Liebe Leserinnen und Leser,
egal mit wem wir gerade reden: Die Menschen wünschen sich, dass dieses Jahr jetzt zu Ende geht. Und die meisten sagen uns, dass sie langsam erschöpft sind. Erschöpft nach einem Jahr, das im Frühjahr dank Corona eine unerwartete Wendung genommen hat und in dem wir uns mittlerweile in einem Langstreckenlauf mit unklarer Wegführung und offenem Ausgang wiederfinden.
Diese Woche eröffnet das Cano sein neues Center, eröffnen heißt: die Türen öffnen. Die offizielle und feierliche Eröffnung ist auf Frühling verschoben. Wir haben jetzt in dieser Ausgabe viele Informationen zu den Mietern im neuen Cano zusammengetragen und unter dem Titel »Singen startet durch« auch geballte Information über eine Stadt, die sich durch die Krise kämpft und in der viele schauen, wie sie in der Welt nach Corona noch eine Rolle spielen können angesichts eines immer deutlicheren Machtgefälles zwischen Onlinegiganten und den Playern vor Ort.
Und nicht nur in Singen wird gekämpft: In Radolfzell sollten zu Beginn des neuen Jahres die Heimattage eröffnen, eigentlich zum Neujahrsempfang und eben zur offiziellen Eröffnung der Heimattage mit einem Magazin des Wochenblatts mit dem Jahresprogramm. Die Eröffnung der Heimattage: findet digital statt. Auch Ministerpräsident Kretschmann wird nur digital präsent sein. Unser Magazin, Ihr Programm für die Heimattage: wird vielleicht irgendwie nachgeholt. Später?
Die Fastnachter in der Region: trauern darum, dass das Zwischenmenschliche fehlt, und wer jetzt nur an Party denkt, liegt falsch: Das Ehrenamt in diesem Land und in dieser Region lebt und speist sich aus dem gemeinsamen Erleben. Und das ist durch digitale Formate schlussendlich nicht ersetzbar, durch eine neue Ehrenamtspauschale auch nicht. In Feuerwehrkreisen geht bereits die Furcht um, dass man viele ehrenamtliche Kameraden verlieren wird, weil die gelebte Kameradschaft in Welt eins fehlt.
Verwehren tut man sich der digitalen Welt auch in der Region nicht: Narrenvereine arbeiten schon einmal an digitalen Formaten. Vielleicht erleben wir sogar eine digitale Version des Hohen Grobgünstigen Narrengerichtes zu Stocken. In Wochenblatt-TV (www.wochenblatt.net/tv) lassen wir Sie seit März an vielem mit bewegten Bildern teilnehmen. Ab dieser Ausgabe können Sie mit Ihren Mobilgeräten mit QR-Codes vertiefende Inhalte ganz einfach mit Ihrer Handykamera aufrufen: Kamera auf den QR-Code halten, angezeigten Link öffnen … Zum Beispiel auf unserer dieswöchigen Kampagnenseite und weiteren acht Onlineshops aus der Region ...
So wird also improvisiert und ausprobiert und am Ende reift der Gedanke: Alles schön und gut, eine Region zeigt, wieviel Kampfgeist sie hat, aber wir brauchen nach Corona auch das direkte Erleben, Lebendigkeit und damit Ideen, Engagement und das Geld und die Kraft vor Ort, das alles leisten zu können. Die digitale Welt alleine mit ihren aus Amerika und China diktierten Spielregeln würde eher trostlose Regionen produzieren, sie sorgt nicht für genug Ressourcen vor Ort.
Und deshalb schauen wir mit einer gewissen Machtlosigkeit nach Berlin und Brüssel und haben zwei Wünsche: 1. dass jetzt von Seiten der Politik und der Behörden, die sich ja in den letzten Monaten einiges an zusätzlicher Energie gegönnt haben, handwerklich sauber gearbeitet wird (Stichworte: Novemberhilfen, Corona-App, Klinikfinanzierung etc.), und 2. dass man sich der Welt vor Ort tatsächlich annimmt und dafür die Rahmenbedingungen schafft, dass hier wieder Kraft entstehen kann.
Bis dahin werden wir weiter kämpfen so wie viele von Ihnen auch, vielleicht ist das ja der Sinn: Wir lernen uns einzusetzen, ohne, dass wir wissen, was dabei herauskommt … Und dann ist das Glück vielleicht mit den Tüchtigen.
Lassen Sie uns dranbleiben.
Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Herausgeber
Oliver Fiedler, Chefredakteur
Autor:Redaktion aus Singen |
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