Mythen der Region
Von Rübengeistern, U-Booten und religiösen Wundern

Foto: Oliver Fiedler
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Kreis Konstanz. Am 31. Oktober ist Halloween. Dieses spukige Fest hat seinen Ursprung in Irland, von wo ihn Einwanderer in die USA mitbrachten. Von dort hat es sich mittlerweile in Europa ausgebreitet. Das WOCHENBLATT hat diesen Tag zum Anlass genommen, um in der Region nachzuschauen, was es hier an Sagen, Legenden und mythischen Orten gibt.

Rübengeister gegen Hunger

Die geschnitzten Kürbisse von „Halloween“, mit denen die Kinder in den Nächten um Allerheiligen gerne im „Süßes oder Saures“ bitten, kennt jeder. Weniger bekannt ist inzwischen der „Rübengeist“, der vielleicht ein Vorfahr der Kürbisgeister gewesen sein könnte, und der um einiges archaischer daherkommt.

Der „Rübengeist“ hat nicht unbedingt etwas mit der Nacht auf Allerheiligen zu tun. Der Brauch um die dicken Runkel- oder Futterrüben bildete einst den Abschluss der Erntezeit. Sie wurden früher als Saftfuttermittel für Rinder und Schafe angebaut, weil sie eine wertvolle Proteinquelle darstellten und in Erdmieten als Vorrat für den Winter angelegt werden konnten.

Nach der Ernte waren, besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, viele Tagelöhner in der Landwirtschaft ohne Arbeit, oft bis zum Frühjahr. Um gegen den aufkommenden Hunger etwas zu unternehmen, kam die Idee auf, die Rüben aus den Feldern zu stehlen, sie auszuhöhlen und mit Kerzenlicht dahinter die Kinder über die Höfe zu schicken, damit sie in den Abendstunden Essbares ergattern könnten.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Weichen auf Wirtschaftswunder gestellt wurde, ebbte der Brauch recht schnell ab. Denn mit dem amerikanischen Soldaten kam auch der Kürbis nach Europa und auch die amerikanische Version von Halloween. Auch der Anbau der Futterrübe ging sehr stark zurück, heute muss man lange suchen, um noch ein Feld zu finden, und wird da eher bei den Schweizer Nachbarn noch fündig.

Dennoch gibt es doch noch ein paar Inseln, die den Rübengeist am Leben halten. In Schienen wird am „Lädele“ im am letzten Sonntag im Oktober zum „Rübengeister-Schnitzen“ eingeladen. Die Futterrübe in der jetzigen Form gibt es übrigens erst seit dem frühen 18. Jahrhundert und ist eine Züchtung. Also keine ganz alte Geschichte, wie man beim Anblick der Geiser vermuten könnte. (of)

Das Translatio-Wunder von Schienen

Bleiben wir in Schienen: Ein mystischer und geschichtsträchtiger Ort zugleich ist in dem Öhninger Ortsteil auf der Höri zu finden: Die ehemalige St. Michaelskapelle am Käppeleberg ist heute Teil des Wohnhauses von Georg-Johannes Maier. Er ist davon überzeugt, dass es sich um einen Ort voller Magie handelt.

Die Kapelle in Schienen ist eines der ältesten Gotteshäuser der Bodenseeregion und wurde – so die Vermutung – auf einer keltischen Kultstätte errichtet. Diese Zelle diente der Kirche dann als Krypta. „Es ist bis heute ein mystischer, sagenumwobener Ort“, meint Georg-Johannes Maier, der die Geschichten und Legenden seines Wohnhauses zusammengetragen hat und auch gerne weitergibt. Er hat die ehemalige Krypta zu einem Ort der Besinnung und Meditation umgestaltet, der in den Sommermonaten jedem offen steht.

Foto: Tobias Lange

Eine der Legenden um das ehemalige Gotteshaus ist das Translatio-Wunder, das auf zwei Tafelbildern beschrieben wird: Nachdem die Michaelskirche zu klein geworden war, wurde ab etwa 860 mit dem Bau der Basilika St. Genesius begonnen. Diese wurde 1542 bei einem Brand beschädigt, weswegen die Gottesdienste und das Bildnis der Mutter Gottes kurzerhand wieder in die St. Michaelskapelle verlegt wurden. Hier beginnt das eigentliche Wunder.

