Hallo und guten Tag
Abgeholzt
Hüpfen, rennen, tollen, springen – da wird selbst ein älterer Geselle wie ich richtig munter und fühlt sich wieder wie ein junger Hund. Die Sonne scheint und jeder Zwei- sowie Vierbeiner streckt ihr freudig die Nase entgegen. Überall hört man die Vögel zwitschern, manche Zugvögel kehren sogar von ihren Überwinterungsquartieren wieder zurück und die länger werdenden Tage lassen keinen Zweifel mehr zu, dass die graue und kalte Jahreszeit in der Endphase steckt. Bin ich vielleicht erschrocken, als beim entspannten Geschnüffel auf dem täglichen Spaziergang ganz in der Nähe eine Kettensäge gestartet wurde. Zum Glück hatte mein Herrchen mich an der Leine, sonst wäre ich wahrscheinlich vollkommen kopflos in den Wald gerannt. Während unserer Runde war dann das Geräusch der laufenden Sägen omnipräsent und auf dem Rückweg hat mich fast der Schlag getroffen. Wo waren denn all die Bäume und Büsche hin, die unseren Weg immer säumten und in denen sich lautstark so viele Vöglein versammelt hatten? Es war still auf dem Rückweg. Die Kettensägen waren aus – und die Vögel waren weg. Wo sie jetzt wohl übernachten, wenn die schützenden Hecken weg sind? Als wir ein paar Tage später wieder dort entlangliefen, machte sich das Ausmaß der motorisierten Holzmacher erst richtig bemerkbar. Kahlschlag. Kaum etwas steht mehr am Wegesrand. Tiefe Riefen im aufgeweichten Waldboden zeugen von schweren Holzerntemaschinen. An Straßen werden solche Kahlschläge oftmals mit der Verkehrssicherheit begründet. Gutachten über Bäume werden erstellt um sicher zu gehen, dass kein Ast unvorhergesehen abbrechen kann. Ein Gesundheitszeugnis für einen Baum sozusagen. Ich habe mich allerdings gefragt, ob ein Baum innerhalb eines Jahres wirklich so marode und krank wird, dass ein solches Gutachten komplett über den Haufen geworfen werden kann. Oder liegt das an den geplanten Baumaßnahmen, für die der Baum einfach ein Hindernis darstellt? Hat sich der erste Gutachter dermaßen geirrt – oder zählen für den zweiten Gutachter ganz andere Dinge? Gefällt den Menschen die eine Meinung nicht, wird gerne eine andere eingeholt, die passender erscheint. Das habe ich schon bei manchen Dingen beobachtet. Verschiedene Angebote – verschiedene Preise. Bezahlt wird am liebsten der günstigste Preis. Ja, bezahlen werden Sie, die Zweibeiner. Mit dem Schweigen der Vögel, wenn diese keine Nistmöglichkeiten mehr finden, wenn die Brutsaison losgeht. Wobei, durch die schwindende Insektenmasse wäre wahrscheinlich sowieso nicht genug Futter für die kleinen Piepmätze vorhanden. Gut, wenn dann wenigstens ökologisch und naturfreundlich mit Holzschnitzeln geheizt oder Energie erzeugt werden kann …
Wo soll das noch enden? Mir bleibt die Hoffnung auf die Anpassungsstärke der Natur. Hängen Sie bitte Nistkästen auf.
Ihr Dr. Einstein.
Autor:Redaktion aus Singen |
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