Revision des Regionalplans könnte Rechtslage für Genehmigungsverfahren des geplanten Kiesabbaus entscheidend verändern
Dellenhau-Gegner können auf „Stillhalteabkommen“ hoffen
Rielasingen-Worblingen (of). Rund 150 Interessierte waren gekommen zur öffentlichen Sitzung des Petitionsausschuss des Landtags zum Thema Dellenhau in der Rielasinger Talwiesenhalle. In der über zweistündigen Verhandlungsrunde drehte sich schließlich alles um ein „Stillhalteabkommen“, dass die Rechtslage auch in die Vergangenheit gerichtet verändern könnte. Denn nachdem die Vollversammlung im letzten Herbst das Gebiet um den geplanten Kiesabbau als sogenannten „Sicherungsgebiet“ gestrichen sehen will, wäre es nun kein guter Schachzug, hier ein Genehmigungsverfahren für die beantragte Fläche von 13 Hektaren durchzuziehen. Die Vorsitzende des Ausschusses, Bea Böhlen MdL äusserte in der Verhandlung, dass es für sie darum, das Verfahren nun rechtssicher so zu gestalten und zu Ende zu bringen mit dem Ziel, dass im Dellenhau kein Kies abgebaut werden solle.“ Das werte der Radolfzeller Abgeordnete Jürgen Keck, der die Sitzung leitete, aber als persönlichen Standpunkt, denn eine Entscheidung werde der Ausschuss erst in einer zweiten Sitzung fällen, und die werde erst nach der Abstimmung im Regionalverband stattfinden, welche in der letzten Sitzung der Legislaturperiode am 23. Juli geplant ist.
Drei der Petenten kamen zunächst zu Wort ihre Gründe zu erläutern. Die Hilzinger Gemeinderätin Andrea Baumann machte deutlich, dass es Alternativen zu diesem Abbaugebiet gebe, auch für das Kiesabbauunternehmen Birkenbühl selbst, und dass hier Natur und ein Naherholungsgebiet bedroht sei, was aus ihrer Sicht vermeidbar sei. Peter Waldschütz von der Bürgerinitiative führte die Exportorientierung des Unternehmens ins Feld, und dass es eigentlich im Landkreis Kiesvorräte für Generationen gebe und es keine Notwendigkeit gebe, noch dieses Abbaugebiet zusätzlich zu nutzen. Außerdem brachte er aus seiner Sicht eine Gefährdung von Grundwasserströmen zur Sprache, die relativ oberflächennah verlaufen würden, also leicht gestört und beeinträchtig werden könnten. Prof. Frank Hinder als ärztlicher Direktor des Hegau-Klinikums in Singen als größtem Klinikum des Landkreises führte an, dass die Klinik wegen vorherrschende Westwindlagen durch Staub beeinträchtigt werde, auch durch einen Grundlärm des Kieswerks im Betrieb wie auch durch Transporte des Kieses auf den Straßen rund um das Klinikums. Das beeinträchtige Gesundungsprozesse der Patienten, vertrat er.
Karl-Heinz Hoffmann vom Regionalverband Hochrhein Bodensee verwies auf den aktuell gültigen Teilregionalplan Rohstoffsicherung, nach dem das Gebiet 2005 als Sicherungsgebiet eingetragen wurde, mit den Stimmen der Abgeordneten des Regionalverbands. Die jetzige Situation habe sich durch die vorzeitige Beschränkung des Gebiets in Überlingen in 2013 nach einer Entscheidung des Singener Gemeinderats ergeben, weshalb dieses Gebiet zum Abbau ausgewiesen worden sei als Umschichtung für die wegfallenden Abbauflächen. Der Verband habe aber im Herbst einen Kurswechsel in seiner Vollversammlung vollzogen, in dem er die Flächen rund um das strittige Gebiet im Dellenhau für den neuen Teilregionalplan als Sicherungsgebiet wieder herausgenommen habe. Die Vorsitzende des Ausschusses, Bea Böhlen, kommt freilich selbst aus dem Oberrheingraben, wo das Thema Baggerseen und auch Kiesabbau eine große Rolle spielen. Auf ihre Frage zum Thema Export, sagte Hoffmann, sagte er, dass sich Abbau und Verbrauch die Waage hielten, und Exporte nur regional eine Rolle spielten. Bea Böhlen will das über eine Anfrage in Stuttgart nochmals klären lassen, sagte sie.