Denn der Legende nach kehrte das Bildnis Marias in den nächsten Tagen wiederholt an seinen ursprünglichen Ort in der Basilika zurück. Auf den Tafelbildern steht dazu geschrieben: „Von keines Menschen Hande, das Bild Mariae schön, am alten Orth mann fande, in dieser Kirchen stehn.“ Dies wurde als göttliches Zeichen gedeutet, die Basilika wiederaufzubauen. Was dann auch geschah. (tol)

Das U-Boot von Bodman

Dieses rätselhafte Objekt am Seeufer dürfte wohl einigen langjährigen Bewohnerinnen und Bewohnern Bodmans noch ein Begriff sein. Wie die Lokalhistoriker der SeeEnd-Geschichten, namentlich in diesem Fall Victor Lindenmayer, auf ihrer Homepage berichten, lag das 25 Meter lange „U-Boot“ rund zwei Jahrzehnte in Ufernähe am östlichen Ende Bodmans. Es gibt nur wenige Belege für seine Existenz, dazu zählt etwa eine private Postkarte. Andere Erkenntnisse stammen aus Gesprächen mit „Augenzeugen“.

Dass es sich um ein U-Boot handelte, ist dabei selbst schon ein Mythos. Der durch Fotos vermutete Aufbau des Bootes – etwa fehlende Bullaugen – sprechen dagegen. Stattdessen „ähnelt es in Größe und Form einem ummantelten Segelboot der Bootsklasse 'Drachen'“, so Lindenmayer. Eine weitere Theorie, dass mit dem Boot die Welt umsegelt werden sollte, scheint auch unwahrscheinlich: Die Fotos zeigen weder Mast noch Ruderanlage. Sollte damit vielleicht – einem damaligen Trend folgend - der Rheinfall bezwungen werden?

Foto: Unbekannt/Privat

„Wenn die Wissensgrundlage spärlich und vage ist, führen Klischees und Vorurteile rasch zu skurrilen Annahmen“, schreibt Victor Lindenmayer weiter. So auch hier: Der Bootsbesitzer aus der Schweiz soll wenig gesprächig gewesen sein. Doch die Fantasie der Dorfbewohner und -bewohnerinnen füllte die Lücken: Der Schweizer sei Anhänger einer Sekte, der mit der Arche einen bevorstehenden Weltuntergang überstehen wolle. „Die lineare Gedankenkette 'Sonderling-Sekte-Apokalypse' ist ein klassisches Muster“, fährt der Autor fort.

Nachdem der ursprüngliche Besitzer des Bootes sich das Leben genommen hatte, verweilte das Schiff noch einige Jahre an Ort und Stelle. 1980 wurde das Konstrukt durch die Feuerwehr aus dem See entnommen und verbrannt. (ak)

Das Totenmännlein der Büsinger Bergkirche

Dass die 1.000 Jahre alte Bergkirche St. Michael in Büsingen Heimat eines lokalen Mythos ist, ist schon angesichts ihres Alters wenig verwunderlich. Eine Geschichte soll eine auffällige Grabtafel erklären, die, anders als die übrigen Wandtafeln, mit einer Figur und der Inschrift „Memento mori“ (Latein: „Bedenke, dass du sterben wirst“) versehen ist.

Der Erzählung nach erinnert die Gravur an einen Gerichtsherrn der Gemeinde. Der kehrte einst mit seinem Gefolge den Kirchhügel her von der Jagd zurück und pausierte in der Kirche. Hochmütig behauptete der Gerichtsherr, dem Tod zehn Lebensjahre abluchsen zu können und warf dafür einige Geldstücke in das steinerne Taufbecken.

