich etwas anderes ändern und zwar dauerhaft: die Wertschätzung der Menschen, die anderen Menschen helfen, in Form von Lohn. In diesem Punkt sind sich die Unterzeichner einig, und immer mehr Ehrenamt ist nicht die Lösung, sie ist nämlich nicht wertschätzend gegenüber der Leistung, die hier erbracht wird.

Wir hoffen sicherlich gemeinsam mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass uns solche Bilder, wie sie derzeit aus Madrid und Norditalien in die Wohnzimmer flimmern, in der Region erspart bleiben. Wenn wir in unserer Gesellschaft entscheiden müssen, wem wir nicht mehr helfen können, so ist das traumatisch für uns alle. Wir hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, den Anstieg der Infizierten-Kurve flach zu halten, damit die Zahl der Neu erkrankungen nur so steigt, wie unsere medizinische Versorgung das stemmen kann. Und wir hoffen, dass das Robert-Koch-Institut und die Bundesregierung Mut zu den richtigen Entscheidungen haben und dass die Bevölkerung die Weisungen mitgeht. Auch wenn man kritisch hinschauen muss, was gerade passiert. Momentan ist in der Region noch so viel Energie, dass wir sogar anderen Regionen helfen können, auch das ist Solidarität in Europa: Coronaintensivpatienten aus dem Elsass werden hier behandelt.

Die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft in der Region inklusive unseres eigenen Verlages schwankt, und damit auch sehr viele Arbeitsplätze in der Region und die Gewerbesteuereinnahmen, die vor Ort wieder investiert werden. Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister wie Fitnessstudios, Friseure etc. versuchen mit digitalen Lösungen ohne persönlichen Kontakt nahe an die Menschen zu kommen. Ein Hoch auf allen Innovationsgeist in der Region, den wir nach Kräften unterstützen. Manche schaffen das sehr gut, aber es zeigt sich schon jetzt: da wird auf Dauer kein Platz für alle sein. Manche bestellen Essen für daheim, manche kochen jetzt lieber, statt ins Restaurant zu gehen, und: Die meisten Gastronomen verdienen das meiste Geld mit Getränken …

Der Handel versucht ebenfalls, mit guten Ideen an die Menschen der Region zu kommen, zumindest viele Händler. Wir werben dafür, diese Angebote zu nutzen oder das Geld für die Wirtschaft der Region zu sparen. Konkurrenzfähig gegen die Internetgiganten, denen die Regierungen erlaubt haben, mächtiger als die Politik zu werden, sind sie preislich nicht. Mit menschlicher Nähe und Service vor Ort schon, aber beides ist derzeit stillgelegt.

Es muss jeder für sich überlegen, wie die Welt sein soll, in der er leben will nach dem Virus und dann Entscheidungen treffen. Und da geht es auch und für uns ganz wesentlich um die Frage, ob es noch lebendige Städte geben wird, in denen es Vielfalt und viele Arbeitsplätze bei mittelständischen Familienbetrieben gibt. Das spricht für ganz viel Unterstützung jetzt für die lokale Wirtschaft und für das Geld zusammenhalten, statt sich den Lagerkollerfrust in den weltweiten Onlineshops vom Leib zu kaufen.

Eines ist uns zumindest schon klar: Der warme Geldregen, der der Bevölkerung werbewirksam verkauft worden ist mit Soforthilfen und Darlehen, wird ganz vielen Unternehmen nicht helfen, weil der Teufel im Kleingedruckten und in unserem hochkomplexen Finanzsystem liegt und sich die Frage stellt, was von dem vielen Geld bei denen ankommen wird, die es brauchen.

Zum WOCHENBLATT: Unsere Zustellerinnen und Zusteller stellen weiter wacker zu, unsere Werbeberater führen ganz viele Gespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern, auch wenn diese gerade wenig Grund haben, groß zu inserieren. Gestalter und ITler kreieren jeden Tag neue Ideen zur Unterstützung der gebeutelten Wirtschaft in der Region und die Redaktion ist teilweise Tag und Nacht ganz nah an den Menschen dran, was auch ohne Pressekonferenzen und Sitzungen funktioniert, und im Haus sprechen wir mittlerweile mehrmals am Tag über die große und die kleine Lage. Noch schaffen wir es, mit rund 60 bis 70 Prozent Umsatzeinbußen pro Woche, die eine oder andere Woche durchzuhalten und bei leider vollen Kosten und viel mehr Arbeit weiter zu verteilen. Wie lange, hängt wesentlich davon ab, wie die Regeln für den »Ausgang« ab dem 19. April sein werden. Das ist das Befremdendste für uns im Haus derzeit: Wir sind systemrelevant, wissen aber nicht, wie lange wir das schaffen …

Warum wir dann weiter zustellen? Weil wir es uns nicht zu einfach machen wollen. Weil wir entschieden haben, dass wir in der Krise weiter ein verlässlicher Kommunikator für Sie sein wollen in nahezu allen Haushalten, um Ihnen auch diese Woche Information und Sicherheit, Orientierung, Mut und Zuversicht in die Briefkästen zu liefern, über das, was uns am nächsten ist: unsere unmittelbare Umgebung, unseren Ort, unsere Stadt, kurz: unsere Heimat. Danke auch diese Woche an unser unglaubliches Team, dass es die Energie genau dafür aufrechterhält.

Bleiben Sie gesund und helfen Sie, wo Sie können.

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Verlagsleiter
Oliver Fiedler, Chefredakteur

- Verlag Singener Wochenblatt

Autor:

Redaktion aus Singen

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