Singens OB Bernd Häusler ging auf die Vorgeschichte ein: in Überlingen habe man die Grundstücke nicht mehr zur Verfügung stellen wollen, weil der Abbau immer näher ans Dorf gekommen sei. „Wir finden es rechtlich nicht zulässig, dass nun ein Sicherungsgebiet für wirtschaftliche Einzelinteressen in den Abbau umgewandelt werden soll.“ Er wohne in Überlingen am Ried höre dort die Brecheranlagen im Birkenbühl über eine Distanz von mehreren hundert Metern. Das sei eine Situation die dann den Waldfriedhof tangiere. Häusler führte wie sein Rielasinger Kollege Ralf Baumert die starke Verkehrsbelastung ins Feld, die durch die Kiestransporte entstünden.
Er forderte eine Rückstellung des Genehmigungsverfahrens, bis die Revidierung des Teilregionalplans abgeschlossen sei und damit eine klare Rechtssituation hergestellt sei. Weiter forderte Häusler, dass das Land in seine Pachtverträge schreiben solle, dass ein Kiesexport ausgeschlossen sei.
Dr. Dreier vom Regierungspräsidium Freiburg, sagte dass man darauf gedrängt habe, dass die noch zur Verfügung stehenden 1,8 Hektar in Überlingen abgebaut würden. Man habe auf der Basis des bestehenden Regionalplans im Raumordungsverfahren entschieden. Wenn das in einem Jahr anders aussehe, könnte sich die Rechtslage verändern. Dann müsse man auch sehen, wie man damit umgehen solle. Prof. Sparwasser, der als Anwalt von den Anliegerkommunen beauftragt wurde, bekundete seine Sorge, dass vor einem Beschluss des Regionalverbands über den neuen Teilregionalplan bereits schon Tatsachen geschaffen würden. Für ihn sei durch die Änderung des Regionalsplan eine andere Grundlage gegeben: deshalb solle es auch vorher keine Entscheidung geben und ein Stillhalteabkommen vereinbart werde.
Andreas Drewing vom Kieswerk Birkenbühl gab auf Anfrage zur Auskunft, dass ein Antrag zur Genehmigung in Vorbereitung sei und im Laufe des ersten Halbjahrs förmlich gestellt werden solle. Das Thema „Stillhalteabkommen“, also das Abwarten einer neuen Rechtslage, kam ins Spiel mit der Frage, ob zum Beispiel eine Brecheranlage dort aufgestellt werden solle, was laut des Sprechers des Umweltministeriums ein Immisionsrechtliches Genehmigungsverfahren voraussetze. Drewing sagte dazu, dass man die Brecheranlage dort nicht aufbauen wolle, nur eine Anlage zum Sortieren und Waschen des Kieses. Die Frage von der Vorsitzenden, ob er klagen wolle im Falle einer Ablehnung, hönne hier noch nicht beantworten, da er hier keinen Rechtsbeistand dabei habe und sich dazu erst noch beraten lassen müsse.
Auf verschiedene politische Einwürfe aus den Publikum zum Thema „Grüne Landesregierung“ konterte Bea Böhler, dass man hier über eine Rechtsgrundlage spreche, die die demokratisch gewählten Delegierten des Regionalverbands in 2005 durch die Ausweisung als Sicherungsgebiet geschaffen hätten. Das habe mit Landespolitik nichts zu tun. Thomas Buser von der Baurechtsbehörde des Landratsamts machte klar, dass man ein Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz durchführe.
Auf die Frage nach der Motivation für die Pläne im Dellenhau sagte Andreas Drewing, dass man in diese Fläche gehen müsse, um als Unternehmen weiter existieren können. Sonst gebe es die Firma Bikenbühl nicht mehr. Durch die vom Regierungspräsidium gegebene Arrondierung mit 1,8 Hektar habe man auch nur noch einen Kiesvorrat bis etwa Mitte 2019.
Man sei hier freilich in einer rechtlich sehr komplizierten Situation, sagte Bea Böhlen in ihrem Schlusswort. Karl-Heinz Hoffmann verwies in seinem Schlusswort darauf, dass man es sich als Verband gewiss nicht leicht mache, weshalb die Verfahren auch so langwierig und komplex seien. Prof. Sparwasser merkte an, dass es das Unternehmen es vielleicht versäumt habe, sich rechtzeitig Flächen für den späteren Abbau zu sichern. Er forderte darauf in Richtung Regierungspräsidium dazu auf, die raumordnerische Beurteilung aufgrund der Kursänderung des Regionalverbands zu revidieren. Dazu gab es aber den Einwurf von Hoffmann, dass diese Entscheidung nicht Vorweggenommen werden dürfe. Derzeit läuft das Anhörungsverfahren für den Teilregionalplan. Eine Frage zum Pachtvertrag gilt es noch zu klären. Die Vertreter der Gemeinden wurden von der Vorsitzenden aufgefordert, nochmals Fragen an den Petitionsausschuss zu stellen, denn der Ausschuss wird in dieser Frage nochmals in einer geschlossenen Veranstaltung zusammenkommen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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