Vortrag Rechtsextremismus und Islamismus
"Jede Strömung ist auf ihre Art gefährlich"

Einen spannenden Einblick in die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutzes gab es beim Vortrag zu den Themen Rechtsextremismus und Islamismus im Arlener Kulturpunkt.  | Foto: Philipp Findling
  • Einen spannenden Einblick in die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutzes gab es beim Vortrag zu den Themen Rechtsextremismus und Islamismus im Arlener Kulturpunkt.
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Rielasingen-Arlen. Wie sind die aktuellen Entwicklungen im Bereich Rechtsextremismus und Islamismus? Unter anderem hierüber informierte ein Vortrag zweier Referenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) am 16. Januar im Kulturpunkt Arlen.

Dabei stieß die Veranstaltung des "Bündnis Demokratie stärken" auf großes Interesse. "Nicht alle sind geflüchtete Verbrecher, sondern auch Menschen wie wir", betonte Bürgermeister Ralf Baumert zu Beginn. Die Referenten, die hier seitens des LfV nicht namentlich genannt werden dürfen, informierten zunächst darüber, dass es sich bei beiden Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus über sogenannte "Phänomenbereiche" handle. Gerade der Rechtsextremismus sei der Referentin hierfür zufolge ein Phänomen mit vielen, unterschiedlichen Facetten, Strömungen und Akteuren. Des Weiteren informierte die Referentin über den Auftrag des LfV, der "Beobachten, Informieren, Schützen" lautet. Dabei beobachtet das LfV Akteure, die verfassungsschutzrelevant sind und analysieren diese. Informiert wird unter anderem auch über den jährlichen Verfassungsschutzbericht. Zu guter Letzt hat das LfV der Referentin zufolge den Auftrag die freiheitlich-demokratische Grundordnung (fdGO) zu schützen, sprich, dass bei Bedarf die vorliegenden Kenntnisse an die Exekutivbehörden wie Justiz oder Polizei ausgesteuert werden, die dann potenzielle Gefahren für die fdGO abwenden sollen.

Aktuelle Trends

Bei der fdGO handelt es sich laut der Referentin mit der Menschenwürde, dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip um zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat unentbehrlich sind und aus dem gescheiterten Urteil eines NPD-Verbots hervorgegangen sei. Der Verfassungsschutz sei ihr zufolge bei Personenzusammenschlüssen, die mindestens einen dieser Grundprinzipien beseitigen möchten.
Im Folgenden ging die Referentin des LfV auf aktuell beobachtende Gruppierungen des Amtes sowie aktuelle Trends ein. Hierunter fallen neben der NPD, der Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg sowie deren Jugendvertretung Junge Alternative auch Gruppierungen wie der "Dritte Weg" oder auch die Identitäre Bewegung Baden-Württemberg, die hier im Land auch als Reconquista 21 auftritt. "Hierbei kann beobachtet werden, dass diese Gruppierungen sich nicht nur den Begriff "Remigration" zu eigen machen, sondern auch die LGBTQ-Bewegung als Feindbild heraufbeschwören", so die Referentin. Zudem setzen viele dieser Organisationen auf einen sogenannten "großen Austausch" oder auch "Bevölkerungsaustausch". Einem politischen Kampfbegriff der Neuen Rechten, bei dem die Neuen Rechten die Einwanderung von Nichtweißen und Muslimen auf eine angebliche Verschwörung mit dem Ziel, die weißen Mehrheitsbevölkerungen in westlichen Staaten zu ersetzen, zurückführen.
Zum Fazit ihres Vortrags nannte die Referentin des LfV nannte sie vor allem die Polarisierung entlang der Themen Remigration und "Anti-LGBTQ" sowie eine stärkere Konfrontation zwischen Links- und Rechtsextremisten, die Rekrutierung und Radikalisierung junger Menschen und die Virtualisierung des Rechtsextremismus vor allem auf Social Media als aktuell größte Herausforderungen für das Amt.

Islamismus und islamistischer Extremismus

Vor der Diskussionsrunde mit den Bürgerinnen und Bürgern ging der zweite Referent des LfV noch auf den Islamismus oder den Islamistischen Extremismus ein. Dabei spann er unter anderem den Bogen vom Begriff des Islamismus bis hin zum islamistischen Extremismus, dessen Ideologie ihm zufolge unter anderem die Reinigung von äußeren und unislamistischen Einflüssen sei und den Islam als politische Ideologie betrachtet, der wiederum darin die Existenz einer gottgewollten und daher alleinig "wahren" und "absoluten Ordnung" sehe. "Die vier ursprünglichen Grundpfeiler des Islams, Allah, Koran, Sunna unf Sharia, werden dahingehend als Befehlshaber (Allah), Verfassung (Koran), Pflicht (Sunna) und Gesetz (Sharia) gedeutet", so der Referent.

Schutz der fdGO als "gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

In der Diskussionsrunde kam unter anderem die Frage auf, warum es Menschen gebe, die extremistisch handeln. Die Gründe hierfür seien dem Referenten zufolge unterschiedlich, so sei es unter anderem beim Islamismus, dass dieser, wie viele andere extremistische Ideologien auch, als Krisenideologie bezeichnet werde, sprich dann aufblühe, wenn es eine nicht zu erklärende Krise gebe. Zudem, so die Referentin, sei Social Media das "Einfallstor zum Rechtsextremismus", mit der Perspektive auf Anschluss und "coole Aktionen". Eine Bürgerin ging beim Thema der Radikalisierung von Jugendlichen vor allem auf die fehlende Aufklärung an Schulen unter anderem durch Mangel an Ethikunterricht in Baden-Württemberg ein und fragte daher, was das LfV dahingehend anbiete. "Unser Schwerpunkt liegt hier vor allem bei der Fortbildung von Lehrkräften, die oft auch entsprechende Beobachtungen machen und hierdurch mit Vortragsanfragen an uns herantreten", so die Referentin. "Neben der Wissensvermittlung gibt es aber auch Respect Coaches, die mit Kindern dieses Thema bearbeiten", merkte ein Bürger an. "Der Schutz der Demokratie und der fdGO ist nicht nur Aufgabe einer einzelnen Landesbehörde, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der man sich an unterschiedlichen Formaten beteiligen kann, um auf die Thematik des Rechtsextremismus aufmerksam zu machen", erklärte der Referent. Auch bei grenzüberschreitenden Bewegungen, so die Referentin, nehmen die Behörden bei entsprechenden Feststellungen des LfV untereinander Kontakt auf. "Jede Strömung"; so der Referent auf eine Frage von Steffen de Sombre vom Bündnis Demokratie stärken, "ist auf ihre Art gefährlich". Für ihn sei es vor allem die Frage, wie man "gefährlich" generell bewerte.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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