Foto: Anja Kurz

Doch kaum war das Geräusch der Münzen verklungen, streckte ein Blitz die Gruppe nieder. Während seine zwölfköpfige Gefolgschaft nur kurz ohnmächtig wurde, verstarb der Gerichtsherr an Ort und Stelle. Als Warnung, sich nicht in ähnlicher Weise mit dem Tod anzulegen, ließen die zwölf Überlebenden die Grabplatte mit der Inschrift fertigen.

Die Engelswand bei Zoznegg

Irgendwann vor einigen Jahren haben Menschen angefangen, kleine Engelsfiguren, die man sonst eher von Friedhöfen als Grabschmuck kennt, in eine Sandsteinwand im Waldgebiet „Bergholz“ oberhalb von Mühlingen in die Vertiefungen dort zu setzen. Das hat sich dort zum regelrechten Kultort entwickelt und wahrscheinlich haben viele Wanderer ihren Engel dort mit hingebracht und mit dazu gesetzt, sodass es inzwischen hunderte dieser Engelchen sind, die hier die Wanderer und Spaziergänger grüßen.

Das zieht von Jahr zu Jahr auch immer mehr Menschen an, zumal die kleine Tour durch den Wald auch für Sparziergänger durch ihren ebenen Verlauf leicht zu meistern ist. Auch Wanderführer und touristische Portale machen inzwischen auf dieses Kleinod aufmerksam. Je nach Jahreszeit bietet der Waldweg auch manchen Ausblick herunter nach Zoznegg, das unten im Tal liegt. Und in den dunklen Monaten brennt dort auch mal die eine oder andere Kerze.

Foto: Archiv

Die Meinungen gehen auch hier auseinander. Während es für die einen ein „Ort der Kraft“ oder „Traumort“ ist, gibt es auch Aussagen wie „behördlich genehmigte Umweltverschmutzung“. Tatsächlich sind die keinen Engelchen natürlich ein industrielles Produkt und aus witterungsbeständigem Kunststoff. Anzusehen sind sie in ihrer erstaunlichen Vielfalt trotzdem wirklich schön.

Wer die Engelchen besuchen will, hat es ganz einfach: An der Straße von Stockach nach Zoznegg ist kurz vor dem Ort der Wanderparkplatz bei den „Geigershöfen“. Dort am Waldrand einfach links abbiegen und nach zwei Kilometern etwa erreicht man die Engelswand, der ganze Rundkurs durch den Wald ist knappe sechs Kilometer lang. (of)

Die Sage vom Abt Markus von Knöringen

Auch im Radolfzeller Raum ranken sich einige Sagen umher, so auch die von Abt Markus von Knöringen, wie der Radolfzeller Historiker Christof Stadler erzählt: „Im Jahr 1540 gelang es dem Bischof von Konstanz, Johannes von Weeze, den lang erstrebten Abtstitel des Klosters Reichenau zu erlangen, die damals von Abt Markus von Knöringen geführt wurde.“ Dafür bestach der Bischof laut Stadler den Reichenauer Abt.

Foto: Christof Stadler

„Infolgedessen wurde Markus von Knöringen mit Abfindungen pensioniert, woraufhin der nun ehemalige Abt sich gen Radolfzell absetzte, um dort seinen Lebensabend in der Reichenauer Niederlassung 'Obere Hölle' – heute die Höllturmpassage - zu verbringen."

Und weiter: "Bereits auf dem Seeweg von der Reichenau nach Radolfzell soll er bei einem heftigen Sturm fast schon untergegangen sein. Hier lebte er nur kurze Zeit. Seine Nachfahren wollten das veruntreute Gut nicht zurückgeben, sodass der verstorbene Abt mit allerlei Getöse nachts im Haus erschien, Tische und Stühle umherwarf, ja sogar in Gestalt eines brüllenden Ochsen oder als faister Mönch in der Kutte erschien und die Erben ermahnte, man möge alles zurückgeben und ihm einen Raum im Haus gebe, da er draußen von bösen Geistern gepeinigt werde. Als der Geist keine Ruhe gab, verbannte man ihn in ein Rohrmoos (Schilf), wo weder Leute noch Vieh hinkamen.“

Autor:

Redaktion aus Singen

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